Spendengala

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Wir haben es uns auf einer niedrigen Couch bequem gemacht. Nathan hält seine Freundin im Arm, während ich an meinem dritten Champagner nippe. Irgendwann gesellt sich Theresa zu uns, begleitet von Back und einem kleinen blondhaarigen Mädchen.
,,Marian, das sind Nathan und Charisma", stellt Back uns vor und wirft Kimberly einen fragenden Blick zu.
,,Ich heiße Kimberly."
,,Bist du seine Freundin?", fragt Marian mit Unschuldsmiene und zeigt auf Nathan.
,,Woher weißt du das?", lacht Kimberly erstaunt.
,,Weil er dich ganz fest hält", erklärt Marian grinsend, woraufhin Nathan sofort seinen Griff lockert und knallrot wird.
,,Ich habe schon viel von dir gehört", spreche ich das Mädchen an und ernte ein breites Grinsen.
Sie ist wirklich hübsch, hat allerdings, bis auf die grünen Augen, nicht die geringste Ähnlichkeit mit meiner Freundin Jade.
Marian hat weder die hohe Stirn, noch die spitze Stupsnase. Stattdessen prägen hohe, ausgeprägte Wangenknochen und dunkle, geschwungene Wimpern ihr ebenes, blasses Gesicht. Für ihr Alter hat sie genau die richtige Größe und ihre Stimme ist leise und melodisch, ein kleines bisschen wie die von Nathan.
,,Ich habe auch schon viel von dir gehört", sagt sie.
,,Ach ja? Woher denn?"
,,Jade und Back haben oft von dir gesprochen."
,,Schhhhhh", zischt ihr Stiefbruder sofort und boxt Marian spielerisch gegen die Schulter.
,,Wo ist Jade eigentlich?"
,,Ich habe sie eben mit Javier sprechen sehen", gibt Back mir Auskunft.
Ich nicke und wende mich wieder Marian zu.
,,Deine Schwester hat erzählt du wärst sehr musikalisch", tratsche ich grinsend.
,,Stimmt gar nicht. Ich spiele nur Klavier und Flügel", meint sie und hebt trotzig das Kinn, wie ich es gerne tue.
,,Also ich spiele... Ich kann trommeln."
Marian bricht in schallendes Gelächter aus und Kimberly und Theresa stimmen gleich mit ein, während Nathan und Back versuchen das Lachen, so gut es eben geht, zu unterdücken.
,,Ach ja! Und was spielt ihr für Instrumente?", empöre ich mich gekränkt.
,,Seid meinem zehnten Lebensjahr Gitarre", erzählt Theresa stolz.
,,Auch das Klavier", gibt Back seinen Senf dazu.
Und als wäre das nicht schon schlimm genug meint Kimberly: ,,Geige."
,,Wow! Nathan! Wie fühlst du dich neben einem solch heißen Feger?", provoziert Back ihn.
Doch bevor Nathan zu einer schlagfertigen Antwort ausholen kann, mischt Marian sich ein.
,,Liebst du sie?"
Ausnahmslos alle Augenpaare richten sich nun auf das junge Mädchen.
,,Du hast gezögert!", ruft sie anklagend, worauf sich alle Nathan zuwenden. Auch Kimberly sieht erwartungsvoll zu ihm auf.
,,Ob ich sie liebe?", flüstert er und schiebt seiner Freundin eine lose Haarsträhne zurück. ,,Ich liebe sie mehr als die Sonne. Für sie würde ich auf Ewig in dunkelster Finsternis tappen. Ich liebe sie mehr als mein Vermögen. Für sie würde ich auf ewig in Armut leben. Ich liebe sie mehr als mein eigenes Leben. Für sie würde ich sterben."
Mir ist klar, dass er diese Worte nur für seine kleine Schwester ausgewählt hat und doch klingt die Wahrheit darin schmerzhaft nach.
Ich atme tief ein, aber die Luft scheint auf einmal viel zu wenig Sauerstoff zu enthalten.
,,Ich bin gleich wieder da", hauche ich und bin erstaunt, dass meine Freunde mich verstehen.
Ich kippe den Rest Champagner hinunter, hole mir direkt das nächste Glas und schlängel mich anschließend durch die Menschenmenge nach draußen, auf die schmale, schlecht beleuchtete Terasse.
Am Geländer steht ein großer Mann mit braunem Haar, dessen Blick in weite Ferne gerichtet ist. Ich erkenne ihn an seinen breiten Schultern sofort.
,,Champagner?", hole ich ihn in die Realität zurück.
Er zuckt zusammen, mustert mich kurz und nickt dann. Ich gebe ihm mein Glas und er kippt es auf Ex.
,,Was ist los?", frage ich Javier und stelle mich neben ihn. Das Geländer ist eiskalt, sodass ich das Gefühl habe meine Handflächen würden daran festfrieren.
,,Du bist doch eine gute Freundin von Jade, oder?"
,,Denke schon." Ich schlinge die Arme um meinen zitternden Oberkörper.
,,Nimm die", meint Javier und bietet mir mit todbringender Miene seine Jacke an. Ich nehme sie ohne groß darüber nachzudenken.
,,Also? Was ist?", will ich den Gesprächsfaden wieder aufnehmen.
,,Weißt du, warum Jade so komisch zu mir ist?", fragt Javier unverwandt.
Ich schweige.
,,Du weißt es..."
Ich schweige weiter.
Er seufzt. ,,Sag mir einfach die Wahrheit? Hat... Liebt sie mich?"
,,Ich weiß doch überhaupt nicht was Liebe ist. Den ganzen Tag über höre ich von Leuten, die sich lieben und weiß gar nicht, was das ist. Die wahre Liebe... Bis eben war ich mir sich, dass Liebe bedingungslos ist. Mehr weiß ich nicht", klage ich ihm mein Leid und wische eine Träne von meiner Wange.
,,Patrick?"
,,Woher weißt du das!?"
Javier lacht. Farb- und klanglos, aber er lacht.
,,Jeder im Umkreis von zwanzig Kilometern kennt eure Liebesgeschichte. Allerdings versteht sie keiner so genau..."
,,Sehr gut. Dann bin ich nicht allein", stöhne ich und lehne meine warme Stirn gegen das kalte Geländer.
,,Mit seinen Sorgen und Problemen ist man nie ganz allein", muntert Javier mich halbherzig auf, dann entsteht eine Pause.
Doch diesmal macht sie mir nichts aus. Mit Javier zu sprechen ist einfach unkompliziert.
,,Selbst jemand wie ich - der nicht den blassesten Schimmer von der Liebe hat - weiß, dass Jade dich liebt und jeder Blinde merkt auf der Stelle, dass es dir bei ihr nicht anders ergeht", predige ich lächelnd. Nie hätte ich gedacht, dass ich soetwas mal sagen würde.
,,Warum ist sie dann so komisch?"
,,Ihr habt gestritten, nicht wahr?"
,,Ist es, weil sie denkt ich wäre arm? Nur ein Bodyguard?", umgeht Javier meine Frage. Er umschließt das gelbe Geländer mit seinen Fingern so fest, dass seine Knöchel weiß hervortreten.
,,Du verstehst das ganz fal..." Und da geht mir die Bedeutung seiner Klage auf.
Ist es weil sie denkt...
,,Du bist gar nicht arm?" Verwundert hüpft eine meiner Augenbrauen hoch.
,,Weder arm, noch reich."
,,Schade." Hätte er ein Vermögen, wäre Jades Problem aus der Welt geschafft und sie könnte endlich glücklich werden.
,,Sie will mich also nur nicht, weil ich nicht genügend Geld habe!?", prüllt Javier plötzlich, sodass ich zusammenfahre.
,,Okay. Bitte beruhig dich mal, ja?"
Er dreht mir den Rücken zu und stößt rasselnd einen Schwall Luft aus.
,,Jades Vater war, als er noch lebte, sehr streng. Seine Tochter sollte nur einen Adeligen oder einen mit Vermögen heiraten. Das war auch sein letzter Wunsch. Jade liebt dich, aber sie bringt nicht die Kraft auf sich dem letzten Wunsch ihres Vaters zu widersetzen. Verstehst du das? Sie würde dich nehmen, selbst wenn du so Pleite wie eine Kirchenmaus wärst. Es ist nur der Wille ihres toten Vaters der sie davon abhält", bringe ich die erdrückende Wahrheit endlich über meine Lippen.
Langsam dreht Javier sich wieder zu mir um. In seinen Augen sehe ich etwas glänzen und ich versuche verzweifelt herauszufinden was.
,,Adelig oder vermögend also", grübelt er laut.
,,Ich komm nicht mit", gestehe ich kleinlaut.
,,Hast du meine Familie eigentlich schon kennengelernt?" Mit einem Schlag ist Javier wieder bestens gelaunt. Euphorisch packt er mich am Ellenbogen und zieht mich zurück ins Gebäude.
,,Ähm... Nein. Was hat das mit Jade und dir zu tun?" Ich fühle mich völlig übergangen.
,,Eine ganze Menge." Suchend blickt Javier sich um, wobei ihm eine längere Haarsträhne über ein Auge rutscht. Der Griff um meinen Arm ist fest; ich bin es nicht gewohnt so hart angefasst zu werden.
,,Dahinten", ruft er und zeigt Richtung gelber Salon.
Er zerrt mich so schnell hinter sich her, dass mein blaues Kleid sich aufbauscht.
Vor einer zierlichen, jungen Dame kommt Javier endlich zum Stehen.
,,Amelie, sind unsere Eltern schon da?"
Die Frau schüttelt den Kopf. Sie hat dunkelrote Locken, die mich an Theresas weinrotes Kleid erinnern und hellblaue, fast weiße Augen. Ihre Lippen sind voll und rot, ihre Wangen rosig und ihre Nase perfekt.
Im selben Augenblick tauchen ein Mann und ein kleiner Junge hinter Amelie auf.
,,Na Javi! Wenn hast du uns denn da mitgebracht?", erhebt der Mann die Stimme. Mit seiner Größe, den braunen Haaren und den wachen Augen hat er ungemeine Ähnlichkeit mit Javier.
,,Cara, das sind meine Brüder. Die Nervensäge heißt Oliver-"
,,Dein Zwilling?", quatsche ich dazwischen.
,,Leider... Amelie von Arthur, meine Schwester und der Junge, der sich hinter ihr versteckt, ist mein anderer Bruder, Alexander von Arthur."
,,Das ist unglaublich!", stoße ich aus.
,,Was meinst du genau?", fragt Oliver amüsiert.
,,Wie ähnlich ihr euch alle seht und nur Amelie..." Ich breche ab, als ich merke wie unhöflich ich bin.
Doch Amelie nimmt es mit Humor.
,,Ich weiß. Ich bin die einzig hübsche unter uns Geschwistern. Ich komme nämlich als Einzige nach unserer Mutter", erzählt sie mit einem Lächeln und wirft sich ihre rote Haarpracht nach hinten.
Irgendwie kommt mir ihr Name bekannt vor.
Amelie von Arthur.
Ich grüble und grüble.
Wo habe ich den bloß gehört?
Ich glaube der Name stand in einem Brief...
Natürlich! Die Gästeliste der Spendengala!
Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Hat Patrick sich nicht über die ganzen Adelstitel aufgeregt?
Amelie von Arthur!
Javier von Arthur!
,,Verdammt! Javier! Du bist adlig!", schreie ich und handel mir einen tadelnden Blick seiner älteren Schwester ein. Nur Alexander scheint meinen Ausbruch witzig zu finden, denn er lacht und lugt hinter Amelies Bein hervor. Wenn ich mich recht entsinne, ist er 13 Jahre alt.
Ungehalten falle ich Javier um den Hals.
,,Du bist adlig! Du bist adlig! Du bist adlig! Komm schon! Komm schon! Komm schon!", rufe ich wie eine Zehnjährige und schleife meinen Freund hinter mir her.
Das Gedränge ist inzwischen so groß, dass wir Jade erst nach einer halben Stunde finden und dann sitzt sie auch noch neben Back, Marian und Theresa auf der mir so bekannten Couch und trinken teuren Weißwein.
Als Jade Javier erkennt, will sie sogleich die Flucht ergreifen, doch ich packe sie noch rechtzeitig am Ärmel ihres nachschwarzen Kleides.
,,Bitte", flehe ich sie an. ,,Bitte, hör dir einmal an, was er dir zu sagen hat! Du wirst froh sein, glaub mir!"
Zweifelnd starrt sie mich an, windet sich aus meinem Griff, bleibt aber stehen.
,,Du hast eine Minute", sagt sie an Javier gewandt.
,,Mehr brauche ich nicht", flüstert dieser, beugt sich vor... und küsst sie.

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