Matthew

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Wir sitzen im gelben Salon. Weit vorne, auf einem sonnengelben Sofa, neben den VIPs.
Ich habe die Beine an meinen Körper gezogen und meinen Kopf auf Patricks Brust gebettet. Sein linker Arm hält mich fest umschlungen und ich fühle ich so geborgen und sicher wie noch nie. Doch das soll sich in wenigen Sekunden schlagartig ändern. Nämlich in der Sekunde in der das Programm beginnt. In der Sekunde in der Jade mich anstupst. In der Sekunde in der Patrick scharf die Luft einzieht. In der selben Sekunde in der ich den Kopf hebe und Matthew erblicke.
Reflexartigartig mache ich mich klein und atme flacher, doch er hat uns bereits erspäht. Gewalttätig kämpft er sich durch die empörte Menge und schubst sogar den Türsteher der VIP-Lounge beiseite. Den Lärm, den er dabei veranstaltet, wird von meiner Tante übertönt, die den Leuten mit Mikrofon dafür dankt, dass sie alle so zahlreich gekommen sind.
Matthew baut sich drohend vor dem Sofa auf und starrt uns mit todbringender Miene an. Seine dunklen Augen scheinen Feuer zu spuken und sein Körper bebt wie bei einem Erdbeben.
Ich lege Patrick eine Hand auf die Brust, um ihn zurück zu halten.
,,Gut so. Nimm deinen Hund an die Leine", faucht Matthew und meine Hand ist das Einzige was Patrick davon abhält ihm das Genick zu brechen.
,,Was ist los mit dir Matt?", frage ich vorsichtig.
,,Was los ist!! Verdammt noch mal, Cara! Ich habe dir alle Zeit, allen Freiraum der Welt gelassen! Ich habe dir erlaubt auszuziehen! Ich habe dir erlaubt mit diesen Hunden spielen zu gehen! Ich habe dir alles erlaubt, damit du dich wieder einbekommst und zu mir zurückkommst! Doch stattdessen finde ich dich hier, in den Armen dieses Hurensohns!", schreit er und entlockt Patrick ein gefährliches Knurren. Seine Augen haben sich bereits zu Schlitzen verengt und jeder seiner Muskeln wirkt angespannt.
Das konnte ich ihm nicht weiter zumuten.
,,Du hast es mir erlaubt!? ERLAUBT!! Sag mal tickst du noch ganz richtig!? Ich kann machen was ich will und wann ich es will und habe dir keine Rechenschaft abzulegen!", brülle ich fuchsteufelswild und erhebe mich.
Und da geschieht es. Matthew rutscht die Hand aus. Er schlägt mich nicht fest, aber er schlägt mich und das ist für Patrick Provokation genug. Er springt auf und schmeißt sich meinem Ex-Verlobten an die Kehle. Auch wenn ich Matt in diesem Augenblick gerne Tod sehen würde, reiße ich mich zusammen und helfe Javier und Back Patrick von ihm herunter zu zerren, während Nathan und Joshua alle Hände voll mit Matt zu tun haben, der natürlich nicht ans Aufgeben denkt.
Inzwischen haben sich sogut wie alle Besucher zu uns umgewandt und beobachten das Geschehen mit teils geschocktem, teils aufgebrachtem Gemüt. Einige scheinen empört von dieser Unterbrechung, aber niemand schreitet ein oder kommt uns zu Hilfe.
Aufgeblasene Schnösel, schalle ich sie in Gedanken.
,,Patrick, bitte!", flehe ich kraftlos. ,,Bitte hör auf! Für mich! Bitte!"
Und tatsächlich. Zwar gibt er seinen Wiederstand nicht ganz auf, doch er prügelt sich langsamer und überlegter, sodass Javier und Back die Chance haben ihm die Arme auf den Rücken zu drehen und ihn einige Meter von Matt wegzubekommen. Sicherheitshalber stelle ich mich zwischen die Fronten.
Joshua und Nathan hingegen haben größere Probleme. Zwar ist Matthew um einiges schwächer als Patrick, doch er ist auch kleiner und flinker. Immer wieder taucht er unter Nathans Klammergriff hinweg und schafft es gerade sich loszukämpfen, als ein junger Mann ihn grob an der Schulter packt.
,,Hör auf mit dem Scheiß!", weißt er seinen Freund zurecht. ,,Es gibt andere Wege!"
Und es ist eben dieser Mann mit diesem einen Satz, der die Erinnerung zurückholt, die ich all die Jahre über tief in meinem Herzen vergraben habe. Mein Verstand wollte mich vor der Wahrheit beschützen und bis heute hat das auch gut geklappt. Mein Herz zieht sich zusammen, das Metall in meine Adern wird fest und in meinem Hirn beginnt es schwer zu rattern.

Steve steht direkt vor mir. Er lässt seine Fingerspitzen über meine Wange wandern und ich seufze tiefenentspannt.
,,Versteck dich nicht."
,,Ich flehe dich an! Versteck dich nicht."
,,Sei nicht so, wie die dahinten."
,,Sei nicht so."
,,Du bist besser als die! Patrick würde sich unglaublich freuen, seine alte Cara wiederzubekommen."
,,Nicht die hochgestochene, arrogante, selbstverliebte Rose. Sei die Cara, die ich kennenlernen durfte."
,,Sei du selbst. Sag ihm, wie sehr du ihn liebst."
,,Ich habe ihm so viel Leid zugefügt." Meine Stimme ist brüchig.
,,Und er dir nicht minder."
Steve hat sich umgedreht und geht bereits auf den schmalen Zebrastreifen zu.
,,Steve?"
Er dreht sich nochmal zu mir um.
,,Ich wünsche mir wirklich, dass du sie irgendwann findest..."
Steve lächelt mich vorsichtig an. Als hätte er das Lächeln über all die Jahre hinweg verlernt.
Er wendet sich wieder ab und ich tue es ihm gleich. Ich bin gerade erst zwei Schritte in die entgegengesetzte Richtung gelaufen, da höre ich hinter mir die Reifen quitschen.
Ich wirbel herum und bekomme den Mord im letzten Moment zu sehen. Es ist das Auto, das eben noch leblos und keine fünf Meter von uns entfernt geparkt hat.
Ich renne und als ich die Gesichter im Wageninneren erahnen kann, vergesse ich den Boden zu meinen Füßen.
Ich verhake mich mit meinem Absatz zwischen zwei lockeren Betonplatten und stürze zu Boden.
Von dort aus kann ich den jungen Mann mit den dunkelbraunen Haaren und dem entschlossenen Gesichtsausdruck eines Anwalts am Steuer und seinen Freund auf dem Beifahrersitz nur zu gut erkennen. Der Freund tätschelt ihm den Rücken und scheint ihn mit der Faust anzufeuern. Er fletscht gierig die Lippen und lehnt sich Zentimeter für Zentimeter weiter vor. Es ist sein Auto, das Matthew fährt und in gewisser Weise ist es seine Schuld, dass Steve in fünf Sekunden Tod sein wird.
Ich will mir die Lunge aus dem Hals schreien, doch ich drohe bereits schon jetzt an meinen Tränen zu ersticken.
Das Auto rammt den massigen Körper mit voller Wucht. Die goldblonde Mähne verfängt sich in den Scheibenwischern. Ein scheußliches 'Knack' ertönt und der Körper meines besten Freundes zerschellt auf dem Bürgersteig.

Ich stoße einen markerschütternden Schrei aus, den selbst Matthew inne halten lässt. Back und Javier lassen Patrick los, der sich sofort schützend vor mich stellt. Er packt sanft meine Schultern und sieht mich besorgt an.
Ich bin froh, dass er mich festhält denn im gleichen Augenblick klappe ich zusammen. Patrick fängt mich auf und der Komplize schafft es, zusammenden mit Nathan und Joshua, den Mörder, meinen Ex-Verlobten, aus dem Raum zu zerren, der sich wieder halbwegs beruhigt hat.
,,Cara? Cara? Alles okay?", ruft Patrick ganz aufgelöst und tastet meine Stirn ab.
Am ganzen Körper zitternd umfasse ich seine Hand mit meiner und klammere mich daran wie an einen Rettungsring.
,,Brauchst du etwas? Kann ich dir irgendwie helfen?"
,,Ja... lass mich nicht allein", hauche ich und schlucke die neue Flut an Tränen hinunter.
Patrick drückt mich an seine Brust, streicht mir das rote Haar aus dem Gesicht und flüstert mir die Worte 'Nie wieder' ins Ohr.

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