Kapitel 2: Flucht

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In der Nacht schreckte Natalia einige Male durch die Geräusche im Dickicht auf. Boris hingegen schlief tief und fest und sie drückte sich aus Furcht enger an ihn und umfasste dabei ihr Messer. Natalia zog sich ihren Umhang, in den sie sich gehüllt hatte, noch über den Kopf und war froh, als es endlich dämmerte. Zum Frühstück gab es für jeden ein Stück Brot und ein wenig Wurst, die sie aus der Vorratskammer genommen hatten. Kaum hatten sie fertig gegessen, stand Natalia ungeduldig auf. „Wir müssen weiter. Meinst du, sie verfolgen uns schon?"

Boris schluckte den letzten Bissen hinunter und zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Hoffentlich reiten sie in eine andere Richtung."

Sie packte plötzlich seinen Arm und starrte ihn voller Furcht an. „Wenn sie uns erwischen, dann ramme ich mir das Messer ins Herz. Und falls ich es nicht kann, dann tust du es. Immer noch besser als einen qualvollen Tod zu sterben."

Er nickte. „Ja, sie werden uns nicht lebend fangen." Boris wollte gewiss nicht aufgespießt, gevierteilt werden oder sonst etwas Schreckliches erdulden müssen.

So durchstreiften sie einige Tage lang die Wildnis und vermieden es auf Menschen zu stoßen. Ihre Vorräte gingen schließlich zur Neige und bald litten sie Hunger. Boris musste versuchen etwas zu erbeuten. Am einfachsten würde es sein Fische zu fangen. Ihre Wasserbeutel hatten sie immer wieder aufgefüllt und am nächsten Bach, versuchte Boris sein Glück. Er watete hinein, blieb lauernd im Bachbett stehen und starrte aufs Wasser. In einer Hand hielt er sein Messer, um den Fisch aufzuspießen. Die ersten paar Versuche schlugen fehl. Die Fische waren einfach zu schnell. Wenn er zustieß, schnellten sie plötzlich davon. Er fluchte leise und gab die Hoffnung schon auf.

Natalia saß am Ufer und ermunterte ihn weiter zu machen. Kurze Zeit später traf er endlich und hob den aufgespießten, zappelnden Fisch wie eine Trophäe über seinen Kopf. „Ja, ich hab einen."

Seine Geliebte sprang auf. „Schnell gib her, bevor er dir entwischt."

Er warf ihn ins Gras, wo er noch einige Male zappelte. Nun machte sich Natalia an die Arbeit. Tiere zum Kochen vorbereiten, gehörte zu ihrer Arbeit. Sie schuppte den Fisch und nahm ihn aus. Boris kümmerte sich solange ums Feuer und schließlich brieten sie ihn an einem Stock. Satt wurden sie davon nicht, aber besser als gar nichts. Boris sagte: „Ich denke, wir könnten für ein oder zwei Tage hierbleiben. Wir sind jetzt einige Tage vom Hof weg. Ob sie uns überhaupt so lange verfolgen?"

Natalia war unsicher. „Ich weiß nicht. Aber für einen Tag wird es schon gehen. Dann kannst du weiter Fische fangen. Ich versuche es ebenfalls."

Er watete abermals in den Bach. Natalia band ihren Rock hoch und folgte ihm ins Wasser. Sie hatten Glück und erbeuteten nochmal drei Fische.

Nach dem Essen waren sie endlich satt. Boris legte den Arm um Natalia und drückte sie zufrieden an sich. Er vermisste ihre Zärtlichkeiten, die bis jetzt durch die Rastlosigkeit zu kurz gekommen waren. Boris küsste ihre Wange, dann ihre Lippen und umarmte sie. Natalia erwiderte zuerst zaghaft seine Küsse, aber dann sank sie mit ihm ins Gras und sie liebten sich wieder. Danach stand sie auf und als Boris fragend zu ihr aufblickte, sagte sie: „Ich muss mal." Ihn wunderte es ein wenig, dass sie dafür ins Wasser ging. Sie hockte sich in den Bach und wusch sich danach zwischen den Beinen.

Am nächsten Morgen marschierten sie weiter durch den Wald, nachdem sie noch zwei Fische gefangen hatten, die sie als Abendessen mitnahmen.

Boris blickte sich um. „Wo wir wohl sind?"

Natalia war der Wald nicht geheuer. Da gab es Bären und Wölfe. „Was machen wir, wenn wilde Tiere kommen? Wir haben nur zwei Messer."

„Es werden schon keine kommen. Morgen sind wir weit genug im Wald. Dann suchen wir uns einen festen Ort, wo wir bleiben können."

Von Räubern und DirnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt