Kapitel 17: Unverhofftes Wiedersehen

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Einige Jahre später, Boris war vierundzwanzig, überfielen Sergej und seine Männer einen Reisetrupp. Die beiden Kutschen wurden von mehreren bewaffneten Männern begleitet, doch aus dem Hinterhalt hatten sie keine Chance gegen die Bande. Die Meisten wurden aus den Sätteln geschossen und im Nu waren die Wagen von den maskierten Reitern umzingelt.

Boris riss die Tür einer der Kutschen auf und sah hinein. Da klammerte sich ein dunkelhaariges kleines Mädchen an eine blonde Frau, die ihm ein langes Messer entgegenhielt. "Wenn Ihr uns anrührt, dann steche ich zu", sagte die Schönheit mit himmelblauen Augen. Boris durchfuhr es bei ihrem Anblick wie ein Blitz. Irgendwoher kannte er dieses Engelsgesicht, das nun einige Fältchen aufwies. Wie von selbst sagte er: "Nora? Bist du Eleonora?"

„Wer will das wissen?", fragte sie schnippisch. Er zog das Tuch vom Gesicht: "Ich bin Boris. Erinnerst du dich an mich? Zoja lebt bei uns." Noras Augen weiteten sich: "Boris? Ja, Zoja ging damals mit Dima und dir. Ich erinnere mich." Sie hätte den Burschen von damals jetzt mit seinem gestutzten Bart, den längeren, aschblonden Haaren und dem männlicheren Aussehen nicht wieder erkannt. Sergej kam dazu: "Borja, was ist los? Hol sie raus." Er erwiderte: "Das ist Nora. Die schöne Blondine zu der Dima immer ging." Sergej zog Boris zurück und sah ebenfalls hinein. Nora wappnete sich abermals mit ihrem Messer: "Rühr mich nicht an!" Der Hauptmann nickte lachend: "Tatsächlich! Dimas Schätzchen." Sein Blick fiel auf das verängstigte Mädchen: "Ist das deine Kleine?"

„Meine Tochter, ja." Gegenüber saß ein gleichaltriger braunhaariger Junge: "Was sind das für Männer, Mama?" Im Hintergrund rief Sascha: "Hier haben wir den feinen Herrn." Und zerrte einen dunkelhaarigen Edelmann herbei.

Langsam dämmerte es Boris. War das der Kerl, der damals Nora zu sich holte? Und das waren sicher ihre gemeinsamen Kinder. Nora nahm ihre Kinder bei den Händen, stieg aus und flehte: "Bitte verschont ihn. Boris, ich bitte dich." Der wies auf Sergej: "Das ist seine Entscheidung." Der Hauptmann trat vor Nora und musterte sie von Kopf bis Fuß. Dann lächelte er anzüglich: "Es ist aber nicht umsonst." Die Blonde verzog keine Miene: "Aber nicht vor den Kindern." Boris drängte sich vor Nora: "Du rührst sie nicht an." Sergej versuchte ihn wegzustoßen: "Geh aus dem Weg!" Als Boris nicht wegging, schlug ihn Sergej mit der Faust nieder. Der Jüngere fiel durch den Schlag zu Boden und als er aufsah, zog der Hauptmann Nora schon ins Gebüsch.

Georgij schimpfte und wand sich in Saschas Griff: "Ihr Gesindel. Lasst sie in Ruhe." Die anderen lachten nur und Andreij meinte zu Sascha: "Vielleicht dürfen wir ja auch noch, wenn der Hauptmann fertig ist. Ist ja nichts Neues für deine Hure." Boris warf ihm einen wütenden Blick zu." Da stichelte Andreij: "Ach, Borja, der Beschützer der Weiber." Der entgegnete kühl: "Bei mir machen sie wenigstens aus freien Stücken die Beine breit."

Nora erinnerte sich an ihre frühere Arbeit und gab dem Narbengesicht, was er wollte. Sie war es nicht mehr gewohnt, sich unter solch ungewaschene Kerle zu legen. Sergej genoss es die schöne Nora zu stoßen. Die wäre doch das passende Weib für ihn.

Als er mit ihr zurückkam, sagte er: "Der Mann und die Kinder können weiterziehen. Aber die Schönheit kommt mit mir." Georgij schüttelte geschockt das Haupt: "Nein, das könnt ihr nicht tun." Sergej erbost: "Sei froh, dass du lebend davon kommst und deine Bälger auch." Nora rannte zu ihren Kindern und umarmte sie. Das Mädchen und der Junge klammerten sich weinend an sie und bei ihr flossen ebenfalls die Tränen. Sie bettelte Sergej an: "Nimm mir nicht meine Kinder."

„Die haben es bei ihm besser als bei uns." Er zerrte die Kleinen von ihr weg: "Komm jetzt." Die Kinder riefen verzweifelt nach ihrer Mutter, bis Georgij sie ein wenig beruhigte und mit sich zog.

Von Räubern und DirnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt