Ende Dezember im Jahr 1529 brachen die Männer einmal wieder zur Jagd auf. Die Fleischvorräte gingen zur Neige und da wollten sie schnell für Nachschub sorgen. Die Bande traf ungefähr einen Tagesritt entfernt, auf eine Jagdgesellschaft von Bojaren, Adligen. Als diese die Räuber entdeckten, hielten sie sie für Wilderer. Es hing bereits erlegte Beute an manchen Pferden der Bande. Sofort nahmen die Bojaren die Verfolgung auf, hetzten die Räuber durch das freie Feld, stellten sie schließlich und es kam zu einem erbitterten Kampf. Dimitri und seine Männer waren zwar die besseren Kämpfer, aber es kostete sie viel Kraft gegen diese leichte Überzahl die Schwerter zu führen und da geschah es, dass den Hauptmann ein Hieb an der Seite erwischte. Er trug nur normale Kleidung und so schnitt die scharfe Klinge tief in sein Fleisch. Mit Mühe besiegten die anderen diese Adligen und ließen die niedergemetzelten Körper zurück. Boris zitterte noch vor Anspannung. Zum ersten Mal hatte er wirklich auf Leben und Tod gekämpft und war leicht verletzt worden. Aber das spürte er gar nicht. Er betrachtete den bewusstlosen Dimitri, den Sergej zu sich aufs Pferd gesetzt hatte und ihn mit einem Arm festhielt. Notdürftig hatten sie Dimitris blutende Seite mit einem Bojarenhemd umwickelt.
Die hochschwangere Olga war ganz aufgelöst, als sie erkannte, wie schwer ihr Geliebter verletzt war, als die Gruppe zurück kehrte. Sie tat alles für ihn, aber einen Tag später starb Dimitri ohne noch einmal sein Bewusstsein erlangt zu haben. Für Olga brach nun eine Welt zusammen. Ihr Dimotschka war tot und würde nie mehr wiederkehren. Jämmerlich weinte sie an seinem Bett, wich nicht von seiner Seite, bis die anderen kamen, um ihn zu begraben.
Nach einigen Tagen der allgemeinen Trauer, begannen die Männer über einen Nachfolger zu reden. Sergej stellte klar, dass er Anspruch auf den Posten hatte. Sascha wollte ebenfalls unbedingt Hauptmann werden. So musste letztendlich ein Zweikampf zwischen den beiden entscheiden. Sie stellten sich zu einem Faustkampf auf dem Lagerplatz zwischen den Hütten auf. Die ganze restliche Bande und die Frauen versammelten sich um sie herum. Die beiden Konkurrenten belauerten und umkreisten sich argwöhnisch. Oleg und Boris waren auf Sergejs Seite und Nikolai, Andreij waren für Sascha. Die Zuschauer wurden allmählich ungeduldig, weil die Kontrahenten noch nicht aufeinander losgingen. Doch dann startete Sascha den ersten Angriff, stürmte auf Sergej zu und rammte ihn mit voller Wucht. Sergej taumelte ein wenig zurück, aber fing sich gleich wieder und verpasste Sascha den ersten Kinnhaken. Die Kämpfenden gaben alles, verhakten sich zeitweise ineinander, dass die anderen sie wieder auseinander zogen, damit der Kampf weiter ging. Von der Statur und der Kraft her war Sergej der Stärkere, aber Sascha war geschickt und so dauerte es eine Weile, bis er sich geschlagen geben musste. Er lag benommen von Sergejs letztem Faustschlag am Boden und kam nicht mehr hoch. Da reckte der neue Hauptmann triumphierend seinen Arm in die Höhe: "Sieg! Ich bin der neue Hauptmann." Die Frauen, Oleg und Boris jubelten erleichtert. Vera umarmte Sergej freudig, aber sein blutiges Gesicht hielt sie vom Küssen ab. Andrej und Nikolai halfen Sascha auf die Beine und dieser murrte nur verärgert. Sergej bezog mit seiner Vera Dimas Hütte und Olga musste nun bei den anderen schlafen. Das gefiel ihr ganz und gar nicht und sie ahnte, was ihr nach der Geburt des Kindes blühte. Nun war sie Freiwild für die anderen.
Regelmäßig saß sie an Dimitris Grab und weinte über ihr Schicksal und seinen Verlust. Sie vermisste ihn so. Boris hörte ihr Weinen und kam zu ihr. Er setzte sich neben sie und strich über ihr langes Haar. Olga schniefte: "Ach, Borja!" Und lehnte sich an seine Schulter: "Er fehlt mir so!" Boris streichelte sie weiter: "Ich weiß. Mir ging es vor einem Jahr genauso. Bald wirst du sein Kind zur Welt bringen." Sie wischte die Tränen aus ihrem Gesicht: "Es ist nicht von ihm." Nach einigem Zögern: "... sondern von dir." Boris sah sie fassungslos an: "Von mir?" Olga nickte: "Ja. Ich habe empfangen, nachdem wir einige Male zusammen gelegen haben. Es muss von dir sein. Mit Dima ist über ein Jahr nichts passiert." Boris betrachtete ihren Kugelbauch und strich nun sanft darüber: "Ich wünsche dir, dass alles gut geht bei der Niederkunft. Ich könnte es nicht ertragen, wenn so etwas nochmal passiert." Olga sagte: „Ich bete jeden Tag dafür." Boris küsste sie: "Du würdest mich sehr glücklich machen, wenn du mir ein Kind schenkst." Olga flüsterte: "Aber die anderen dürfen es nicht wissen, dass du der Vater bist. Zum Glück hat Dima dich noch zum Paten bestimmt. Dann fällt es nicht auf, wenn du dich mehr mit ihm abgibst." Er lächelte " Ja, das ist gut." Als er den Platz wieder verließ, konnte er es immer noch kaum fassen. Ganz unerwartet war dieses Geständnis gekommen.
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Von Räubern und Dirnen
Historical Fiction"Borja, was hast du getan? Du hast ihn erschlagen." Natalia hielt geschockt die Hände vor den Mund: "Oh nein, wir müssen fort. Schnell! Ich will nicht hingerichtet werden." Sie war völlig durcheinander. Russland im Jahre 1528: Der junge Boris lebt...