Kapitel 6: Bei den Huren

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Am nächsten Morgen waren die Knechte schon fort, als Boris aufwachte. Er erhob sich von seinem Strohsack, ordnete seine Kleider ein wenig und ging zum Stall, um nach seiner Stute zu sehen. Dort konnte er bestimmt etwas helfen. Zuerst tränkte und fütterte er sein Pferd. Dabei meldete sich sein eigener Magen mit lautem Grummeln. Im Haus gab es sicher Frühstück. Er hatte ja noch Geld.

Boris betrat den Schankraum und setzte sich. Um diese Zeit war noch keine Kundschaft hier Nur die Huren saßen zusammen an einem Tisch und löffelten ihren Brei. Die rote Zoja und Dimitris Dirne waren auch darunter. Manche sahen nicht gerade freundlich zu ihm herüber und der Wirt stellte ihm mürrisch eine Breischüssel hin. Er konnte doch nichts dafür, was passiert war. Das würden wohl beschwerliche zwei Tage werden.

Nach dem Frühstück verschwanden die meisten Weiber nach oben. Die blonde Schönheit ging nach draußen und Zoja räumte den Tisch ab. Boris sah ihr dabei zu und als sie ihn kurz ansah, lächelte er. Verachtete sie ihn jetzt auch? Doch sie erwiderte sein Lächeln und trug die leeren Schüsseln in die Küche hinüber.

Boris hatte fast leer gegessen, nahm sein leeres Gefäß und folgte ihr. An der Küchentür begegneten sie sich: "Wo soll ich die hinstellen?" Zoja nahm sie ihm ab und stellte sie zum anderen Geschirr: "Hier." Boris fragte, den Blick zur Decke gerichtet: "Wie geht es ihr?" Die Rothaarige erwiderte: "Nicht gut. Einige andere kümmern sich um sie. Ich war nicht bei ihr, höre nur was die anderen sagen." Da kam die Blonde mit einem Eimer Wasser in die Küche, goss ihn in einen Topf und hängte ihn über das Feuer. Zoja wies auf sie: "Noruschka versorgt sie." Eleonora blickte mit ihren blauen Augen zu ihm auf: "Wann kommt Dima wieder?" Boris antwortete: "In spätestens zwei Tagen hat er gesagt. Hoffe ich doch." Die Blonde legte ihre Hand auf seinen Arm: "Ich weiß, dass Ihr kein schlechter Kerl seid. Die anderen sind wütend auf Eure Freunde." „Das sind nicht meine Freunde. Wir reisen nur zusammen. Ich bekam gestern genauso einen Schrecken wie ihr." Ihre Berührung fuhr ihm durch Mark und Bein und er bekam weiche Knie. Ob er ihr auch einmal in ihre Kammer folgen durfte? Sie war zwar um einiges älter, vielleicht zehn Jahre, aber sie zog ihn in ihren Bann. Boris konnte Dimitri vollkommen verstehen, dass er nur zu ihr wollte. Die Blonde wandte sich an die andere: "Zojenka, geh dich jetzt hübsch machen. Bald kommt Kundschaft." Nora füllte einen Krug mit dem inzwischen warmen Wasser und eine Schüssel Brei: "Ich muss nach oben." Boris machte den Weg frei und ging wieder zum Stall. Dort half er beim Ausmisten.

Gegen Mittag kamen zwei Fuhrwerke mit insgesamt fünf Männern in den Hof gefahren. Boris spannte mit den beiden Stallknechten, die Pferde aus und führte sie in den Stall. Irgendwie war es merkwürdig wieder in der normalen Welt zu sein. Das Leben im Wald gefiel ihm inzwischen besser.

Beim Mittagessen musste Boris mit den Knechten in der Küche essen. Auf dem Weg durch den Schankraum sah er sich nach Zoja und Nora um, aber sie waren nicht hier. Hatten sie bereits Freier? Viel los war ja noch nicht. Die Knechte waren überhaupt nicht gesprächig, aber das lag wohl an Boris Anwesenheit. Nach seinen vorigen Kleidern war er etwas Besseres. Er löffelte seine Schüssel Eintopf und ging dann wieder hinaus. Im Innenhof spielten einige Kleinkinder herum. Bestimmt die Kinder der Huren. Bastarde! Die kleinen Mädchen würden später in die Fußstapfen ihrer Mütter treten müssen und die Jungen vielleicht als Knechte arbeiten. So etwas würde seine Natalia auch bald zur Welt bringen. Auch nicht besser als diese Kleinen hier. Aber was spielte das bei einer Räuberbande für eine Rolle. Boris beobachtete die Kinder und da kam ein etwas älterer Junge zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Er hatte blondes Haar und strahlend blaue Augen. Der könnte Noras Sohn sein.

Ein einzelner Reiter ritt in den Hof. Der Junge packte schnell seinen vollen Wassereimer, als er ihn her reiten sah und verschwand zum Hintereingang des Frauenhauses. Der etwas beleibtere Freier übergab sein Pferd einem der Stallburschen und ging dann auf das Haus zu. Der Junge schien den Mann schon zu kennen und das war wohl kein angenehmer Bursche. Hoffentlich legte der sich nicht zu Nora oder Zoja. Als dieser an Boris vorbeiging musterte er ihn eingehend und schmunzelte: "Du bist neu hier." Der junge Mann schüttelte den Kopf: "Ich gehöre nicht hierher." Der kräftige Kerl lachte in seinen dunklen Bart und wies auf Boris Knechtskleidung: "Es sieht aber ganz danach aus. Willst du dir ein kleines Zubrot verdienen?" Boris fragte vorsichtig: "Und was müsste ich dafür tun?" Der Fremde legte ihm seine Pranke auf die Schulter und beugte sich leicht vor: "Mir ein wenig gefällig sein." Boris schüttelte den Kopf: "Nein, ich muss jetzt zum Stall." Doch die kräftige Hand auf seiner Schulter, hielt ihn davon ab: "So ein hübsches Kerlchen wie du, versauert doch zwischen all dem Mist. Ich bezahl dich auch gut." Mit der anderen Hand kramte er einige Münzen heraus und hielt sie Boris unter die Nase. Ihm stellten sich alle Haare auf, als ihm allmählich klar wurde auf was das hinauslief. Er dachte nur: 'Und wenn du mir Goldmünzen anbieten würdest. Niemals' Boris machte sich schon bereit sich zur Wehr zu setzen und schüttelte nun energischer den Kopf. Da stieß ihn der Kerl plötzlich zurück, dass Boris im Staub landete und maulte verärgert: "Ach, scher dich zum Teufel!", und stapfte schließlich ins Haus.

Von Räubern und DirnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt