In der Zwischenzeit kontrollierte Boris seine Fallen und streifte mit Chernyi durch das Unterholz. Plötzlich schnaubte sein Rappe nervös und Boris stieg vorsichtshalber ab. Seine Hand tastete wie von selbst nach dem Griff seines Schwertes und er schlich langsam weiter. Einige Schritte entfernt entdeckte er jemanden am Boden liegen. Nach vorsichtigem Annähern erkannte er einen einfachen Mann. Nach der Kleidung wohl ein Knecht. Boris hob einen herumliegenden Ast auf und stieß den Unbekannten damit einige Male an, doch dieser rührte sich nicht. War er tot? Zumindest schien er bewusstlos zu sein. Boris kauerte neben ihm nieder. Da fiel ihm auf, dass der Leinenstoff des Hemdes am Rücken einige Blutflecken hatte. Er lüftete es und sah viele blutverkrustete Peitschenstriemen. Kurzerhand lud er den Verletzten auf sein Pferd und kehrte ins Lager zurück. Olga würde den Fremden vielleicht retten können.
So war Olgas Ärger auf Nastja schnell verflogen und sie zog dem jungen Mann der nun bäuchlings auf einem Strohsack lag, sein Hemd aus. Während sie das getrocknete Blut abwusch, unterhielt sie sich mit Boris: "Wo hast du ihn gefunden?"
„Irgendwo im Wald, als ich nach den Fallen sah. Er war da schon ohnmächtig."
„Armer Kerl!", sagte sie. „Borja, bring mir einen Becher Wodka." Er schmunzelte: "Willst du ihn damit wecken?" Sie schüttelte genervt den Kopf: "Nein, für die Wunden. Mach schon!" Der kleine Alexej kam neugierig näher: "Mann hat aber arg Aua." Er pustete in dessen Richtung und Olga musste lächeln: "Oh Aljoscha. Das hilft da nicht mehr. Der Mann bekam viel Haue."
Boris beobachtete später neugierig, wie sie die Verletzungen mit dem Schnaps beträufelte. Dann deckte sie den Bewusstlosen mit einem sauberen Leintuch zu. Sie nahm Alexej an die Hand: "Lass den Kranken schön in Ruh. Er muss viel schlafen."
„War der Mann böse?", fragte der Kleine. Olga entgegnete: "Ich weiß es nicht. Vielleicht können wir ihn bald fragen."
Nikolaj plante den Verletzten schon in die Bande ein. Zu Boris meinte er: "Dann sind wir schon zu dritt." Der erwiderte: "Jetzt warten wir erst mal ab, ob er durchkommt. Du weißt ja noch von Wanja, wie schnell das gehen kann."
„Das war doch Oljas Schuld. Mit ihren verfluchten Tränken." Da wurde Boris wütend: "Sie hat alles versucht und ihm seine Schmerzen erleichtert. Ihm konnte niemand mehr helfen."
Zoja, Vera und Uljana waren neugierig und betrachteten den Ohnmächtigen. Uljana hob das Leinen: "Schön geschunden. Das gibt viele Narben." Zoja presste entsetzt die Hand an die Lippen, als sie die aufgerissene Haut sah: "Du meine Güte. Zum Glück hat ihn Borjenka gefunden. Er wäre doch sicher gestorben im Wald."
Da kam Olga herein: "Was macht ihr da? Weg von ihm! Rührt ja die Wunden nicht an mit euren Drecksgriffeln." Uljana keifte zurück: "Ich wollte nur kurz nachsehen. Spiel dich nicht so auf." Olga mäßigte ihren Tonfall: "Wenn du was tun willst, dann kannst du mir helfen im Milch einzuflößen. Er muss was trinken." Uljana nickte.
Sie drehten den Verwundeten vorsichtig auf die Seite und Olga benetzte seine Lippen. Als sie seinen Mund aufdrückte und wenig hinein goss, floss es wieder heraus: "Mist, so geht es nicht. Er schluckt nicht. Wir müssen ihn aufrichten." Vera und Zoja halfen auch noch mit, um den schweren Kerl in eine Sitzposition zu bringen und zu stützen, damit nichts seinen Rücken berührte. Olga bog ihm den Kopf nach hinten und kippte wenig in seinen Mund. Sie rieb ein wenig an seiner Kehle und da schluckte er endlich. Minuten verstrichen, bis sie ihm den ganzen Becher Ziegenmilch eingeflößt hatte. Dann betteten die Frauen ihn wieder auf den Bauch und deckten ihn zu. Vera grinste:" Ein schmuckes Kerlchen. Hoffentlich wird er wieder." Uljana stieß sie an: "An was du schon wieder denkst. Dir fehlen die Mannsbilder wohl." Der Fremde hatte dunkelblonde kurze Haare, wenig Bart und war groß und kräftig. Da sah man, dass er Arbeit gewohnt war und er war wohl so in Zojas Alter. Anfang zwanzig.
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Von Räubern und Dirnen
Historical Fiction"Borja, was hast du getan? Du hast ihn erschlagen." Natalia hielt geschockt die Hände vor den Mund: "Oh nein, wir müssen fort. Schnell! Ich will nicht hingerichtet werden." Sie war völlig durcheinander. Russland im Jahre 1528: Der junge Boris lebt...