Langsam schmolz der Schnee und bald würde Boris' erster Raubzug beginnen. Die anderen der Bande wurden schon allmählich ungeduldig. Das Lagerleben war eben auf Dauer doch zu langweilig. Der einzige Zeitvertreib war die Jagd, das Trainieren mit den Waffen und Reparaturen an den Hütten oder an sonst etwas.
Es war Mitte April 1529 und die Vorbereitungen für den Aufbruch begannen. Boris half den anderen die Packpferde zu beladen und danach verstaute er seine persönlichen Dinge an seiner Stute. Das Wichtigste waren seine Waffen. Er trug ein Schwert am Gürtel, ein Messer im Stiefel und auf dem Rücken den Pfeilköcher und den Bogen. Man könnte meinen, er zöge in den Krieg.
Sergeji das Narbengesicht und Olek der Einhändige waren schon einen Tag früher aufgebrochen, um als Späher lohnende Beute auszumachen. Natalia stand besorgt neben ihm, während er noch Proviant in den Satteltaschen verstaute: "Pass auf dich auf, hörst du!" Er wandte sich zu ihr um und umfasste ihre Taille: "Natürlich. Mach dir keine Sorgen." Seine Lippen legten sich auf ihre und Natalia fügte hinzu: "Komm gesund wieder."
Dimitri verabschiedete sich ebenfalls von seiner Olga. Mit wilden Küssen und einem Griff unter den Rock, dass man glatt meinen könnte, er wolle es noch kurz mit ihr treiben. Boris dachte an letzte Nacht, in der sie sich schon ausgiebig verabschiedet hatten und er kaum einschlafen konnte, bei dem Gestöhne der beiden. Natalia hatte fest geschlafen. Zwischen Olga und ihm war es leider zu keinem Beischlaf mehr gekommen. Es hatte sich keine günstige Gelegenheit geboten.
Als sie die Pferde vom Lager in den Wald führten, wandte Boris sich nochmal um und sah wie die vier Weiber dastanden und ihnen nachsahen. Uljana rief hinterher: "Bringt uns auch was Schönes mit?" Natalia winkte ihm zu, als er zurückblickte. Kurz darauf waren sie im Unterholz.
Nachdem sie weit genug vom Lager entfernt waren, saßen alle auf und es ging im Trab weiter. Gegen Abend schlugen sie an einem Platz, den die Bande schon öfters genutzt hatte, ihr Nachtlager auf. Da stießen Olek und Sergeji zu ihnen und berichteten von einem Handelszug aus mehreren Wagen. Dimitri wollte alles genau wissen und beschloss, diesen Zug am nächsten Tag anzugreifen. Boris hörte gespannt zu, was die Späher gesehen hatten. Vier Fuhrwerke mit einigen Kaufleuten. Das klang nach viel Beute und wenig Gegenwehr. Boris konnte vor Aufregung in dieser Nacht kaum einschlafen. Dimitri hatte ihm eine wichtige Aufgabe zugeteilt. Er musste als erster auf die Lenker der Fuhrwerke schießen und möglichst schnell. Er wollte den Hauptmann nicht enttäuschen.
Am nächsten Morgen bevor sie losritten, sagte Ivan lachend: "He, Jungchen! Vielleicht finden wir ja ein Ersatzweib für dich. Wenn dich deine Natalia nicht mehr ran lässt." Sergeji rief dazwischen: "Es sind doch gar keine Weiber dabei." Dimitri mischte sich ein: "Wenn wir erfolgreich sind, dann feiern wir im Frauenhaus. Aber zuerst die Arbeit, verstanden."
„Jawohl, Hauptmann!", kam zustimmend aus einigen Kehlen. Dimitri war großzügig, wenn sie fette Beute machten und deshalb würden sich auch alle anstrengen. Boris war es peinlich, dass alle davon wussten, dass er auf Abstand gehalten wurde. Das kratzte an seinem männlichen Stolz. Ivan rieb sich genüsslich die Hände: "Gut, mal wieder ein paar fremde Röcke. Den ganzen Winter nur zwei. Da wird's schleunigst Zeit." Der Hauptmann wies auf Ivans Schoß: "Nicht, dass du nachher damit denkst." Die anderen brachen in Gelächter aus. „Ivan hat das Hirn in der Hose", grölte einer. Ivan schimpfte: "Ihr Hornochsen! Kümmert euch um euren eigenen Dreck." Schließlich packten sie alles zusammen und zogen los. Boris wurde immer aufgeregter.
Die zwei Späher ritten voraus und er sollte sich Dimitri anschließen. Nun ging es darum, die richtige Stelle für den Überfall zu finden und die günstigste Schussposition für Boris. Sie wussten auf welcher Strecke die Wagen entlang fuhren und mit ihren Pferden waren sie ohnehin schneller als die Fuhrwerke. Dimitri sah sich auf der Straße immer wieder um und fand in einem Waldstück den geeigneten Platz. Auf der einen Seite erhob sich ein steiler Hang. Dort oben sollte sich Boris aufstellen.
DU LIEST GERADE
Von Räubern und Dirnen
Historical Fiction"Borja, was hast du getan? Du hast ihn erschlagen." Natalia hielt geschockt die Hände vor den Mund: "Oh nein, wir müssen fort. Schnell! Ich will nicht hingerichtet werden." Sie war völlig durcheinander. Russland im Jahre 1528: Der junge Boris lebt...