Mitten im Winter machte Mikhail eine freudige Entdeckung.
Er hörte das Schnauben von Pferden und leise Stimmen, als er durch den Wald ritt. Neugierig sprang er aus dem Sattel und schlich langsam an die Geräusche heran. Vorsichtig legte er sich auf den Bauch und robbte durch den Schnee in Sichtweite der rastenden Gruppe. Als er die Gestalten näher betrachtete, konnte er sein Glück kaum fassen. Fünf bildhübsche Weiber rasteten dort. Sie trugen Pelzumhänge und darunter Hosen. Er grinste. Fünf Nastjas. Bewaffnet waren sie bis auf die Zähne. An einem Sattel sah er sogar ein Feuerrohr. Waren das adlige Töchter? Arm waren sie wahrhaftig nicht. Die Waffen, die Kleidung und ihre Rösser waren auch keine Mähren. Mischa war so gebannt von ihnen, dass er gar nicht bemerkte, wie ihm die Kälte in die Glieder kroch, als er im Schnee lag. Eine Dunkelhaarige gefiel ihm am besten. Sie hatte eine lange wilde Mähne und hellblaue Augen. Sie erinnerte ihn an eine Wölfin. Ihr Mantel aus Wolfspelz und Hermelin tat ein Übriges dazu. Dann gab es noch eine, die aussah, wie ein Engel. Ihr hellblondes Haar bestand aus kleinen Locken, ihre Augen waren blau und sie hatte sehr volle Lippen. Sie trug einen Mantel aus Fuchsfellen.
Nun musste sich Mischa eine Taktik ausdenken, wie er an die wehrhaften Damen heran kam. Die ließen sich gerade irgendein gebratenes Wild schmecken und schienen sich gut zu unterhalten. Feine Manieren hatten sie allerdings nicht, so wie sie die Knochen abnagten. Dazwischen kicherten sie immer wieder. Sie verhielten sich auch nicht anders, als die Weiber daheim. Beim Zurückrobben war Mischa unvorsichtig und von einem Tannenzweig fiel Schnee herunter. Sofort sprangen zwei der Frauen auf und legten die Armbrüste an. Die anderen zückten ihre Schwerter. Er drückte sich so flach auf den Boden, wie er konnte. Die beiden mit der Armbrust kamen ein Stück näher, aber als sie nichts mehr wahrnahmen, senkten sie ihre Waffen und gingen zum Feuer zurück. Mit denen war nicht zu scherzen. Sie schienen erfahrener zu sein, als er dachte.
Schließlich kam er heil bei seinem Ross an, schwang sich in den Sattel und ritt langsam davon. Das würde er noch für sich behalten, denn er sah sich schon zwischen ihren Leibern liegen und sich verwöhnen lassen. Aber wie kam er an sie ran, ohne dass sie ihn gleich abschossen? Sie hatten sehr nervös reagiert, bei seinem Geräusch. Sie waren wahrlich eine Augenweide gewesen. Die Wölfin und der Engel, die wären ihm am liebsten. Bestimmt waren sie alle noch zu haben, so ganz ohne Männer. Hm, er könnte mit Felix her reiten. Der kam im Lager ja überhaupt nicht zum Stoß. Vera war viel zu alt für ihn. Aber die Fünf schienen so unter bis knapp über zwanzig zu sein. Genau das richtige Alter. Den Jungen hielten sie vermutlich auch für harmloser. Mikhail konnte es kaum erwarten, am nächsten Morgen wieder hin zu reiten. Abends weihte er Felix in seine Entdeckung ein und bot ihm an, ihn am nächsten Tag mitzunehmen. Da war der Bursche sofort dabei. So wie Mischa von diesen Weibern schwärmte, mussten dass wirkliche Schönheiten sein.
Gespannt ritt Felix hinter Mischa her. Nach einer guten Stunde hielt dieser an und wies vor sich: "Dort sind sie noch. Am besten reiten wir einfach langsam hin, ohne die Waffen zu ziehen." Anfangs blieb Mischa an Felix Seite, aber ließ sich dann ein wenig zurück fallen. Sobald die Gruppe sie bemerkt hatte, hob Mischa grüßend die Hand und forderte Felix ebenfalls dazu auf. Wie erwartet, hoben die Weiber ihre Waffen und visierten die Unbekannten an. Als sie nah genug waren, rief die Wölfin: "Was wollt ihr?" Mischa antwortete: "Wir kamen hier vorbei und bemerkten euch. Dann wurden wir neugierig." Sie rief: "Trollt euch!"
„Wir kommen in friedlicher Absicht. Das ist Felja und ich bin Mischa. Wir leben im Wald." Ihre hellblauen Augen schienen die Männer zu durchbohren und sie war unschlüssig: "Wie viele seid ihr? Wo ist euer Lager?" Dumm war sie ebenfalls nicht. Mischa antwortete: "Nicht sehr weit von hier. Mit uns sind es fünf Männer und dann noch Frauen und Kinder." Er öffnete eine Satteltasche, worauf die Dunkelhaarige sich gleich für einen Schuss bereit machte. „Ich hab hier etwas, das euch bestimmt schmecken wird." Dabei zog er einen Leinenbeutel heraus. Die Wölfin sagte: "Der Junge soll es herbringen." Mischa gab den Beutel Felix: "Bleib ruhig, dann greifen sie dich auch nicht an." Felix stieg ab und ging langsam auf die Frauen zu. Ihm war sehr mulmig zumute, so auf dem Präsentierteller zu stehen. Die Dunkle befahl, als er noch einige Schritte entfernt war: "Leg es hin! Und geh wieder zurück." Sie ging hin, kauerte nieder, um hineinzusehen. Dabei blickte sie immer wieder zu den Männern auf. Ihre Gefährtinnen traten weiter vor, um ihr Feuerschutz zu geben. Nachdem die Dunkelhaarige hineingesehen hatte, erhob sie sich mit dem Beutel: "Was bezweckt ihr damit?" Mischa zuckte die Schultern: "Nur ein Friedensangebot. Wir haben keine bösen Absichten." Der blonde Engel fragte die Wölfin: "Was ist drin?"
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Von Räubern und Dirnen
Historical Fiction"Borja, was hast du getan? Du hast ihn erschlagen." Natalia hielt geschockt die Hände vor den Mund: "Oh nein, wir müssen fort. Schnell! Ich will nicht hingerichtet werden." Sie war völlig durcheinander. Russland im Jahre 1528: Der junge Boris lebt...