Kapitel 5

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Da ich ja noch alleine war, kam Slayer mit zu mir. „Wer war das eigentlich?", fragte ich Slayer, der es sich mit einer Flasche Nougatlikör und Vanille-Eiscreme auf meiner Couch gemütlich gemacht hatte. „Falk Andersen.", sagte er. „Sehr reicher Schnösel und wollte bald eine neue Anti-Faltencreme veröffentlichen, die er allerdings von einem anderen Wissenschaftler gestohlen hat. Der Chef dieses Wissenschaftlers hat uns engagiert, damit er ein wenig Gerechtigkeit bekommt." Er schmunzelte. Ich runzelte die Stirn. „Wegen einer Anti-Faltencreme?" „Klar, so ein Ding bringt Millionen ein! Willst du mal was sehen?", fragte er. „Klar, was denn?" „Der Typ hat eine Xbox mit Kinect und naja, die hab ich gehackt und wenn du willst können wir mal schauen, was er so mit dem Gas treibt, oder wohl eher, was es mit ihm treibt.", lachte er. „Kann man das nicht zurückverfolgen?", fragte ich. Obwohl ich ja noch keine eindeutige Antwort auf seine Frage gegeben hatte, nahm er die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. „Wenn man gut ist, dann nicht. Habt ihr ein HDMI-Kabel?" Ich nickte und zog sogleich eins hinter dem Fernseher hervor. Als er dann seinen Laptop angeschlossen hatte, leuchtete der Bildschirm kurz weiß und zeigte dann das Bild eines Mannes, der hustete und sich andauernd an den Hals fasste. „Verdammt, da ist ja mal einer gereizt.", sagte ich. Andersen begann zu schreien, doch niemand würde ihn hören, da er so ein abgelegenes und vorallem großes Haus hatte und allein war. „Stille Nacht, heilige Nacht, Andersen stirbt und jeder lacht.", prustete Slayer los. Man muss dazu sagen, dass er vielleicht ein Psychopath oder sowas sein konnte, da es ihm überhaupt nichts ausmachte, wenn irgendjemand vor ihm zu Grunde ging. Besser noch: er hatte nicht nur nichts dagegen, es gefiel ihm sogar noch irgendwo ein wenig. Empathie: null. Wenn man es so bedenkt, war ich vielleicht auch ein wenig wie er, nur eben, dass es mir nicht gefiel, sondern eher gleichgültig war. Zumindest, wenn ich nicht etwas im Entferntesten mit der Person zu tun hatte. „Heiliges Schweigen.", fügte Slayer noch an. Ich konnte mir schon vorstellen, wie verätzt das Innere Andersens jetzt aussehen musste und welche Qualen er durchlebte, wenn sich seine Luftröhre porös anfühlte und vielleicht bald in tausend Stücke zerfiel. Er würde in einem stechenden Geruch sterben, mit Augen voller Tränen und im Inneren vollkommen verätzt. Würde man ihn nicht obduzieren, dann könnte man denken, er habe vor seinem Tod fürchterlich geweint und wäre vielleicht an Vertrocknung zu Grunde gegangen. „Und wie er sich windet. Wie so ein Wurm.", stellte ich fest. Und ja, Slayer hatte schlechte Einflüsse auf mich – aber wen interessiert's. „Ja naja, was will man machen. Dass er den stechenden Geruch auch nicht wahrgenommen hat, oder waren da seine Nasenschleimhäute schon verätzt?", fragte Slayer gespielt tragisch. „Er war noch so jung!", sagte er. „Er war Mitte fünfzig!", sagte ich und musste ein wenig schmunzeln, „...und anscheinend zu alt, um eigene Ideen für eine Faltencreme aufzubringen." Mittlerweile war Falk Andersen total rot angelaufen und machte Anstalten, irgendetwas wieder hochwürgen zu wollen. Vielleicht dachte er ja, dass er Sodbrennen hätte. Tja, da mussten wir ihn leider enttäuschen. Anscheinend fühlte er sich, als würde man ihm die Haut abziehen und dann noch Zitronen über ihm auspressen. Es musste, im wahrsten Sinne des Wortes, ein ätzendes Gefühl sein. Während ich das dachte, schmunzelte ich. Abgesehen davon wurde es mit jedem Atemzug schlimmer. Eine Illusion, dass Atmen gut tut. Zumindest, wenn Cyanchlorid im Raum ist. Andersens Atmung war vollkommen eingeschränkt und es würde sich so anfühlen, als würde sich der Strick um den Hals immer enger ziehen, nur dass eben noch Säure im Spiel war. Außerdem war er furchtbar hilflos und egal, was er tun würde, er würde so oder so den Löffel abgeben. Passend zum Anlass holte ich noch Popcorn und steckte es in die Mikrowelle. Eigentlich nicht wegen dem „Film", sondern eher, da ich grade total Lust auf gepoppten Mais hatte. Apropos gepoppt: ich genehmigte mir einen Blick auf mein Handy, ob mein werter Freund geschrieben hatte. Natürlich hatte er das und genau wie vorher stresste er wieder total. Während ich das beschwichtigende Geräusch des umherfliegenden Maises vernahm, schrieb ich, dass er mich lieber in Ruhe lassen sollte, wenn er sich nicht für mich interessiert und sich mit einer anderen treffen kann, um sie flachzulegen. Natürlich wusste ich, dass es fies war. Und zwar in der Hinsicht, dass ich ihm gesagt hatte, ich möchte keinen Sex, bevor ich nicht sechzehn bin. Er würde gerne, das weiß ich, aber ich habe meine Prinzipien und wenn er der Meinung ist, er müsste mir von den Dingen seiner Ex-Freundin erzählen, dann hört der Spaß doch irgendwann auf. Vorallem, wenn er andauernd irgendein Problem mit mir hat. Ich weiß ja, dass ich launisch bin und versuche das auch abzustellen aber...naja das macht keinen Sinn, wenn ich andauernd was an mir ändern muss. Ich habe ja auch keine Lust, mich andauernd für irgendjemanden zu ändern. Mag sein, dass ich dann bis an mein Lebensende Single bleibe, aber das ist mir lieber, als zu einem Mainstream-Flittchen zu werden. Der Geruch von langsam verbrennendem Popcorn riss mich aus meinen Gedanken, also öffnete ich sofort die Tür der Mikrowelle und holte die braune Papiertüte heraus, bis ich merke, dass sie heiß war und sie schnell auf die Küchenarbeitsplatte sinken ließ. Ich streifte mir Backhandschuhe über, griff mir eine Schere und schnitt die Packung auf. Ein noch intensiverer Geruch nach Schokolade (da es Schoko-Popcorn war) und Mais strömte mir entgegen und löste für einen kleinen Moment Glücksgefühle aus. Glücksgefühle. Durch Essen. Ich wusste, das würde mich und meine Figur irgendwann nochmal heimsuchen.

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