Kapitel 22

12 2 1
                                    

Ich war noch nie bei ihm zuhause gewesen, auch wenn wir uns schon relativ lange kannten. Und da „Slayer" auch nicht sein richtiger Name war, würde es sicherlich nicht einfach sein, herauszufinden, wo sein Haus stand.

Doch bevor ich mich auf den Weg machte, seine Privatsphäre zu verletzen, indem ich seine Wohnung suchte, sah ich mich noch einmal um. Ich verwendete das Blitzlicht meines Handys als Taschenlampe und suchte nach Anzeichen für Blut oder einen gewaltsamen Übergriff. Wenn ich diese fand, musste ich auch gar nicht erst bei ihm zuhause auftauchen.

Ich atmete auf. Für einen Keller dieses Kalibers sah alles relativ „in Ordnung" aus. Es widerstrebte mir, diesen Keller als ordentlich zu bezeichnen, aber solange keine zerbrochenen Dinge oder Blutlachen zu finden waren, war mir auch die Unordnung relativ egal. Also dachte ich nach, wie ich seinen Wohnsitz wohl ausfindig machen konnte. Handy-Ortung wäre eine Idee. Langsam strich ich mit meinen vor Spannung zitternden Fingern über das Display um es zu entsperren. Dann wählte ich unsere Ortungs-App des HPDS aus und wollte ihn suchen.

Enttäuscht und laut atmete ich aus. Es konnte doch nicht sein Ernst sein, dass er am anderen Ende der Stadt wohnte. Oder sich zumindest sein Handy dort aufhielt. Soweit ich wusste, nahm er es ungern zum Morden mit. Der Ort war zwar nur achtzehn Kilometer von meinem Wohnort entfernt, aber trotzdem frohlockte ich nicht bei dem Gedanken daran, kurz vor halb drei mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die ganze Stadt zu durchqueren. Ich konnte ja unterwegs Besoffene und Junkies zählen. Nichtsdestotrotz machte ich mich auf den Weg zur nächstbesten Straßenbahnhaltestelle.

Sieben. Sieben Minuten. Nummer Sieben. Sieben Minuten. Gleich waren es nur noch sechs. Und sechs Grad Celsius waren es auch. Und Wind. Dieser Bastard konnte froh sein, dass ich jetzt noch einen Nerv dazu hatte. Mir war kalt, ich war müde und konnte mir zehntausend andere Dinge vorstellen, als jetzt im Dunklen und Kalten auf eine Straßenbahn zu warten. Was macht man denn, wenn man GAR NICHTS zu tun hat, außer zu warten? Und was macht man in der Straßenbahn? Wenn man GAR NICHTS zu tun hat, außer Straßenbahn zu fahren und aus dem Fenster zu sehen? 

War nachts das Internet eigentlich schneller, wenn es niemand benutzte?

Ich war schon wieder Brain AfK. Es war dunkel, da wurde ich immer komisch.

Da wünschte ich mir auch schon, dass ein riesiger Teddy neben mir wäre, den ich knuddeln konnte, damit ich wenigstens etwas Wärme hätte. Meine Nase, mein ganzes Gesicht könnte ich in seinem Fell vergraben und würde es erst in fünf Minuten herausnehmen. Behutsam begann ich mich umzublicken. Niemand war da. Nur etwas Autolärm unterhielt mein Trommelfell. Also würde mich eh niemand hören. Demnach begann ich zu singen.

„She's twisted, he's a rebel, she's sick, he's hard to handle. The worst part of all is he just don't care, she's twisted like a rope that is wrapped around his throat, but the worst part of all is she really don't give a shit..."

Hatte dieses Lied eine tiefere Bedeutung für mein Leben, oder weswegen fiel es mir genau in diesem Moment ein? Würde das nicht bedeuten, dass ich und eine andere Person beziehungsunfähig wären? Oder wie sollte ich das interpretieren? Ich hörte auf nachzudenken. Es hatte nachts keinen Sinn. Egal, ob er da war oder nicht, ich würde in seine Wohnung einbrechen und dort schlafen. Wenn ich ausgeschlafen war, könnte ich weitersuchen. Vielleicht war er ja dann auch schon wieder da, wer konnte das wissen?

Frozen LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt