„Nein, eigentlich nicht." Er sah mich verdutzt an. Langsam und sanft drückte ich seinen Oberkörper von mir weg und stand auf.
Was wäre ich für eine Person, wenn ich jetzt auf der Stelle mit ihm schlafen würde? Noch leichter zu haben wäre dann beinahe unmöglich gewesen.
Ich mochte geistig verwirrt sein, aber eine Schlampe in diesem Ausmaß war ich bestimmt nicht.
Die Sonne würde bald aufgehen. Dann blickte ich weg vom Fenster und hörte, wie er näher hinter mich trat. Mit viel Konzentration hielt ich mich neutral. Es war bald an der Zeit ein paar Leute zu töten. Geistige Unzurechnungsfähigkeit half da nicht sonderlich. Andre wollte mich umarmen, doch ich hielt ihn mit einer abweisenden Geste zurück. „Wie spät ist es?", fragte ich teilnahmslos. „Um fünf, wieso?" „Wunderbar." Dann zog ich ihn zu mir heran. Er lächelte voller Vorfreude. Wir kamen uns näher. So nah, dass er seine Augen schon geschlossen hatte und uns nur noch weniger Zentimeter, wenn nicht Millimeter, trennten. Doch dann ließ ich ihn stehen und verschwand aus dem Zimmer. Wenn er seine Bedürfnisse so dringend befriedigen wollte, konnte er das gerne tun, aber ich war mir dafür zu schade.
Wenn ich mich richtig im Flur orientierte, war Slayers Zimmer exakt gegenüber. Ich stürmte hinein. Einen kurzen Augenblick sah ich ihn an, wie er da lag und schlief. So friedlich. Meine Hände begannen zu zittern. Was, wenn Andre herein kommen würde? Was, wenn ich nicht widerstehen konnte?
Suchend blickte ich mich um. Dann fand ich schließlich etwas, das meiner Vorstellung entsprach. In einem kleinen Schrank aus Eichenholz fand ich eine Flasche Wodka. Es war nur noch die Hälfte drin und ich fragte mich, ob er darin oft seine Sorgen ertrank oder ob er nur unglaublich lange dort stand. Letzten Endes griff ich danach und kippte etwas davon hinunter.
Ein warmes Gefühl durchströmte meinen Körper. Vielleicht war es nicht die beste Lösung, gleich morgens auf leeren Magen zu trinken, aber für den Moment half es. Wenigstens, um meine Beherrschung zu behalten. Ich stellte die Flasche zurück und ging zu Slayers Bett. Zog ihm die Decke weg. In Sekundenschnelle stand er vor mir. In Boxershorts. Heiß.
Es fühlte sich witzig an, die Gedanken auch mal zu Ende zu denken. Es war gerade genug gewesen, um mich zu enthemmen, aber nicht so viel, dass ich mich richtig besoffen fühlte und lallen musste. Er erkannte mich. Und ich die schön angeordneten sechs Muskeln auf seinem Oberkörper. War mir neu, dass er ein Sixpack hatte. Mit Freude akzeptierte ich das. „Wie bist du hier rein gekommen?", fragte er müde und zugleich verwirrt. Eine echt niedliche Kombination. „Durch die Tür", erwiderte ich geistreich. Ein Lächeln huschte sowohl über mein als auch sein Gesicht. Langsam ließ ich die Decke fallen. Ihm musste jetzt erst bewusst geworden sein, dass er so wenig anhatte. Sowas fühlt sich besser an, wenn man nicht die einzige Person in solch einem Zustand ist. „Alles klar bei dir oder brauchst du noch einen Moment?" Er schüttelte den Kopf. „Alles gut." Er tat einen Schritt auf mich zu. „Das erinnert mich an gestern.", fügte er an. Unwillkürlich verzog ich meinen Mund zu einem Lächeln. „Ich weiß nicht, was du meinst.", sagte ich sarkastisch und ging ebenfalls einen Schritt auf ihn zu. „Schade eigentlich, wärst du nur dabei gewesen." Ich biss mir auf die Unterlippe. „Dann erzähl mal, was gestern so passiert ist.", ermutigte ich ihn. „Kann ich es dir auch zeigen?" Wie konnte sein Gehirn morgens nur so gut arbeiten?
Ich wusste genau, worauf ich in diesem Moment Lust hatte. Also tat ich es.
Ohne Rücksicht auf Verluste oder Mundgeruch seitens Slayers ergriff ich seine Hand und legte sie unter mein T-Shirt an meine Taille. Ich konnte sehen, wie er versuchte, diesen Ausdruck in seinen Augen zu verbergen. Ich konnte ihn nicht zuordnen, aber darüber konnte ich später noch nachdenken. Nach dem Kuss zum Beispiel.
Wie konnte man nur früh morgens so gut schmecken? Es war ja beinahe so, als würde er im Schlaf Pfefferminzbonbons lutschen. „Du schmeckst nach Alkohol.", sagte er entgeistert. „Keine Angst, so besoffen bin ich nicht."
War es nicht gruselig, dass ich solche Situationen besser meisterte, wenn ich etwas intus hatte?
„Jaja, schon klar." Ich legte den Finger auf seine Lippen und ließ meine Hand dann weiter an seinen Hals wandern. Die andere fühlte seinen Herzschlag. Er hyperventilierte nicht, wirkte aber auch nicht normal. Was war mit ihm los?
Unsere Lippen berührten sich sanft und diese kleine Flamme, die da entstanden war, wollte sich zu einem Großbrand ausbreiten. Aber nicht sofort. Es wollte kein Feuer werden, das wieder gelöscht wurde, sondern eher ein Waldbrand. Unbesiegbar. Vielleicht ging auch meine Fantasie mit mir durch.
„Interessant", sagte ich, „was du alles gestern so erlebt hast." Noch einmal küsste er mich kurz.
„Besser als mit meinem Bruder?", fragte er. Flamme erloschen.
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Frozen Love
RandomDie merkwürdige Geschichte von ungeklärten Gefühlen, zwei Auftragskillern und einer feindlichen Übernahme. Danke für über 500 Reads! Love you ❤️