Kapitel 34

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Für cRaiiN - weil ich nebenbei "unser" Lied gehört hab ^^ 

„An was denkst du gerade?", fragte ich. Und ja, ich weiß, dass man Jungs nicht solche Fragen stellt. Schließlich ist doch jeder Kerl irgendwo ein äußerlicher Eisblock, der nicht über das Reden will, was in ihm vorgeht. „Nichts.", entgegnete er wie erwartet. „Man kann nicht an nichts denken." Das stimme. Man denkt doch immer an irgendwas, wenn man nicht gerade in ein Gespräch verwickelt ist. Und manchmal selbst dann. Die nächste Stufe war, dass er mich anlog.

„Ja gut, ich hab nur über den Fall nachgedacht."

„Und jetzt die Wahrheit?"

Schweigen.

„Dir muss nichts peinlich sein vor mir. Erzähl es mir doch einfach. So als würdest du über etwas ganz alltägliches reden, wie einen Auftragsmord oder wie man sich ein Butterbrot schmiert."

„Wieso willst du das denn auch wissen?"

„Ich will es nun mal einfach. Anders gefragt: wieso darf ich es denn nicht wissen?"

„Du darfst schon, aber ich will es gerade nicht."

„War es denn etwas Schlimmes?"

„Weiß nicht."

„Mann, jetzt rück einfach raus damit."

„Hmm..."

„Was kann denn schlimmsten Falles passieren? Dass ich dich auslache?"

„Zum Beispiel."
„Okay, du sagst es mir und im Gegensatz darfst du mich auch irgendwas fragen, das ich dann wahrheitsgemäß beantworte, in Ordnung?"

„Na gut. Aber ich darf zuerst fragen." Ohne meine Antwort abzuwarten, erzählte er weiter. „Was bedeutet dir das, was hier läuft? Ist das nur so aus Spaß an der Freude oder langer Weile?" Es wäre vernünftig gewesen, vorher über die Folgen nachzudenken, bevor ich ihm Fragen gewährte. Was bedeute es mir denn? Was bedeutete er mir? Vielleicht wäre es freundlicher gewesen, so zu tun, als würde ich nichts fühlen. Als wäre es ihm auch egal. Dummerweise wusste ich nicht einmal, ob es das war.

„Das kann ich im Moment noch nicht sagen."

„Und wann kannst du es mir sagen?"

„Das weiß ich noch nicht. Jetzt du."
„An das von heute früh und gestern und das an dem Abend, als du Vince betrogen hast."

„Okay...und wie denkst du darüber?"

„Ich bin der Meinung, dass es ganz ... naja ... cool war. Aber bei dir ist das so behindert, dass man nicht weiß, ob das jetzt nur einfach so ist oder ob es irgendwelche Hintergründe gibt. Was soll ich denn da auch denken? Du bist hier ja auch nicht die Einzige, die jemanden betrogen hat. Abgesehen davon, macht es mich wahnsinnig, weil ich mich sonst nie so verhalte. Normalerweise sind Menschen für mich glasklar und ich check sofort, was mit ihnen los ist, aber bei dir habe ich keinen Plan und..."

Ich bin nicht die Einzige, die jemanden betrogen hat?!

„Hast du eine Freundin?"

Er nickte. Wie konnte er mir das vorenthalten? Ich fühlte mich schrecklich. Schlimm genug, dass ich mich selbst verwirrte aber um ihn und seine Beziehung tat es mir unglaublich leid.

„Scheiße, verdammte Scheiße.", murmelte ich und wandte mich zum Gehen. „Wo willst du hin?", fragte er. Ich antwortete nicht, sondern rannte nur weg. Quer durch die Stadt und bis ich nicht mehr konnte. Am liebsten wollte ich mich umbringen. Wieso hatte er nie etwas gesagt? Generell etwas erzählt von ihr?

Jetzt fühlte ich mich selbst verraten.

Projizierte meine gesamte Wut nicht auf mich, sondern auf ihn.

Endlich konnte ich mal jemanden für irgendetwas verantwortlich machen. Gut fühlte es sich nicht an, aber zumindest nicht ganz so belastend. Nichtsdestotrotz fühlte ich mich wie eine richtige Schlampe – im nächsten Moment fiel mir ein, dass ich ja dann Andre haben konnte. Und mich nicht mehr entscheiden musste. Aber ob Andre nicht auch nur das eine wollte, wusste ich auch nicht.

Ich blieb stehen. Meine Atmung war schwer und ich lehnte mich gegen eine Wand. Nach einer halben Minute warf ich einen Blick um die Ecke. Slayer hatte keine Anstalten gemacht mir zu folgen. Hatte ich auch ehrlich gesagt nicht erwartet. Schließlich war ich nicht seine Freundin.

Wie hatte er mich so verarschen können?

Es gab also doch Menschen, die irgendwie schlimmer waren als ich.

Die Wolken zogen extrem schnell über den Himmel und endlich hatte ich Zeit mich einmal umzusehen. Mir kam es so vor, als wäre ich noch nie in diesem Teil der Innenstadt gewesen. Weder die Häuser noch dieser Platz kamen mir bekannt vor. Alles schien so fremd, aber dennoch einladend. Langsam lief ich die Straße entlang.

Er war da. Und ich war fassungslos. Doch ehe er mich sehen konnte, presste ich mich an die bröcklige Fassade eines Altbaus um die Ecke. Andre mit so einem komischen blonden und minderbemittelt wirkenden Püppchen. Freudestrahlend lief sie neben ihm und wenn man Notgeilheit sehen konnte, dann war es mit Sicherheit dieses Bild, das sich mir da bot. Ganz toll.

Ich war also allein.

Endlich waren sie vorbei. Ich bekam das große Kotzen, wenn ich an meine Situation dachte. Diesen behinderten Auftrag würde ich alleine hinter mich bringen. Wenn ich das erledigt hatte, würde ich beim HPDS kündigen und vielleicht als normale Teenagerin leben. Zwar mit erheblich weniger Budget im Monat, aber andere Menschen bekamen das ja auch hin. Oder ich würde mir einfach einen neuen Partner suchen. Andre konnte mich mal kreuzweise. Und Slayer mit seiner beknackten Freundin ebenfalls. Wütend schlug ich gegen die Wand. Dann rutschte ich an ihr herunter und fand mich auf dem kalten Steinboden. Heulend. Es konnte hoffentlich keiner sehen, weil ich meine Hände so sehr an mein Gesicht presste, dass jeder Tropfen meiner Tränenflüssigkeit aufgefangen wurde. Der Wind wurde kälter und der Himmel verdunkelte sich. Fehlte nur noch, dass es filmreif begann zu regnen.

Das Geräusch, wie Stoff an einer Wand rieb, ließ sich einen Moment später vernehmen. Dann legte jemand die Hand auf mein Knie und lehnte seinen Kopf an meinen. Die Augen wollte ich nicht aufmachen. Selbst wenn es irgendein dreckiger Bettler gewesen wäre, wäre mir das egal gewesen. Aber menschliche Nähe tat gut. Sofort kuschelte ich mich an die Person und hielt meine Augen strikt geschlossen. Ich zwang mich, den Geruch nicht zuordnen zu wollen und es einfach dabei zu belassen, wie es war.

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