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Die ganze Zeit überlegte ich hin und her, ob ich mich mit Derek treffen sollte oder nicht. Der eine Teil von mir wollte, dass das Treffen ins Wasser fiel, einfach um ihm eins auszuwischen, jedoch war der andere Teil so neugierig, dass ich mich dazu entschloss zu der Verabredung zu gehen. Um einen innerlichen Kompromiss zu schaffen, ließ ich Derek fast eine Dreiviertelstunde auf mich warten. Ich klopfte leise an der Holztür und öffnete diese vorsichtig. Zuvor hatte ich mich vergewissert, dass mich niemand gesehen hatte, indem ich mich wie ein Ninja an das kleine Häuschen anschlich. Derek saß im Schneidersitz auf dem Boden und schaute zu mir hoch, als er mich eintreten sah. Er hatte eine graue Jogginghose und ein schwarzes Shirt an. Welch ironischer Wink des Schicksals, dass ich eine kurze graue Schlafhose und ein schwarzes ausgeleiertes Top anhatte. An manchen Stellen hatte es bei genauerem Hinsehen ganz kleine Löcher, doch ich sah keinen Sinn dran, mich für Derek hübsch zu machen. Erstens wollte ich ihn nicht beeindrucken und zweitens hatte er mich so wie Gott mich schuf betrachten können, demnach musste ich mir keine Gedanken über irgendwelche Schönheitsbilder machen.

„Was gibt's?", fragte ich sofort und ersparte uns unnötige Floskeln.

„Erst einmal, schön dass du gekommen bist. Uh, Doppeldeutigkeit", grinste er dreckig. „Zweitens, ich wollte mich mit dir unterhalten."

„Wenn es um den Ausrutscher von gestern geht, dann kann ich auf deine Analyse und Interpretation ganz gut verzichten. Ich war ja selbst dabei. Wenn du willst hänge ich mir auch gerne ein Schild um, damit ich nicht mehr von dir darauf angesprochen werde. "

„Jetzt entspann doch mal eine Sekunde, Indi. Setz dich zu mir, und dann werden wir sehen, wo uns diese Unterhaltung hinführen wird", sprach er wie ein Schamane der mir die Friedenspfeife anbieten wollte.

„Hast du gekifft?", fragte ich ihn, nachdem ich mich neben einige Angelruten setzte.

„Nein", dabei zog er das e ganz lang, „du etwa?"

„Natürlich nicht! Aber lassen wir das doch jetzt weg und kommen zum Eigentlichen, was willst du?"

Der schwarzhaarige kratze sich am Hinterkopf und sagte verlegen: „Naja, weißt du, seit dem Tag an dem ich dich das erste Mal vor meinem Bild hab stehen sehen, wusste ich, dass du die Eine bist. Indi, ich habe mich total in dich verliebt und nach unserem Sex, laufe ich schon den ganzen Tag wie auf Wolken. Deswegen frage ich dich jetzt, willst du mit mir gehen?"

Schockiert sah ich Derek an. Das war doch wohl ein schlechter Scherz, nicht wahr? Kein Mensch, konnte das ernst meinen. Mein Mund war zu einem ‚oh' geformt und die männliche Person in dem Raum fand das total lustig. Derek brach in schallendes Gelächter aus und krümmte sich vor Lachen. Er wurde ganz rot im Gesicht und seine ätzende Lache füllte die ganze Hütte.

„Scheiße, warum hab ich keine Kameras aufgestellt?", fragte er rhetorisch. Mir fiel nichts mehr dazu ein, kein Wort. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen, als ich dir meine unendliche Liebe gestanden habe, zu komisch."

„Ja, ha ha. Ich piss mir vor Lachen in die Hose", sagte ich trocken und stand auf. Ich konnte mir diesen Kindergarten mit ihm nicht mehr geben, und wollte nur noch aus dem bedrückenden Häuschen raus.

An der Tür angekommen wurde ich an meinem Fußknöchel festgehalten, hätte Derek mehr Kraft angewandt, wäre ich geradewegs auf die Schnauze geflogen. Ohne Rücksicht auf Verluste trat ich kurz zu und hoffte mich losmachen zu können, es funktionierte nicht. Er hatte es geschafft aufzustehen und drückte mich rücklings gegen die Türe.

„Sorry", entschuldigte er sich, während er mir in meine blauen Augen sah.

„Es tut dir immer Leid! Machst du das bei allen Leuten so? Sie verarschen und dann um Verzeihung bitten? Leck mich, Derek", giftete ich ihn an.

„Pass auf was du sagst, ich nehme sowas gerne wörtlich", flüsterte er mir ins Ohr, als er sich zu mir vorgebeugte. Seine Lippen prallten auf die warme Haut meines Halses und liebkosten diesen.

„Derek, hör auf", bat ich ihn, als ich bemerkte, dass das Szenario dem gestrigen glich. Ich wollte nicht nochmal denselben Fehler machen. Noch einmal küsste er meinen Hals, bevor er sich von mir abwandte. Schnell öffnete ich die Tür und sprintete den Weg zurück zu Mias und meinem Bungalow.

Was stellte Derek bloß mit mir an?, war meine Frage des Tages. Unruhig wälzte ich mich in den Schlaf, mir nicht erklären könnend, was meine Gefühle für eine Bedeutung hatten und was Derek damit zu tun hatte. Denn eigentlich war ich mir zu einhundert Prozent sicher, dass ich Derek hasste und mich nichts so schnell von dem Gedanken abbringen konnte.

Für die nächste Tagesaktivität stand ein Gruppenausflug auf dem Programm. Wir hatten uns vorgenommen den See und die Umgebung zu erkunden. So packten wir währenden dem Frühstück unsere Lunchpakete und trafen uns alle, nachdem unsere Rucksäcke gepackt und wir mit ausreichend Moskitoschutz eingesprüht waren, vor dem Speisesaal.

„Also, wir machen uns jetzt gleich auf den Weg, doch denkt an ausreichend Sonnenschutz und trinkt genügend Wasser. Wir haben hier warme Temperaturen, deswegen ist das ganz wichtig, dass ihr viel trinkt. Damit ihr aber nicht mit drei Liter Wasser durch die Gegend laufen müsst, werden unsere starken Jungs, Sam und Derek, einen Bollerwagen mit eisgekühltem Wasser und einer kleinen Überraschung wie ihr eigenes Kind behandeln. Habt ihr schon Muttergefühle entwickelt, Ladies?", fragte Felix lachend die Jungs.

Die Kids fingen lauthals zu lachen an und auch Derek und Sam grinsten kopfschüttelnd.
„Oh ja, Victor der Dritte ist ein sehr guter Junge", schmunzelte Sam. Ohne weitere Worte machten wir uns los zu unserem Fußmarsch. Meine schwarze Baseballkappe zog ich tiefer in mein Gesicht und bildete den Abschluss mit Sam, während wir liefen, unterhielten wir uns angeregt. Er erzählte mir, dass er in Cleveland wohnte, jedoch ursprünglich in New York City aufgewachsen war. Sam hatte im Ghetto mit fünf Geschwistern gelebt. Der tattoowierte Mann war total offen und beantwortete mir brav alle Fragen, die ich ihm stellte. Seinen leiblichen Vater hatte er nie kennengelernt und seine anderen Geschwister waren alle von verschiedenen Männern. Als seine Mom einen Mann mit Geld gefunden hatte, zog diese mit seinen Geschwistern zu ihrem Freund ins Haus und Sam nutzte die Chance aus der Stadt rauszukommen.

„Die Colleges in New York haben mich nie gereizt. Ich wollte immer in Cleveland studieren, also tat ich alles um ein Stipendium zu bekommen. In allen erdenklichen Bereichen habe ich mich engagiert, war gut in der Schule und in Sport, und siehe da, jetzt studiere ich an meiner Traumuniversität und kann nebenbei noch mein Leben genießen. Nach Regentagen folgen immer Sonnentage, das darf man nie vergessen."

Während Sam sprach, wirkte er so reif und erfahren. Nicht wie ein 26- jähriger Student der jedes Wochenende feiern ging und das Leben auf die leichte Schulter nahm.

Die Natur um uns herum ließ ich natürlich nicht aus. Immer wieder ließ ich mich von den Bäumen und Gräsern bezaubern. Es war keine gekünstelte Natur, sondern alles wuchs wild und frei. So wie ich, stellte ich fest, denn ich konnte mich gut mit dem Grün identifizieren. Meine Gedanken waren so frei wie das Leben eines Vogels. Mein Verhalten, so impulsiv wie das Wasser. Und meine Gefühle, so verletzlich wie eine schöne Blume auf der Weide.

Kurze Zeit später waren wir auch schon an besagtem Plätzchen angekommen, an dem wir lunchten und badeten.

Indiana in OhioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt