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Felix war sehr enttäuscht, als ich ihm von meinem Plan erzählte, das Camp zu verlassen. Trotzdem zeigte er genügend Verständnis und akzeptierte es. Mich könnte sowieso niemand von meiner Entscheidung abbringen, selbst dann nicht, wenn der Präsident der vereinigten Staaten es anders verlangte.
Von Mia verabschiedete ich mich tränenreich. Sie war mir sehr ans Herz gewachsen und eine tolle Freundin, die einem immer mit Rat und Tat zur Seite stand, sogar wenn sie selbst viel um die Ohren hatte.
„Melde dich sofort, wenn du zuhause angekommen bist. Gott, ich werde dich so vermissen! Du musst mich unbedingt mal in Los Angeles besuchen kommen, dann bringe ich dir das Surfen bei und wir chillen am Strand, und lassen uns von sexy Typen eincremen", plapperte Mia drauf los und plante unseren gemeinsamen Urlaub. Der Abschied von ihr dauerte am längsten, sie wollte mich einfach nicht gehen lassen.
„Bitte bleib bei mir! Ich werde dir das niemals verzeihen können, hoffentlich weißt du das", schimpfte sie mit mir und spielte auf beleidigtes, trotziges kleines Mädchen.
„Ist es zu spät um Entschuldigung zu sagen?", lachte ich und zitierte eine bekannte Songzeile.
„Ist es, meine Liebe. Ist es."
Mia wollte noch schnell ein Foto von uns beiden haben. Ich zückte mein Smartphone aus meiner Hosentasche und öffnete die Frontkamera. In allen nur erdenklichen Winkeln lichteten wir unsere verweinten Gesichter ab, jedoch war es uns egal. Hauptsache wir hatten viele Bilder von uns.
Von Derek verabschiedete ich mich nicht, ansonsten hätte ich meine Entscheidung nochmal überdacht und wäre doch im Camp geblieben. Aber ich brauchte den Abstand, um mir bewusst zu werden, was ich wirklich wollte.
Ein letztes Mal umarmte ich meine Freunde und winkte aus dem geöffneten Fenster des gelben Taxis. Es war die einzig richtige Entscheidung, auch wenn es mich schmerzte.

Zuhause angekommen wurde ich mit dem leckeren Geruch meines Lieblingsessens begrüßt. Mom gab sich viel Mühe, um mich zu trösten und auf andere Gedanken zu bringen. Zwar war sie sehr neugierig, drängte mich aber nicht ihr alles zu erzählen. Das meiste wusste sie schon, dennoch wollte sie meinen Entschluss besser nachvollziehen können. Ich wollte aber erstmal einige Tage Auszeit von dem ganzen Stress nehmen und freute mich auf mein heimisches Bett.
Mia hielt mich die nächsten Tage und Wochen auf dem Laufenden und erzählte mir, dass Emma mich schrecklich vermisste und sie viel Zeit mit Kyle verbrachte. Ich sagte Mia, dass sie Emma nochmal an meinen Tipp erinnern sollte, sich in keine blöden Jungs zu verlieben. Meine Freundin lachte und war der Ansicht, dass ich definitiv einen Ratgeber schreiben sollte, denn meine Tipps sollten mehr Popularität gewinnen. Vielleicht sollte ich das wirklich mal überdenken, mein Buch würde sicherlich Weltweit für Aufsehen sorgen. Vielen Frauen könnte damit geholfen werden. Mia konnte darüber nur lachen und sagte, dass die Stadtluft mir nicht guttat.
Meine neugewonnene Freizeit verbrachte ich damit, so oft wie möglich in den nahegelegenen Parks zu sein, dort las ich oder genoss die Sonne. Manchmal traf ich mich mit meinen Collegefreundinnen und wir machten die Bars der Stadt unsicher.
Natürlich schweiften meine Gedanken oft zu Derek ab, denn nun wusste ich mit Bestimmtheit, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Ich überdachte meine Entscheidungen, ob es richtig war, das Camp zu verlassen, so ausfallend mit Derek umzugehen. Aber immer wieder führte es mich zum selben Ergebnis: Derek hatte mich verletzt, also musste ich ihm kein Mitleid schenken. Irgendwann würde Gras über die Sache wachsen und mein Liebeskummer verschwinden.

Ich war gerade dabei die Spülmaschine auszuräumen, als es an der Haustür klingelte. Da ich noch ein Päckchen mit Kleidung erwartete, rannte ich mit Vorfreude unserem Paketboten entgegen. Aber ich täuschte mich gewaltig.
„Was zum Teufel machst du hier?", stieß ich erschrocken aus. Mit diesem Besuch hatte ich unter keinen Umständen gerechnet.
„Kann ich reinkommen? Ich will mit dir reden", sagte er und ich wägte ab, ob ich ihn reinlassen sollte, oder nicht. Missmutig, aber auch neugierig, öffnete ich Tür ein Stückchen mehr, sodass Derek durch die Tür treten konnte.
„Dann schieß mal los", verlangte ich misstrauisch und setzte mich, ihm gegenüber, in den kleinen Ledersessel.
„Können wir es bitte nochmal miteinander versuchen? Lass uns einfach von vorne beginnen. Indi, ohne dich ist es scheiße und ich fühle mich nicht vollständig."
„Derek, ich weiß nicht ob ich das kann. Ich-"
„Versuch es doch. Wenn du es nicht wagst, dann weißt du nie, ob das mit uns nicht vielleicht doch funktionieren kann", unterbrach er mich und versuchte mich davon zu überzeugen, neu zu starten. Ich antwortete nicht gleich auf sein Argument, sondern dachte erstmal darüber nach.
Seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, waren mehrere Wochen vergangen. Und jetzt, als er vor mir saß, wurde mir bewusst, dass ich meine Gefühle verdrängt hatte. Ich dachte, ich wäre über ihn hinweg, aber das war ich noch lange nicht. Ich hatte ihn vermisst. Es vermisst es in seine grünen Augen zu sehen. Seinen Drei-Tage-Bart, der mich immer kitzelte, wenn wir uns küssten. Seine starken Arme um mich, die mir das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit vermittelten.
Konnte ich es schaffen, mein Misstrauen abzulegen, wenn Derek und ich uns neu kennenlernten? Ob ich ihm wieder vertrauen konnte?
Ich wusste es nicht. Er hatte Recht, einen Versuch wäre es wert. Aber könnte ich es erneut ertragen verletzt zu werden?
Meine Gefühle für Derek waren stark, das konnte ich nicht verleugnen. Während der Zeit im Camp Arrow hatte ich gerne die Tage und Abende mit ihm verbracht. Ich erzählte Derek gerne etwas von mir, auch wenn er mir einen wichtigen Punkt verschwiegen hatte. Man konnte fast von Liebe sprechen, deswegen durfte ich uns nicht so leicht aufgeben. Jeder machte Fehler, auch ich war nicht fehlerlos.
„Hey, ich bin Indiana Jones. Freut mich, dich kennenzulernen", sagte ich und streckte ihm meine Hand entgegen. Erst sah er mich völlig verwirrt an, dann breitete sich das breiteste Grinsen in seinem Gesicht aus, das ich je gesehen hatte.
„Derek Moore, die Freude ist ganz meinerseits."

Indiana in OhioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt