Man ließ mich nicht lange alleine, denn kurz nach meiner Flucht aus dem Speisesaal klopfte Mia zaghaft an der Tür und setzte sich neben mich auf das Bett. Erstmal sagte sie nichts, sondern fuhr mir mit ihrer Hand meinen Rücken beruhigend auf und ab. Minutenlang schwieg sie, bis mein Schluchzen weniger wurde.
„Was ist passiert?", fragte sie mich mitleidig. Als mir die Bilder von eben in den Kopf schossen, kamen mir erneut die Tränen hoch.
„Es wird alles wieder gut werden", sagte Mia tröstend.
„Nein, nichts wird wieder gut werden!", zischte ich sie zornig an. Im nächsten Moment entschuldigte ich mich bei ihr, nicht sie sollte der Empfänger meiner Wut sein. Meine Wut galt Derek und er würde sie noch zu spüren bekommen.
„Derek ist ein mieses Schwein! Er kann nur an sich denken und worin er den größten Gewinn erzielen kann", begann ich zu erzählen. Nun würde mich auch nichts mehr stoppen können. „Im Camp hat er mich zum Vögeln und zuhause hat er Claire. Das Mädel was gerade da ist und ihre Zunge in Dereks Hals steckt ist, oder besser gesagt war, seine Ex. Kaum taucht sie auf, bin ich vergessen, denn Claire ist ja so toll", schwärmte ich geheuchelt und spie ihren Namen aus.
„Das Beste an der ganzen Geschichte ist, dass ich nicht mal wusste, dass er Gefühle für eine andere hat. Mich drängt er dazu, dass ich ihm alles über mich erzähle und solche wichtigen Details lässt er einfach aus! Dann hätte ich wenigstens vorher gewusst woran ich bin und mich nicht so verarschen lassen brauchen."
Schockiert blickte Mia mich an, sie schien meinen Erzählungen keinen Glauben schenken zu wollen. Ich konnte es ihr nicht verübeln, sie war schon jahrelang mit ihm befreundet.
„Ich mache ihm sowas von die Hölle heiß!", stieß sie wutentbrannt aus und wollte aufstehen, doch ich hielt sie auf. Auch wenn ich gerne gesehen hätte, wie Mia ihn fertig machte, war es meine Aufgabe es mit ihm zu klären, oder eben nicht. Derek hatte es erfolgreich geschafft, mein Vertrauen in die Männer schwinden zu lassen. Dafür würde er eine Urkunde von mir erhalten.
Mürrisch akzeptierte sie meine Worte, konnte sein Verhalten trotzdem nicht fassen.
„Er hatte mir mal erzählt, dass das mit Claire nun endgültig vorbei war und er dich mag, aber dass er solche verlogenen Spielchen abzieht überrascht mich sehr. So ein Verhalten passt nicht zu ihm."
„Wie du siehst kann man sich sehr leicht in Menschen täuschen", gab ich trocken zurück. Wenn ich auf mein Gefühl gehört hätte, wäre mir jetzt vieles erspart geblieben, aber nun war es zu spät für irgendwelche ‚Was wäre wenn'- Floskeln.Als es dann auch noch zum Mittagessen klingelte, zog sich in meinem Magen alles zusammen. Mir war speiübel. Gleich müsste ich ihm gegenüberstehen und ich wusste nicht, wie ich meine Gefühle beherrschen sollte. Wie ich ihn nicht vor allen anderen zur Sau machen, oder in Tränen ausbrechen sollte. Mia bemerkte mein Unbehagen und bot mir an, mich bei Felix zu entschuldigen, damit ich im Bungalow bleiben konnte.
„Danke, aber es geht schon. Ich bin erwachsen und kann mich beherrschen", murmelte ich wie ein Mantra vor mich her, in der Hoffnung, dass es fruchtete.
Meine Augen waren vom vielen weinen rot unterlaufen und an meinem Hals hatten sich rote Stressflecken gebildet. Bevor es zum Essen ging, kühlte ich mich mit einem Schwung kaltem Wasser ab und verdeckte mit Make-Up die auffälligen Stellen auf meiner Haut.
Ich lächelte den Kindern zu und war froh, dass sie keine Fragen wegen meiner Flucht von vorhin stellten oder es nicht mitbekommen hatten. Claire war Gott sei Dank nicht mehr da, und Derek stand an der Essensausgabe als letzter. Ich riss mich zusammen und stellte mich hinter ihn, leider bemerkte er mich. Er drehte sie zu mir um und sprach ein leises „Können wir später reden?" aus. Es fiel mir schwer ihn nicht anzusehen und anzuschreien, aber ich durfte mich jetzt nicht von meinen Gefühlen verleiten lassen. 'Ich bin erwachsen und kann mich beherrschen.'
„Indi, bitte. Sieh mich an. Es tut mir leid, ich kann dir das erklären."
Plötzlich waren meine Versuche ihn zu ignorieren gescheitert. Hasserfüllt sah ich ihn an und gab ihm ohne Worte eine laute Backpfeife. Stille erfüllte den Speisesaal. Mein Blick wurde glasig und unter Tränen rauschte ich davon. Ich konnte keine Sekunde länger in seiner Nähe ertragen, ohne ihn auf den Scheiterhaufen zu verfrachten. Schnell lief ich in das Bootshaus und setzte mich in eine freie Ecke. Meine Knie zog ich an meine Brust, verschränkte meine Arme auf ihnen und bettete schluchzend meinen Kopf darauf. Ich wollte niemanden mehr aus dem Camp sehen, allen voran Derek. Zu gerne würde ich meine Tasche packen und abhauen, aber das konnte ich Felix nicht antun. Das Camp ging noch drei Wochen, und ich wusste nicht, wie ich diese Zeit überleben sollte. Ich musste mich auf jeden Fall mit Felix unterhalten, dass ich in keine Gruppe mit Derek gesteckt werde, ansonsten könnte ich für nichts garantieren und Mom müsste mich im Gefängnis besuchen.
„GEH!", schrie ich laut, als ich sah, dass Derek im Bootshaus stand. Sofort sprang ich auf und drängte mich an ihm vorbei, doch er hielt mich an meinen Armen fest.
Warum war ich nicht in den Wald gelaufen?, schoss es mir durch den Kopf.
„Lass mich gehen, oder ich zeige dich bei der Polizei wegen sexueller Nötigung an!" Mir war kein Weg mehr zu schade um ihn loszuwerden, am liebsten wollte ich ihn leiden sehen. Derek lockerte seinen Griff nicht und ich trat ihm gegen sein Bein. Er verzog nicht eine Miene.
„Hör mir bitte zu", flehte er mich an, aber ich wollte nichts von ihm hören. Wieder versuchte ich seinem Griff zu entfliehen, doch es gelang mir nicht. Wütend gab ich mich geschlagen, salziges Tränenwasser sammelte sich wieder in meinen Augen. Konnte er mich nicht einfach gehen lassen? Ich verkraftete das Ganze nicht mehr.
„Es war nicht so wie es aussah", begann er. Trocken lachte ich auf und sagte, dass der Kuss ziemlich eindeutig war.
„Das hatte nichts zu bedeuten, versteh mich doch bitte."
„Ach, und unsere Küsse haben wahrscheinlich auch nichts bedeutet, richtig? Wie soll ich dich verstehen, wenn du nie ehrlich zu mir warst? Warum wolltest du alles über mich erfahren, aber du sagst kein Wort über deine Ex oder das Telefonat, an dem Tag, an dem ich mit dir schlafen wollte? Wenn du es mir erzählt hättest, hätte ich es noch verstehen können, so nicht. Du wusstest von Anfang an, dass ich Probleme damit habe Vertrauen zu fassen, dich hat es nicht interessiert. Du hast mir etwas vorgespielt, dein Interesse nur geheuchelt, damit du deinen Schwanz in mich stecken konntest. Mia war als Lesbe schlecht zu vögeln, nicht wahr? Pass auf, dass deinem winzigen Freund heute Nacht nichts passiert, wir wollen Claire schließlich nicht traurig sehen. Und jetzt lass mich los!"
Endlich gab er klein bei und sein Griff entspannte sich. Scham spiegelte sich in seinem Blick wider, aber ich ließ mich davon nicht beeinflussen. Er war keine weitere Sekunde an Gedanken wert.
„Indi, ich-"
„NEIN!", unterbrach ich den dunkelhaarigen und wollte nichts mehr von ihm hören. Er hatte genug Schaden anrichtet und brauchte nicht Versuchen es wieder gut zu machen. Sein Verhalten war nicht zu entschuldigen. Derek hatte mein Herz gebrochen.
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Indiana in Ohio
Literatura FemininaDurch Zufall ergattert die 23-jährige Indiana Jones einen Job im Sommercamp eines Familienfreundes. Mitten in der schönen Natur Ohios und lebhaften Kindern verbringt sie acht Wochen im Camp Arrow. Einer der Betreuer, der charmante Derek Moore, hat e...