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„Mom?", fragte ich verheult in den Hörer. Ich musste einfach ihre Stimme hören und war froh als sie nach mehrmaligem Klingeln abnahm. Auch wenn ich wusste, dass sie vormittags arbeitete, konnte ich nicht bis Mittag warten.
„Schätzchen, was ist passiert?", wollte sie besorgt wissen, denn ihre Alarmglocken läuteten bestimmt schon.
„Nichts, es ist alles gut. Ich vermisse dich bloß."
„Lüg mich und dich nicht an, Indiana. Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, schließlich bin ich deine Mutter", sagte sie in sanftem Ton. Zu gerne hätte ich gewollt, dass sie mich in ihre Arme schloss und mir beruhigend über meinen blonden Schopf fuhr.
„Ich glaube, dass ich mich verliebt habe, aber er hat nur mit mir gespielt", begann ich und fühlte mich wieder in meine frühe Kindheit zurückversetzt, in der ich mich ungerecht behandelt fühlte und bei Mama petzen ging. Ich erzählte ihr alles. Angefangen bei Derek und meiner Begegnung, bis zu gestern, als das mit Claire ans Licht kam.
„Indiana, ich würde jetzt am liebsten zu dir fahren und diesem Derek gewaltig in den Hintern treten. Das was er getan hat ist schrecklich, aber du wirst eines Tages darüber stehen und lachen können", versuchte sie mich aufzumuntern.
„Naja, lustig werde ich das Ganze in zehn Jahren auch nicht finden. Außerdem solltest du unbedingt mehr Liebeskummer Ratgeber lesen, deine Tipps sind schrecklich", meinte ich und verdrehte lachend meine Augen.
„Habe ich da gerade einen kleinen Lacher gehört?", neckte sie mich. Nun musste ich wirklich anfangen zu lachen. „Wie geht es Felix?"
„Gut soweit, glaube er vermisst dich und freut sich, wenn er dich wieder sieht", stichelte ich etwas und war mir ziemlich sicher, dass sie rot wurde. Sie fragte sogar, ob er was über sie zu mir gesagt hätte.
„Tja, das wüsstest du jetzt gerne, aber meine Lippen sind versiegelt."
„Indi, ich streiche dir das Taschengeld wenn du nicht sofort mit der Sprache rausrückst", drohte sie mir, jedoch konnte ich darüber vergnügt lachen und verdeutlichte ihr, dass ich dreiundzwanzig und keine dreizehn Jahre mehr alt war. Wir unterhielten uns noch kurz über belangloses, dann legten wir auf, da meine Wenigkeit wieder gebraucht wurde.

Draußen wurden, bei dem guten Wetter, Shirts gebatikt. Auch ich nahm mir eines der farbigen Shirts und band bestimmte Ecken mit einem Gummiband zusammen, damit ich das typische Muster erhielt.
Natürlich war auch Derek mit von der Partie, aber ich ignorierte ihn geflissentlich. Für mich war er nun mehr als Luft, und jemand, der mir nichts mehr bedeutete. Und leider ein viel zu schönes Äußeres hatte.
Indiana, keine schwärmerischen Gedanken von Derek!, schalt ich mich selbst. Meine innere Stimme hatte Recht, er war es nicht wert und ich musste ihn vergessen. Das funktionierte am besten, wenn ich so tat, als würde er nicht mehr existieren. Genau, Derek Moore existierte für mich nicht mehr. Nachdem es zur Freizeit klingelte und die T-Shirts zum Trocknen an einer Wäscheleine hingen, zog mich Felix kurz zur Seite und wollte sich unter vier Augen mit mir unterhalten. Wie konnte es anders sein, fragte er mich, was das gestern mit Derek zu bedeuten hatte.
„Felix, ich gebe es nur ungern zu, aber ich hätte besser auf dich gehört. Ich habe mich auf Derek eingelassen, er hat mir einiges verschwiegen und mich somit enorm verletzt und verraten", gab ich ehrlich zu. Ich wusste, dass er es mir nicht übel nehmen würde und ihm konnte man wenigstens Vertrauen schenken. Tadelnd schüttelte er seinen Kopf, aber schimpfte nicht mit mir, um mir aufzuzeigen was ich alles falsch gemacht hatte.
„Soll ich mal mit ihm sprechen, oder wirst du damit die nächsten Wochen klarkommen?", wollte er wissen.
Wieso verspürte jeder das Bedürfnis mit Derek reden zu müssen? Es würde sowieso nichts an der ganzen Situation ändern. Diesmal stand meine Entscheidung fest, denn ich wollte nie wieder etwas mit ihm zu tun haben. Ich könnte ihm nur schwer vertrauen, sollten wir es erneut versuchen.
„Nein, passt schon. Werde mich die nächsten Wochen zusammenreißen und das Beste aus dem Ganzen machen, ich bin erwachsen und transportiere meine Gefühle gegen Derek nicht nach außen, sollten die Kinder dabei sein", versicherte ich ihm und richtete ihm noch Grüße von meiner Mom aus.
Ich würde es schaffen, die paar Wochen hier verbringen zu können, ohne im Knast zu landen. Außerdem hatte ich Felix meinen Wunsch geäußert, dass ich in keiner Gruppe mit Derek arbeiten wollte, weil das zu viel des Guten wäre.
Das Gespräch mit Felix dauerte ziemlich lange, sodass ich schon mal in die Mensa lief. Vielleicht konnte ich noch irgendwo mit anpacken. Als Emma mich erblickte kam sie sofort zu mir und reichte mir eine große Packung der roten Skittles, ihrer Lieblingssüßigkeit. Fragend sah ich sie an und wunderte mich über diese kleine Geste.
„Ich habe gesehen, dass es dir nicht gut geht und wenn es mir nicht gut geht, dann esse ich Skittles und mir geht es wieder besser. Vielleicht hilft dir das auch", sagte sie und ich war entzückt von dem kleinen Geschenk.
„Weißt du, dank dir und den Skittles kann es mir jetzt nur noch besser gehen. Aber einen Tipp gebe ich dir trotzdem mit: Verliebe dich nie in einen blöden Jungen!"

Indiana in OhioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt