Ich war auf der Hut, denn es konnten auch gefährliche Tiere sein, die weit abseits auf Beute lauerten. Wir waren mitten im Wald, da war alles möglich. Jedoch konnte ich mich nirgends unbemerkt verstecken, außerdem wollte ich nicht tiefer in den Wald gehen. Also blieb ich unter der Laterne stehen und wurde von dieser beleuchtet. Ich hoffte bloß darauf, dass es kein Tier war, oder ein Waldmensch der vom Hunger angetrieben uns ausbeuten wollte. Obwohl das immer noch besser war, als selbst als Futter zu dienen.
Ängstlich schaute ich mich um, konnte aber nichts entdecken, denn es war schon viel zu dunkel. Da war wieder das Rascheln! Doch es hörte sich nun mehr wie Schritte an und nicht so, als würde jemand in einem Busch sitzen. Plötzlich sah ich die Umrisse einer Gestalt. Ich wartete still ab, wie die Person immer näher kam, denn mehr konnte ich nicht tun. Sie sah nicht gerade stämmig aus, nein eher zierlich und schmal. Vielleicht hatte ich bei einem Zweikampf doch noch eine Chance.
„Ich hätte besser meine Kamera mitgenommen, um deinen Gesichtsausdruck festzuhalten. Der hätte mir bestimmt viel Geld gebracht."
Mia tauchte mit einem fetten Grinsen vor mir auf. Erleichtert atmete ich aus. Mir fiel ein ganzer Brocken vom Herzen, solche Angst hatte ich. Erst jetzt bemerkte ich, wie ich schwitzte. Also konnte ich gleich nochmal duschen gehen.
„Mia, dass war echt nicht lustig." Mein böser Blick strafte sie, doch insgeheim war ich nicht wirklich wütend auf sie.
„Hast dir schon in dein Höschen gemacht oder?", zwinkerte sie mir zu.
„Was willst du eigentlich?" Ihre Frage ließ ich unbeantwortet. Sie setzte sich im Schneidersitz in das Gras und klopfte neben sich, um mir zu verdeutlichen mich neben sie zu setzen. Genau das tat ich auch. Ich wartete einige Minuten auf eine Antwort von ihr. Sie wirkte sehr in sich gekehrt, wie sie einfach auf den See starrte. Ihre lila Haare wurden von einem Haargummi festgehalten und sie hatte eine kurze schwarze Shorts und ein farblich passendes Top an.
„Mia?", riss ich sie aus ihren Gedanken.
„Hm?"
„Ist irgendwas?", wollte ich wissen. Sie schüttelte bloß ihren Kopf und antwortete mir: „Der See hat etwas magisches. Immer wenn ich hier her komme, verbringe ich die ersten Nächte, okay, andere Abende auch, am See. Manchmal stehe ich extra früher auf, um den Sonnenaufgang zu beobachten. Wie sich die Sonnenstrahlen im Wasser verlieren und der See plötzlich freundlich und ungefährlich aussieht. Ich hatte mir fast gedacht, dass du hier bist, denn sobald die Menschen Dereks Bild vom See sehen, wollen sie ihn mit eigenen Augen begutachten. Ob wirklich alles so scheint wie auf dem Bild."
„Das stimmt. Wäre Derek nicht gekommen und hätte mich vom Bild losgerissen würde ich wohl immer noch davor stehen und es bewundern. Da hat er einen tollen Moment getroffen", lobte ich ihn. Ich war kein Fan von ihm, aber sein Bild war wundervoll. Ich war mir ebenfalls sicher, dass er die meisten Bilder, die im Speisesaal hingen, geschossen hatte.
„Du magst ihn nicht, oder?", wechselte Mia plötzlich das Thema. Das erste Mal seit wir hier saßen schaute sie mich direkt an.
„Nein, nicht wirklich", gab mit einem Schulterzucken zu.
„Mit seiner aufgeschlossenen Art kommt er nicht bei jedem gut an. Viele halten ihn für aufdringlich, dabei meint er es gar nicht böse. Er möchte nur die Menschen kennen, mit denen er acht Wochen lang leben wird. Und wenn ich ehrlich bin, ich hatte am Anfang auch so meine Probleme mit ihm, aber nach einer Zeit wusste er, wann ich in Ruhe gelassen werden wollte und wann ich einen Spaßvogel brauchte. Jetzt kann ich mir keinen Sommer ohne ihn Vorstellen. Auch nicht ohne Sam und Felix." Still fügte sie hinzu:"Gib ihm einfach eine Chance."
Ich wusste, dass Mia es nur gut meinte, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Derek und ich die acht Wochen ohne Mord und Totschlag auskommen sollten. Jedoch wollte ich versuchen so professionell zu arbeiten, wie nur möglich. Mia wurde noch einer kleinen Befragung unterzogen, denn ich wollte wissen wie es generell im Camp ablief. Sie war wirklich sehr geduldig und beantwortete mir jede Frage die ich stellte, so gut sie konnte. Nach ihren Erzählungen, hatte ich noch mehr Vorfreude auf das Camp. Mir war klar, dass Felix sein ganzes Herzblut in sein Camp steckte, doch laut Mia, war er mit Leib und Seele dabei. Er hatte ihr sogar mal anvertraut, dass er am liebsten ein Jahreszeiten Camp draus machen möchte. Im Winter gibt es ein spezielles Winterprogramm und genauso mit den anderen Jahreszeiten.
„Und warum macht er das nicht?", fragte ich neugierig.
„Die Liebe", seufzte sie theatralisch.
Ich schwieg und schaute wieder auf den See. Wenn das kein Liebesbeweis an Mom war, dann wusste ich mir auch nicht mehr zu helfen. Statt seinen Traum noch weiter zu leben, blieb er lieber in der Nähe von meiner Mutter, damit er für sie da sein konnte. Dem musste ich auf jeden Fall weiter nachgehen. Welche Gefühle er für Mom hegte und ob ich nicht doch heimlich Amor spielen sollte würde sich daraus sicher leicht ergeben.
„Wir sollten mal langsam ins Bett gehen. Morgen müssen wir früh aus den Federn", sagte Mia plötzlich und stand auf. Sie reichte mir ihre Hand und zog mich mit Schwung hoch.
„Gute Nacht, Mia", wünschte ich ihr als wir bettfertig auf unseren Matratzen lagen.
„Dir auch eine schöne erste Nacht im Camp Arrow."

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Indiana in Ohio
ChickLitDurch Zufall ergattert die 23-jährige Indiana Jones einen Job im Sommercamp eines Familienfreundes. Mitten in der schönen Natur Ohios und lebhaften Kindern verbringt sie acht Wochen im Camp Arrow. Einer der Betreuer, der charmante Derek Moore, hat e...