Ihr Schluchten, ihr Täler, du schäumende See,
Ihr Wälder, ihr Klippen, so grau und bemoost,
Ihr Ströme, die zornig durch Felsen ihr tost.Robert Burns, Mein Herz ist im Hochland
Tiberius führte uns immer tiefer in den Wald hinein, mit jedem Meter schien die Umgebung wilder und ursprünglicher und zugleich immer magischer zu werden. Irgendwann war es dem Magier mit unseren Trödeleien zu viel, mit langen Schritten kam er zu uns zurück und legte mir die Hand auf die Stirn. Schlagartig verschwand der Schwindel und wahrscheinlich hätte ich auch wieder allein laufen können, aber Gins Berührung fühlte sich einfach so... gut an, dass wir so verharrten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er diese Spannung zwischen uns auch spürte, die wie ein Feuer knisterte. Ich war mir nicht sicher, ob ich deswegen Gewissensbisse Pan gegenüber haben sollte. Aber es war ja nicht so, als wären wir zusammen, oder? Er hatte mich nur geküsst... Na gut, er hat fantastisch geküsst, aber er hat mit keinem Wort gemeint, dass wir zusammen wären, sagte ich zu mir selbst und mein Blick wanderte wie ferngesteuert zwischen die Bäume. Oder das er mich liebt.
„Hey, Keira", sagte Gin plötzlich und riss mich damit aus meinen Gedanken.
„Hm?"
„Sieh mal, was unsere Verrückte wieder treibt", meinte er mit einem belustigten Grinsen und deutete mit dem Kinn in die andere Richtung zwischen die Bäume. Genauer gesagt war es nur eine schmale Baumreihe, hinter der eine kleine, in Mondlicht gebadete Lichtung zu erkennen war. In der Mitte befand sich ein großer Findling - auf dem Grey stand und mit großen Augen in den Himmel starrte. Als würde sie auf die Aliens warten, dachte ich unweigerlich, schüttelte dann aber den Kopf. Nein, Grey war nicht verrückt. Ein wenig eigenartig vielleicht, aber nicht verrückt. Und der Mond war schließlich auch ziemlich faszinierend, oder? Trotzdem ging ich zwischen den Baumreihen hindurch - was Tiberius mit einem missbilligenden Blick quittierte, als er gezwungen war, seinen Dauermarsch zu beenden.
„Grey?", fragte ich leise und ging auf sie zu. Ohne sich von der Stelle zu bewegen, bedeutete sie mir, näher zu kommen. Mir fiel auf, dass sie ihren Bogen auf den Stein zu ihren Füßen gelegt hatte und jetzt ihren Blätterstapel und einen Stift in der Hand hielt. „Grey, wir müssen weiter. Was siehst du denn..."
Ich verstummte schlagartig, als ich ihrem Blick folgte. Das fahle Licht, welches den Boden erhellte, kam nicht vom Mond. Einer der riesigen Bäume schien förmlich in blauem Licht zu leuchten. Erst als ich genauer hinsah, erkannte ich auch, warum: Hunderte winzige Wesen, die aussahen wie Menschen mit Libellenflügeln, wuselten in dem Geäst herum, ihr Kichern war hoch wie das Klirren winziger Glocken. Feen, erkannte ich fassungslos. Mir wurde bewusst, dass ich jetzt mindestens genauso verrückt aussah wie Grey vorhin, aber das war mir egal. Eher noch hatte ich das Bedürfnis, wie sie meinen Block zu zücken und zu schreiben, einfach nur zu versuchen, diesen Moment mit Worten einzufangen.
„Was macht ihr...", begann Gin, doch als auch er in die Richtung sah, verstummte er schlagartig. „Wow."
Ich zuckte zusammen, als er direkt neben mir auftauchte, doch als ich ihn ansah, musste ich unweigerlich lächeln. Er sah mindestens so fasziniert aus, wie ich mich fühlte. Das Bedürfnis, ihn zu berühren, war beinahe überwältigend. Ohne es richtig zu realisieren, nahm ich seine Hand. Er sah mich an und schenkte mir ein Grinsen, das mich glatt umhaute. Wow. Mit einem Mal wurde mir bewusst, wie nahe wir einander waren. Grey schien weit weg zu sein, obwohl sie nur wenige Zentimeter von mir entfernt stand, alles schien in weite Ferne zu rücken. Außer Gin, der mich mit Augen ansah, die direkt bis zu seiner Seele zu führen schienen, seine Lippen waren direkt vor meinen, ich bemerkte kaum, wie wir uns näherten... Tiberius räusperte sich vernehmlich und brach damit den Zauber. Schlagartig fuhren wir alle herum.
DU LIEST GERADE
Nebelsucher - Kinder des Waldes
ParanormalEin nerviger Elf, der dich in die Nebellande entführt? Ein grantiger Zauberer, der dir erzählt, du bist eine Magierin? Ein Heer verdammter Fantasywesen, das Jagd auf dich macht? Keira kann es nicht fassen. Und zu dem ganzen Schlamassel mit der Magi...