Der schwarze Fluss I

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Wanderer im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.

Georg Trakl, Am Moor (Fassung I)

Gin wollte uns begleiten, als Pan und ich uns auf den Weg zu Taramyria machen, aber ich fand es wichtiger, dass er Grey Bescheid sagte. Außerdem machte mich seine Anwesenheit nervös. Nach einiger Diskussion hatte ich ihn endlich dazu gebracht, sich auf die Suche nach ihr zu machen, und so liefen Pan und ich nun schweigend nebeneinander durch die langen Gänge des Schlosses, um zu Taramyria zu gelangen. Ich sah Pan von der Seite her an. Soweit ich das bisher mitbekommen hatte, kam es ziemlich selten vor, dass er schwieg.

„Alles okay?", fragte ich leise und griff nach seiner Hand. Die Berührung fühlte sich gut an, sie zeigte mir, dass ich nicht allein war. Pan sah mich an.

„Es wäre mir lieber, dich hier in Sicherheit zu wissen, aber ansonsten, ja, alles in Ordnung." Das hörte sich nicht an, als wäre er sonderlich glücklich über meine Entscheidung. Ein leichtes Lächeln zeichnete sein Gesicht, aber es war kein fröhliches Lächeln. „Glaub es oder nicht, aber das ist das erste Mal seit Vainns Tod, dass ich mir wirklich um jemanden Sorgen mache. Das bin ich nicht gewöhnt."

Ich spürte, wie meine Wangen sich leicht rot verfärbten. So etwas hatte ich nicht erwartet.

„Ich mache mir doch auch Sorgen um dich. Und das heißt, dass ich dich nicht einfach allein losschicken und hier untätig rumsitzen kann." Ich lächelte etwas schief. „Schließlich ist es meine Familie."

Pan seufzte ergeben und schenkte mir ein halbes Grinsen.

„Ich kann wohl nichts daran ändern, was?"

„Nein", sagte ich entschlossen und drückte seine Hand. „Aber bisher haben wir es ja auch zusammen geschafft."

Pan grinste und wollte noch etwas sagen, aber da standen wir auch schon vor einem großen Portal, hinter dem gedämpfte Stimmen zu hören waren.

„Na dann mal los", meinte Pan und die Tür schwang ein Stück auf, gerade weit genug, dass wir hineingehen konnten. Taramyria saß mit Tiberius und einem anderen Mann an einem großen, runden Marmortisch, sie waren offensichtlich in ein wichtiges Gespräch vertieft. Als wir eintraten, blickten sie auf. Der Fremde bedachte uns mit einem missbilligenden Blick, Tiberius verdrehte die Augen und Taramyria sah uns einfach nur an. Pan grinste sein typisches Grinsen, schnappte sich einen der unzäh­ligen Stühle, die an dem großen Tisch standen und ließ sich darauf fallen, während er die Arme vor der Brust verschränkte und sich nach hinten lehnte, sodass die vorderen Stuhlbeine knapp über dem Boden hingen. Die Botschaft war deutlich - so schnell würde er nicht ver­schwinden. Etwas zögerlich nahm ich den Stuhl neben ihm und setzte mich ebenfalls, wenn auch nicht so provo­zierend entspannt wie Pan, der aussah, als würde ihm das Schloss gehören. So was würde Taramyria - und auch niemand sonst - garantiert niemand anderem durchgehen lassen als ihm. Einige Sekunden starrten wir uns alle gegenseitig an, bevor der Fremde - der offensichtlich irgendein Tiermischwesen war, da seine Hände mit Fell bedeckt waren, seine Fingernägel Katzenkrallen glichen und ein langer Katzenschwanz hinter ihm herzuckelte - mit empörter Miene aufstand und stolzen Schrittes den Raum verließ. Sah ganz so aus, als hätte Pan den Starr­wettbewerb gewonnen.

„Erklär uns doch mal, warum du den obersten Abgesan­dten der wilden Lande aus unserer Versammlung vertrie­ben hast", sagte Tiberius mit einem scharfen Blick.

Pan grinste zufrieden.

„Den konnte ich sowieso noch nie leiden."

Taramyria seufzte ergeben.

Nebelsucher - Kinder des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt