Gespräche am Feuer

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Und lassen dich,
zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus,
das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht
und steigt.


Rainer Maria Rilke, Abend

Es war mitten in der Nacht, vor der Höhle war es voll­kommen dunkel. Und ich hatte langsam das Gefühl, an Schlafstörungen zu leiden, so oft, wie ich um diese Urzeit wach war. Und das nach so einem Tag! Doch dieses Wis­sen half mir nicht viel, ich starrte einfach nur in die Flammen des Feuers, das Gin entfacht hatte und das nun fröhlich in der Mitte der Höhle flackerte. Grey hatte sich wieder dicht an Luna gekuschelt, und die Wölfin hatte sich an ihr zusammengerollt wie ein Kätzchen, Pan lag dicht neben mir, halb an die Höhlenwand gelehnt. Auch wenn ich noch so gern mit irgendjemandem gesprochen hätte, wollte ich ihn nicht wecken. Dafür sah er einfach zu erschöpft aus. All das Eisen musste ihn wirklich un­glaubliche Kraft gekostet haben, und dann noch der Zau­ber vorhin...

„Kannst du auch nicht schlafen?"

Überrascht sah ich auf und setzte mich hin. Gin grinste schief.

„Nicht wirklich", gab ich zu. „Und du?"

„Dafür ist es mir hier nicht sicher genug."

Er stand auf und kam zu mir rüber, wo er sich dicht neben mich auf den Boden setzte. Einige Zeit saßen wir einfach nur so da und hingen unseren Gedanken nach, während ich weiter ins Feuer starrte.

„Was ist eigentlich mit deiner Familie?"

Überrascht sah ich ihn an.

„Wie meinst du das?"

„Du kommst aus der Menschenwelt", erklärte er sich. „Und du hast sicherlich auch eine Familie dort drüben. Was ist mit denen?"

Die Traurigkeit kam so überraschend, dass ich kurz nicht antworten konnte. Ich hatte schon lange nicht mehr an Mum gedacht. Was sie wohl gerade machte? Ob sie mich vermisste? Wie viel Zeit war wohl schon vergangen, seit­dem ich verschwunden war? Ob sie sich Sorgen machte? Ob sie noch einmal das gleiche durchleben musste wie damals, als Cherry und Dad gestorben waren? Sie hatte es kaum aus eigener Kraft geschafft, wieder ins Leben zurückzufinden. Wenn ich nicht zurückkehrte, was würde dann mit ihr passieren?

„Ich hab nur noch meine Mum"

Mei­ner Stimme war die Trauer anzuhören, auf seltsame Weise klang meine Stimme hohl. Ein beinahe erschro­ckener Ausdruck trat auf Gins Züge, bevor er eine Hand an meine Wange legte.

„Es tut mir leid", sagte er und ich wusste, dass er es ab­solut ernst meinte. „Ich wollte nicht, dass du...-"

„Hand weg, oder sie ist ab."

Überrascht fuhren wir herum, Gin ließ beinahe augen­blicklich die Hand sinken. Wir starrten beide auf Pan, der noch immer halb an die Wand gelehnt da lag. Es sah nicht so aus, als hätte er sich irgendwie bewegt.

„Äh... Pan?"

Er öffnete ein Auge, das im schwachen Licht der Flam­men zu leuchten schien.

„Hm?"

Wie hatte er es geschafft, das zu sehen? Das war irgend­wie ziemlich... unheimlich. Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge, während er das Auge wieder schloss.

„Tja", machte er nur. „Das Licht ist einfach viel zu hell für die Nacht."

„Im Ernst?"

Ich konnte kaum was sehen und ihm war es zu hell? Mit einem Seufzen öffnete er jetzt doch beide Augen und setzte sich aufrecht hin.

Nebelsucher - Kinder des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt