13. Kapitel

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Harrys POV

„Mom, er hat mich noch nie zuvor ignoriert", hörte ich meine Schwester Gemma betrübt im Hintergrund sagen.

Meine Augen waren auf die Wand vor mir fixiert, während ich an Kyla und an die Tränen, die sie versucht hatte, vor mir zu verbergen, dachte. Ich wusste, dass sie die Spannung zwischen uns spürte und wusste, dass sie mich genauso mochte, wie ich sie. Aber vielleicht wollte sie mich wirklich nicht. Vielleicht war alles, was sie gesagt hatte, die Wahrheit gewesen und ich wollte es einfach nicht akzeptieren?

„Schatz, rede mit mir." Meine Mutter legte mir zögernd die Hand auf die Schulter.

„Wieso?", fragte ich und wandte mich an meine Mutter und Gemma. Beide hielten den Atem an und warteten auf meine nächsten Worte. „Wieso will sie mich nicht?" Meine Mutter holte tief Luft, während Gemma ihr einen fragenden Blick zuwarf. Mit dieser Frage hatten sie nicht gerechnet.

„Ich weiß nicht, wer sie ist, aber du bist ein wunderbarer Mensch, Harry und-"

„Hört endlich damit auf, mich anzulügen", unterbrach ich meine Schwester, packte meine Brille und schleuderte sie gegen die Wand. „Ich werde immer der Junge sein, der die Hilfe eines Psychologen braucht, um über seine dunkle Seite wegzusehen."

„Harry, du hast diese Seite an dir vor acht Jahren abgelegt." Tränen schossen aus den Augen meiner Mutter. „Du bist zu einem wunderbaren Mann herangewachsen."

Ohne meiner Mutter einen zweiten Blick zu werfen, sprang ich auf die Beine und eilte aus dem Haus. Die Haustür fiel mit einem lauten Knall zu, während ich mich ins Auto setzte und mit zitternden Händen das Lenkrad umklammerte. Tränen, die ich versucht hatte, zurückzuhalten, sprangen aus meinen Augen und vernebelten mir das Sichtfeld. Ich war schwach. Schwächer als ich gedacht hätte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit parkte ich das Auto und kämpfe meinen Weg durch den Wald.

Du bist ein Nerd, hatte sie gesagt. Zuvor hatte es mir nichts ausgemacht. Ich wollte der Nerd sein. Ich wollte mit niemandem etwas zu tun haben und meine Schulzeit alleine durchstehen. Doch jetzt? Alles was ich hörte, war das Wort Nerd. Es echote in meinem Kopf.

Nerd

Nerd

Nerd

Nerd

Nerd

Nerd

Mein Brustkorb zog sich zusammen und ich wollte zum ersten Mal in meinem Leben jemand sein, der nicht ausgelacht und gehänselt wurde. Ich wollte der Mann sein, den sich Kyla wünschte.

Als das Wasser in mein Blickfeld sprang, kamen die Erinnerungen hoch, wie ich sie geliebt hatte. Sie hatte sich an mich geklammert und die Hände in meine Haare begraben. Und ich hätte nie gedacht, dass sie sich so früh wieder von mir lösen würde.

In Sekundenschnelle befreite ich mich von meinen Klamotten und sprang hinein. Die Kälte des Wassers füllte jede Faser an meinem Körper auf und machte mir erneut bewusst, wie leer meine Seele war. Ich zitterte und musste mir eingestehen, dass ich mich hineingesteigert hatte, ohne mir bewusst zu werden, dass sich zwischen Kyla und mir niemals etwas entwickeln könnte.

Ich tauchte unter und hielt mich an einem großen Stein fest. Meine Lungen protestierten, doch ich gab nicht nach. Eine Minute vielleicht, oder zwei und ich könnte mich von all den Schmerzen befreien, die mich mein ganzes Leben lang begleiteten.

Als ich es nicht noch länger aushielt, schwamm ich an die Oberfläche und kaum war mein Kopf im Freien, schon keuchte ich laut nach Luft. Mein Genuss mit dem Sauerstoff war viel zu kurz, als plötzlich etwas ins Wasser sprang und mich mit sich hinunter riss.

Erschrocken schwamm ich ein zweites Mal hoch und schnappte nach Luft. Hände fanden den Weg um meine Oberarme und als mein Kopf auf die Seite zuckte, konnte ich nicht glauben, was ich sah.

„Kyla?" Meine Mundwinkel zuckten in die Höhe und ich starrte in die hellblauen Augen vor mir.

„Ich kam zu dir, Harry", keuchte sie und legte die Hände auf meine Wangen. „Deine Mutter hat gemeint, dass du aus dem Haus gestürmt bist und das war der einzige Ort, der mir in den Sinn kam. Louis hat mich gedroht. Er will dir weh tun, wenn ich mich nicht von dir fernhalte." Eine einsame Träne kullerte aus ihrem Auge und ich fing sie sofort mit dem Finger auf.

„Kein Schmerz gleicht dem, den ich fühle, wenn du nicht bei mir bist", flüsterte ich und zog sie näher an mich heran. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie mit ihrer Kleidung ins Wasser gesprungen war.

„In deiner Nähe bin ich wie erstarrt. Äußerlich ist alles steif, ich kann mich kaum bewegen, doch innerlich herrscht ein Chaos. Was stellst du nur mit mir an, Harry?"

„Genau das, was auch du mit mir anstellst." Meine Lippen fanden ihre und seufzend schmiegte sie sich enger an mich heran. Feuerwerke explodierten in meinem Körper.

Sie war hier. Bei mir. Und es gab kein besseres Gefühl auf der Welt, als sie festzuhalten. 

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