Kap. 5: Heartdecisions

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Die ganze Nacht fand Kate nicht in den Schlaf. Stundenlang wälzte sie sich hin und her und doch ließen ihre Gedanken ihr keine Ruhe. Immer wieder hatte sie dieses Bild vor sich. Die Familie Grey, so glücklich, so echt. Melissa, die wunderschöne Melissa, wie sie lachend auf Chris zuläuft und ihn auf Wange Küsst. Wie vertraut sie waren. Und dann, wieder ein anderes Bild, Melissa, wie sie vor ihr sitzt. Wie sie ihr erklärt, dass sie Chris vertrauen soll. Dass sie nicht alles glauben soll, was jemand ihr erzählt. Melissas Ehrlichkeit, ihr entschuldigender Tonfall. Theoretisch wusste Kate ja eigentlich, dass sie Chris vertraute. Theoretisch müsste sie wissen, dass das alles auf Mrs. Grey Idee gewachsen ist. Das alles nur gespielt war. Aber praktisch, ja praktisch hatte sie Chris gesagt, dass es vorbei ist. Das sie ihm nicht glaubte. Und damit, dass sie ihm nicht vertraute. Sie wollte ja nicht mal eine Erklärung von ihm haben, aus Angst, er könnte sie überzeugen. Aber was ist, wenn das, was er sagte, die Wahrheit war? Sie war auch zerrissen. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. So war das eben, es lagen eben Welten zwischen Theorie und Praxis.   Aber was ist, wenn sie gerade einen Fehler machte? Wenn sie durch ihre Sturheit, durch ihren Dickkopf, alles verlor? Was sollte sie tun, wenn sie nach Hause kam? Zurück zu ihrer Mutter? Sich anhören, wie sie ihr tagelang unter die Nase reiben würde, dass sie Recht hatte? Dass sie wusste, dass das, was Kate und Chris taten eben nicht richtig war? Sollte sie ihm nicht eine Chance geben, alles zu erklären? Sie wusste, sie fühlte, dass Grey die Wahrheit sagte. Das Melissa die Wahrheit gesagt hatte. Ja, sie liebte ihn. Verdammt noch mal, würde sie denn sonst, in ihrem Bett liegen und schlaflos ihren Gedanken hinterherrennen? Wie konnte man innerlich nur so zerrissen sein? Wie konnte einem sein Kopf etwas so anderes sagen, wie das Herz? So eben. Kate hätte es besser wissen müssen. Zu lange war sie doch schon bereits in einer solchen Situation gewesen. Und was war damals richtig gewesen? Genau, das, was ihr Herz ihr gesagt hatte. Also, warum hörte sie nicht einfach auf ihr Herz? Warum funktionierte das nicht? Warum hatte ihr Kopf so viel Kraft über sie? Ihr Kopf schien zu explodieren und sie richtete sich auf. Müde ließ sie den Kopf in ihre beiden Hände sinken. Sie weinte nicht. Zu gerne würde sie weinen, doch ihre Gedanken hielten sie davon ab. Da war einfach zu viel. Zu viele Gedanken, zu viele Möglichkeiten, zu viele Fragen, zu wenig Antworten. Alles zusammen, alles in ihrem Kopf. Und sie schaffte es nicht, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen, es waren einfach zu viele. Dabei brauchte sie doch nur eine Sache. Die reine und einfache Wahrheit. Und genau das, war das Problem. Denn die reine und einfache Wahrheit, war nicht rein und niemals, wirklich niemals einfach. Sie war das schwerste überhaupt. Wir alle sagen die Wahrheit, wenn wir Masken aufsetzten, wenn wir nicht wir selbst sind, wenn es eben nicht um uns selber geht. Wenn andere Probleme haben, dann stehen wir da und sagen ganz einfach die reine Wahrheit Aber dann, immer, wenn wir selbst ins Spiel kommen, geht das nicht mehr. Dann ist es, als wäre ein Schalter in unserem Kopf umgelegt worden. Der, der uns die klare Sicht auf die Dinge sehen lässt. Und dieser Schalter ist das Herz, das sich bei Dingen, die uns betreffen, einschalten. Das Herz und seine dummen, dummen Gefühle. Und das Problem ist, dass diese nicht abschalten. Und sie fragen auch nicht, ob sie sich einmischen dürfen. Sie tun es einfach. Aus Prinzip. Als hätten sie nichts Besseres zu tun. Sie machen uns einfach nur unser Leben schwer und kümmern sich nicht über die Kopfschmerzen, die sie uns damit bereiten. Kate stöhnte auf. Sie glaubte einfach nicht, dass sie sich so anstellen konnte. Dass sie sich nicht einfach entscheiden konnte. Sie brauchte ganz dringend einen kühlen, klaren Kopf. Kurzerhand stand sie auf und wickelte ihre Decke um sich, bevor sie leise aus der Tür ihres Zimmers trat. Auf Zehenspitzen lief sie die Treppen hinunter und versuchte, möglichst keinen Laut von sich zu geben. Das Letzte was sie jetzt brauchte, war noch mehr Chaos in ihrem Kopf. Und würde sie jetzt auch Chris treffen, wäre dieser  vorprogrammiert. Im dunklen tastete sie sich vorsichtig in die Küche und wagte es nicht, dass Licht anzuschalten. Der Mondschein, der durch die bodentiefen Fenster fiel, würde ihr wohl oder übel ausreichen müssen. Nur war dass alles andere als fiel, sodass Kate halb blind durch die Dunkelheit stolperte. Als sie endlich in der Küche ankam, hatten ihre Augen sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt und Kate griff zielstrebig nach einem Glas und füllte es mit kaltem Wasser. Langsam ließ sie das kalte Wasser ihren Rachen hinunterlaufen. Sofort füllte sie sich wacher. Sie wusste, dass sie eine Entscheidung treffen musste, und dass innerhalb weniger Stunden. Kate blickte sie nach einer Uhr um, während sie achtlos mit dem Glas durch die Gegend schwang. Sie hörte das Klirren des Glases, noch bevor sie den Schmerz wahrnahm. Erst nach wenigen Sekunden blickte sie auf ihre Hand, in der sich noch einige Splitter des Glases befanden, dass sie soeben am Wasserhahn zerschlagen hatte. 

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