Kapitel 8 - Blut Lust

189 9 4
                                    

L

angsam füllt sich meine zerfetzte Lunge wieder mit Luft. Stück für Stück und wie kleine Puzzleteile, die das Bild wieder vervollständigen, setzt sie sich stetig zusammen, regeneriert sich wie von Geisterhand neu und von ganz allein.

Es schmerzt, als die kalte Luft an ihren empfindlichen Wänden entlang kratzt. Mein Körper wird wiederaufgebaut, ich spüre es in jeder Faser, denn es kribbelt in mir, als würden kleine Wesen ihre Arbeit erledigen.

Unsere Herzen schlagen jetzt im Einklang, ich kann seines in meinem Ohr pulsieren hören. Es schlägt langsam, ganz in Ruhe, als wäre das Schlimmste vorbei und doch fühlt es sich an, als könnte es jeden Moment wieder anfangen, wie wild zu pochen, wenn ich mich nur bewegte.

Der Regen, der nun von oben auf uns hereinbricht, fühlt sich kühl auf meiner Haut an, gleichzeitig ist mir wohlig warm. Der süße Nektar, der meine Sinne so sehr vernebelt, erlaubt es mir, meinen Körper wieder zu spüren. Langsam und vorsichtig sauge ich mit meinen nassen Lippen an seiner Ader, und lasse mich dabei vollkommen gehen.

Ich will mehr.

Viel mehr von dem Gefühl, deshalb beiße ich noch etwas fester zu, doch er stöhnt unter mir auf, weshalb ich mich doch wieder etwas zurückziehe. Meine Haut pocht jetzt unter meiner nassen Kleidung und es gelingt mir, meine Augen ganz langsam wieder zu öffnen. Der Wald um uns herum erscheint mir plötzlich in helleren Farben zu leuchten, als er es zuvorgetan hatte: Die Bäume und der Lehm auf dem Boden, dies alles sehe ich nun in so viel satteren Farben als zuvor. Meine Augen sind davon noch völlig überreizt, doch kann ich auch nicht aufhören, alles um uns herum in mich aufzusaugen, als sein Blut weiter in meinen Mund strömt.

»Das reicht Anna!«, ermahnt er mich mit leiser Stimme, doch bin ich noch nicht bereit aufzuhören. Mit seiner Schulter versucht er mich langsam von sich weg zu schieben, doch das kann und will ich nicht. Mein Körper will es nicht.

»Anna du saugst mich aus«, sind seine erstickten Worte, bevor ich schließlich begreife, was hier gerade geschieht. Sein Körper reagiert ebenfalls auf mich, denn sein so unbeschreiblich süßes Blut, das sich bis in die kleinste Ecke meines Mundes verteilt hat, verliert plötzlich seinen unglaublich leckeren Geschmack: Meine Zunge wird taub, ich meine Eisen zu schmecken, was das Tier in mir aufhorchen lässt. Es windet sich in mir, will, dass ich sofort beende, was ich angefangen habe, als erleide es unsagbare Schmerzen.

Wie aus einer Trance erwacht, verändert sich schlagartig wieder meine Sicht. Ich will mich von ihm lösen, möchte den Schaden sehen, den ich angerichtet habe, doch nachdem ich mich eine Armlänge von ihm zurückgezogen habe, zieht er mich sofort zurück in seine Arme. »Lass dir Zeit!« Er macht eine kleine Pause. Seine Stimme ist, trotz des Regens, so laut in meinem Kopf zu hören, dass es mich fast zerreißt.

»Es ist alles gut, ich bin da. Ich beschütze dich...So wie ich es die ganze Zeit tue...Dir wird niemals wieder Jemand weh tun...Ich verspreche es...«

Seine Worte haben so eine beruhigende Wirkung auf mich, dass ich mich zurück in seine Arme sinken lasse. Schließlich hebt er mein Kinn ein wenig mit seiner Hand an, um mich anzusehen, doch versuche ich ihm auszuweichen, denn ich schäme mich für das, was ich getan habe.

»Nein tu das nicht! Das ist ganz normal für uns. Lass es zu...jetzt bist du eine von uns.« Mit seinen Daumen wischt er mir ganz zärtlich das Blut von meinem Kinn und leckt es dann selbst mir der Zunge ab. »Siehst du?«

Plötzlich realisiere ich, was gerade mit mir passiert: Ich bin zu einem blutsaugenden Monster geworden.

Erschrocken sucht mein Blick den seinen, und mein Puls wird dabei immer schneller und schneller, bis er schließlich seinen Höhepunkt erreicht.

Blood Hunter - Hunt or be huntedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt