Teil 4 - 2 | Stärke beweisen

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Das schnaufende Geräusch kommt immer näher und ich weiß, dass es für mich längst zu spät ist um auf dem Baum Schutz zu suchen. Sollte mich dieses Etwas einholen, würde ich laufen müssen oder es töten.
Sollte es allein sein.
Mein Herz rast und ich fühle mich wieder in die Arena zurückversetzt.
In die Arena, mit der all dieser Schlammassel in dem ich nun stecke angefangen hat. Ich greife nach dem Messer, welches ich notdürftig an meinem Gürtel befestigt habe.
Außerdem entsichere ich die Waffe, die ich hinten in meiner Hose stecken habe. Sicher ist sicher.
Ich spüre wie ich ruhiger werde, egal was auch immer gleich bei mir sein wird, es wird nicht lange Leben.
Mut überwältigt mich und ich trete aus meinem Versteck. Knapp 50 Meter von mir entfernt steht ein Dachsartiges Tier.
Es ist viel größer und sieht muskulöser aus, als ein wirklicher Dachs. Außerdem schien es mich mehr als nur deutlich wahrzunehmen.
Mit nur einem Schuss würde ich dieses Wesen niemals töten können und so nah, als dass ich meine Messer benutzen kann, würde ich die Mutation sicher nicht an mich heranlassen.
Es bleibt mir nur eines: die Flucht.
So schnell ich kann drehe ich mich um und starte einen Sprint.
Ich höre, dass die Mutation mir auf den Fersen ist, doch das blende ich aus. Ich muss mich auf meine Atmung konzentrieren. Darauf, dass ich nur überleben werde, wenn ich so schnell und gleichzeitig so lange wie nur möglich laufe.
Doch all meine Bemühungen nutzen nichts, die Mutation kommt spürbar näher.
Viel zu nah.
Mein Herz rast, ich bekomme kaum noch Luft.
Ich muss eine Entscheidung treffen, muss etwas unternehmen, sonst würde ich sterben und das geht nicht. Ich kann nicht sterben, wenn Kael wahrscheinlich direkt hinter mir ist.
Er will mir folgen, mich finden und das lebend. Nicht tot.
Ich zücke die Waffe und schieße, obwohl ich noch immer laufe und noch nie auf ein bewegliches Ziel geschossen habe.
Dadurch, dass die Mutation aber so groß ist, bietet sie mir eine gute Fläche und ich treffe sie tatsächlich.
Ein Jaulen ist zu vernehmen, was mir ein Lächeln abringt.
Erneut schieße ich und scheine ein weiteres Mal getroffen zu haben. Die Mutation wird langsamer und ich beschleunige mein Tempo. Ich muss dringend etwas Abstand zwischen uns bringen, um mein Leben zu retten.
Die Angst, dass noch weitere Mutationen auftauchen können versuche ich zu verdrängen. Im Moment habe ich nur gegen Eine zu kämpfen. Das reicht mir eindeutig.
Eine gefühlte Ewigkeit später höre ich nur noch meine eigenen Schritte auf dem Waldboden. Ein Blick nach hinten sagt mir, dass die Mutation verschwunden ist.
Mein Herz scheint einen Schlag auszusetzen und ich lasse mich einfach auf den Boden fallen. Der Schmerz in meinen Beinen steigt plötzlich ins Unermessliche und Tränen treten mir in die Augen.
In der Arena habe ich noch näher am Tod gestanden und doch überwältigt mich diese Hetzjagd mehr als jede andere Situation.
Nicht nur einmal habe ich dem Tod direkt in die Augen gesehen und ausgerechnet jetzt will ich zu weinen anfangen?
Wütend schlage ich mit der Faust gegen den Waldboden und wische mir mit dem Ärmel meiner Jacke übers Gesicht.
Ich bin Reva Scott! Ich weine nicht! Vor allem nicht hier!
Langsam versuche ich mich aufzusetzen und lehne mich gegen den nächsten Baum. Ich konzentriere mich ganz auf meine Atmung und versuche nach und nach wieder ruhiger zu werden. Es wird Zeit, dass ich aufhöre zu gefühlsduselig zu sein. Es hat mir nichts gebracht und es wird mir nichts bringen.
Mit ein paar Vorräten aus meinem Rucksack stärke ich mich und nach einer Stunde fühle ich mich wieder dazu bereit weiter zu gehen.
Meine Beine machen es mir jedoch schwer, meine Muskeln sind völlig überanstrengt und ich spüre jeden Einzelnen, je weiter ich gehe. Doch ich weiß, dass ich hier weg muss.
Wer weiß, wann die nächste Mutation auftaucht? Oder gleich mehrere?
Trotz völliger Überanstrengung gehe ich einfach weiter und weiter. Ich spüre die unglaubliche Angst in mir aufkeimen, nicht mehr weiter zu können und von einer Mutation getötet zu werden.
"Hör auf damit!", motze ich mich selbst an.
Wer bin ich, dass ich hier vor Mutationen klein bei gebe? Nein! Das wird nicht geschehen. Ich werde mich von ihnen nicht überwältigen lassen. Ich bin Reva Scott.
Mit zitternden Knien halte ich irgendwann an und sehe mich ruhig um. Überall um mich herum sind Bäume, am Boden ist wenig hohes Gestrüpp das mich irgendwie schützen könnte.
Ich seufze und weiß schon, dass der Rest meiner noch funktionierenden Gliedmaßen mich nun auch noch verfluchen wird.
Ruhig beginne ich auf einen der Bäume zu klettern der aussieht, als könnte er mein Gewicht tragen. Was er dann auch tut.
Als ich bei einem größeren Ast angelangt bin halte ich erschöpft inne und lasse mich darauf nieder.
Es ist unbequem aber das ist egal. Ich muss mich irgendwie ausruhen, wieder zu Kräften kommen.

"Was machst du denn auf einem Baum?", erklingt plötzlich eine Stimme und ich schrecke auf. Kael?
"Ich übernachte hier um mich zu schützen."
"Sehr guter Schutz.", die Stimme tritt aus dem Schatten und mein Herz scheint einen Moment stehen zu bleiben. Kael ist wirklich hier. Er ist mir gefolgt.
Doch irgendwie sieht er verändert aus. Etwas scheint an ihm zu zehren, seine Kräfte scheinen am Ende zu sein.
"Du hättest dich mehr ausruhen sollen."
"Ich wollte dich erreichen."
Leichtfüßiger als ich es von mir selbst erwartet habe springe ich vom Baum und komme ihm entgegen. Er zieht mich in seine Arme und ich lasse es geschehen dass er mich fest an sich drückt.
Tränen laufen mir übers Gesicht als ich seinen Duft einatme. Kael ist hier. Er ist bei mir. Ich bin nicht mehr allein.
"Es tut mir Leid mein Schatz. Es tut mir so unendlich leid.", er zittert leicht und ich blicke ihn verwirrt an.
"Was tut dir Leid?"
"Sie sind auf deiner Spur. Sie... ich...", plötzlich ragt ein Pfeil aus seiner Brust.
Mein Schrei höre ich selbst nur wie in Trance.
"KAEL!", das Blut das aus seiner Brust läuft ist rot und es ist unglaublich viel. Meine Hände können nichts ausrichten.
Tränen verschleiern mir die Sicht als er mir etwas zuruft. Doch ich höre ihn nicht.
Ich höre nichts mehr.

"Kael!", mit einem Satz sitze ich wieder aufrecht auf dem Baum. Mein Gesicht ist durch die Tränen und den Schweiß auf meiner Stirn nass.
Das Herzrasen beweist mir, ich habe geträumt.
"Er lebt noch.", flüstere ich leise und beginne erneut zu weinen.
Das Gefühl, völlig allein zu sein und niemanden zu haben, der auf meiner Seite ist überwältigt mich. Ich will nicht länger die Starke Reva sein. Ich will endlich Frieden haben.
Frieden und Glück.
Was ist daran so schwer zu verstehen?
Ich habe doch mein Soll erfüllt. Ich bin eine Siegerin, ich habe nichts falsches getan.
Doch das würde mir jetzt auch nicht helfen, sondern mich wahrscheinlich eher ins Grab bringen.
Das Dämmerlicht sagt mir, dass ich nicht allzu lange auf dem Baum ausgeharrt habe, doch der Albtraum hat mich abgeschreckt. Ich will nicht länger ausruhen.
Ich will etwas tun.
Also springe ich vom Baum, sehe mich langsam um und als ich mich sicher fühle gehe ich ruhig weiter.
Doch schon einige Zeit später weiß ich, dass meine Reise zu Ende sein könnte, als eine Stimme durch die Stille bricht.
"Wer bist du?"

"Wer bist du?"

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt