Teil 4 - 8 | Reden hilft

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Als wir uns nach dem Essen schlafen legen spüre ich sofort, dass ich kein Auge zutun werde. Meine Gedanken kommen immer wieder zurück zu dem riesigen Bildschirm, der mir Kaels Gesicht zeigt. Ebenso wie Jons Miene, als er sich hinter ihn stellt. Ihm ist klar gewesen, wer vor ihm kniet. Er hat Kael gekannt. Sie waren Freunde und trotzdem, trotzdem hat er ihn erschossen.
Ich seufze und stehe langsam auf, ohne auch nur ein Geräusch zu machen. Ruhig betrete ich die Küche, verzichte aber darauf Licht einzuschalten.
Der Mond scheint günstig durch das Fenster, sodass ich nicht völlig im Dunkeln stehe. Ich gieße mir ein Glas Wasser ein und lehne mich gegen die Spüle.
Wenige Minuten später wird die Tür langsam aufgeschoben, sofort bin ich in Kampfbereitschaft und greife nach meiner Pistole.
Als ich jedoch Damirs Gesicht erkenne, lasse ich sie langsam sinken.
"Entschuldige.", murmele ich und deute auf meine Waffe, "Ich bin es nicht mehr gewohnt in Gesellschaft zu sein."
"Oh ich wusste nicht, dass du hier bist. Ich wollte dich nicht erschrecken.", entschuldigt er sich sofort.
"Das macht nichts. Ich hab mich so leise es geht herausgeschlichen. Kannst du auch nicht schlafen?", frage ich während ich meine Waffe wieder in meinen Gürtel stecke.
"Nein. Doch das scheinen mehrere heute nicht zu können.", grummelt er und ich hebe meine Augenbrauen.
"Darf ich raten? Elina und Sam?", frage ich geradeheraus was mir als erstes in den Kopf geschossen ist. Mehr als falsch kann es ja nicht sein, doch meine Beobachtungen lassen eigentlich keine Zweifel zu. Wer sonst sollte noch wach sein, wenn nicht die beiden?
"Ja.", antwortet er und schenkt sich Wasser in ein Glas.
Wieder hebe ich meine Brauen. Irgendetwas stimmt nicht, das kann ich deutlich spüren. Ich verlagere mein Gewicht und blicke ihn direkt an.
"Was läuft da zwischen den beiden, das dich so, sagen wir mal, unzufrieden, macht?"
"Elina war meine Freundin. Dann habe ich mein Gedächtnis verloren und mich von ihr getrennt. In der Zwischenzeit ist dieser Idiot aufgetaucht und will einfach nicht verschwinden. Und natürlich mag sie ihn auch noch.", seufzt er. "Ich weiß, solche Probleme mitten in einem Krieg sind lächerlich."
"Das ist nicht lächerlich, wenn es euch drei ablenkt. Und das tut es, das sehe ich. Ich bin noch nicht lange in dieser Gruppe und habe schon bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Wobei ich dich nicht in diesen Problemen gesehen habe. Ihr solltet das klären. In den Spielen sind Liebesbeziehungen genauso tödlich gewesen, wie in einem wirklichen Krieg. Jede Art von Ablenkung kann den Tod von dir oder irgendjemandem der dich begleitet bedeuten. Vielleicht solltet ihr drei euch das einmal überlegen.", schlage ich vor und mache eine kurze Pause.
"Oder du gestehst Elina, dass du sie noch immer liebst und mit ihr zusammen sein willst. Vielleicht hat sie noch immer diese Gefühle für dich und wartet nur darauf, dass du den ersten Schritt machst? Du weißt schließlich nicht was Sam für eine Rolle in ihrem Leben spielt. Ich meine, sie tauschen keine Zärtlichkeiten aus. Auch nicht im Krankenzimmer als du nicht dabei warst. Obwohl ich weiß, dass Sam wichtig für Elina ist.", ich sehe Damir an und warte auf eine Reaktion meiner kleinen Rede.
"Klugscheißerin.", grinst er. "Aber ja, du hast vermutlich recht. Ich sollte mit ihr reden."
"Reden hilft und solange du das noch klären kannst, tu es. Irgendwann könnte es zu spät sein.", sage ich und die letzten Worte sind mehr geflüstert.
"Wen hast du verloren?", fragt er ehe er meine eigenen Worte benutzt. "Reden hilft."
"Den Mann, den ich schon geliebt habe bevor ich in die Arena gegangen bin und den ich nur noch mehr liebte, als ich wieder zurück gekommen bin. Er...", meine Stimme bricht und ich wische mir übers Gesicht. "Er wurde zusammen mit anderen rebellischen Friedenswächtern in Distrikt 2 erschossen. Ich habe es hier in Distrikt 8 live mitangesehen.", meine Stimme klingt nur noch wie ein Windhauch. Doch ich bekomme keine Stärke mehr hinein, denn die Erinnerung an Kael nimmt mir die Luft zum atmen.
"Das tut mir wirklich leid.", meint Damir und greift kurz nach meiner Hand um sie mitfühlend zu drücken. An seiner Stimme erkenne ich, dass er es ernst meint. Einen Augenblick lasse ich unsere Hände verschränkt, dann ziehe ich mich jedoch zurück.
"Ich werde versuchen noch einmal zu schlafen. Gute Nacht Damir.", mit einem Lächeln gehe ich zurück zu unserem Schlafplatz und beinahe augenblicklich bin ich eingeschlafen.
Am nächsten Tag sitze ich bereits am Frühstückstisch als Elina hereinkommt.
"Guten Morgen.", lächelt sie in die Runde und setzt sich neben Damir und Kila.
"Gut geschlafen?", frage ich um ein Gespräch aufnehmen zu können, ehe es wieder seltsam Still im Raum werden kann.
"Nicht wirklich. Es ist ungewohnt plötzlich auf einer weichen Matratze zu liegen, vielleicht vermisse ich den harten Waldboden.", antwortet sie schmunzelnd und ich grinse sie an, doch mein Blick flackert zu Damir. Er weiß genauso gut wie ich, dass Elina sicher nicht nur wegen der weichen Matratze kaum Schlaf bekommen hat.
"Ich bin froh, endlich wieder auf weichem Untergrund schlafen zu können.", lache ich und widme mich wieder meinem Brötchen.
"In der ersten Nacht konnte ich hier auch kaum schlafen. Andauernd hatte ich Sorge, dass gleich irgendein Tier von der Decke springt und uns angreift. Sicherheit war ungewohnt. Komisch, oder?", klinkt sich Tiro ins Gespräch ein, während Lucan ihm mit vollem Mund zustimmt.
"Ich hoffe es gibt bald wieder eine Zeit, wo Sicherheit nichts ungewohntes für uns ist.", murmelt Elina und ich spüre, dass genau dieser Wunsch auch in mir brennt. Obwohl ich weiß, dass ich mich ohne Kael wohl nie wieder so sicher und geborgen fühlen würde, wie früher.
Einige Zeit sagt niemand etwas, bis Lucan seine Begeisterung für die Brötchen ausdrückt und er mit Kila in eine Diskussion gelangt über verschiedene Geschmacksarten von irgendwelchen Produkten. Da ich nichts davon verstehe beschäftige ich mich weiter mit dem Frühstück. Bis Elinas zitternde Stimme mich aus meiner Abwesenheit zurück holt.
"Leute, hört ihr das?", irritiert blicke ich sie an. Es ist doch vollkommen still. Es ist vollkommen still?
"Nein, ich höre nichts.", antwortet Tiro und Elina spricht meine Gedanken aus. "Ja. Das ist es ja gerade...", dann ertönt ein gewaltiger Knall, der den Rest des Satzes verschluckt. Meine Ohren dröhnen.
"Bombenangriff!", brüllt Rosie, Bjons Frau. "Schnell! Alle in den Keller!"
Es herrscht vollkommenes Chaos, alle laufen durcheinander, als weitere Bomben direkt in unserer Nähe einschlagen. Das Haus beginnt bedrohlich zu wackeln und ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.
Lucan hilft gerade Elise in den Keller, und ich strecke gerade meine Arme nach Elina aus, um sie hinunter zu schieben, als eine Bombe viel zu nah einschlägt und ich gegen irgendetwas geschleudert werde, ehe ich gar nichts mehr fühle.

Lucan hilft gerade Elise in den Keller, und ich strecke gerade meine Arme nach Elina aus, um sie hinunter zu schieben, als eine Bombe viel zu nah einschlägt und ich gegen irgendetwas geschleudert werde, ehe ich gar nichts mehr fühle

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt