Ein klaffendes Loch befindet sich in dem einst wahrscheinlich makellosen Zaun, welcher den Distrikt eigentlich vor Eindringlingen wie mir schützen sollte.
"Das Loch ist mal mächtig.", zwinkere ich Jorah zu und er lächelt mich breit an.
"Nicht weit von hier haben wir unsere Lager. Die Fabriken sind größtenteils verlassen, daher haben wir uns darin verschanzt. Dort ist es sicherer als in der Nähe des Dorfes."
Hastig läuft der Junge voraus, während ich schwerfällig hinter ihm her gehe. Die Strapazen der vergangenen Tage und Nächte haben mich ausgezehrt. Ich spüre, dass ich die Grenzen meiner Kräfte erreicht habe und bin froh, dass ich die Chance habe, mich wirklich auszuruhen.
Sofern die Menschen in Distrikt 8 mir vertrauen.
Wenige Minuten später stehen wir direkt vor einer riesigen Fabrik, mitten in einem halb zerbombten Gelände.
Geschockt blicke ich mich um.
Ist das etwa in all den Tagen meiner Flucht geschehen?
Haben sie das etwa mit allen Distrikten getan?
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals als wir uns einer Tür nähern.
Sie können die Fabrik doch nicht so unbewacht lassen, wenn der ganze Distrikt völlig zerbombt wurde?
Oder sind hier Menschen, die ich nur nicht sehen kann?
"Jorah! Wen hast du mitgebracht?", höre ich eine harte Männerstimme hinter mir und lasse vor Schreck beinahe den Packen Holz fallen, den ich aus dem Wald gebracht habe.
Seit wann bin ich nur so schreckhaft geworden?
"Hallo Dad! Das ist Reva.", fröhlich geht er auf den Mann zu und ich erkenne die Ähnlichkeit in den Augen des Mannes.
"Du siehst nicht aus, als würdest du aus unserem Distrikt kommen.", bemerkt er sofort, während ich versuche fröhlich zu Lächeln.
Meine Waffen sind zwar versteckt, doch mit Sicherheit werden sie mich durchsuchen.
Wieso sollte mir auch nur irgendjemand vertrauen? Oder sogar glauben? Wie bin ich nur auf die Idee gekommen einem Jungen zu folgen ohne mir zu überlegen was es für Konsequenzen für mich haben könnte?
"Ich komme auch nicht aus Distrikt 8. Ich bin geflohen, als die Arena explodiert ist.", ich versuche meine Herkunft so lange wie möglich für mich zu behalten, auch wenn ich genau weiß, dass Jorahs Vater sich mit dieser Antwort bestimmt nicht zufrieden geben wird.
"Und wieso bist du geflohen?"
Mein Mund wird trocken. Diese Frage hat sein Sohn mir nicht gestellt.
Misstrauisch sieht der Mann mich an und ich sehe etwas in seinen Augen aufblitzen.
Letztes Jahr bin ich oft im Fernsehen gezeigt worden. Ebenso bei der Siegertour. Gut möglich, dass er mich längst erkannt hat, es sich nur nicht anmerken lässt.
Er zieht eine Augenbraue nach oben.
"Was ist das hier für eine Versammlung?", erklingt eine Stimme nähe der Tür vor der wir stehen und eine Frau tritt ins Licht.
Auch sie hebt die Brauen als sie mich sieht und mir bleibt nur den angehaltenen Atem langsam herauszulassen.
Erleichterung schwappt eine Sekunde über mich, während ich mich gleichzeitig immer noch umzingelt fühle.
Hier ist es nicht sicher für mich. Das fühle ich.
"Wen hast du uns denn mitgebracht Jorah?", fragt sie und streicht ihm über die Haare.
"Das ist Reva.", antwortet er erneut und sie blickt seinen Vater an. Mir entgeht nicht, dass sie sich länger anblicken als es nötig gewesen wäre und mein Verdacht, dass ich hier absolut nicht sein sollte verhärtet sich.
"Dann lasst uns mal rein gehen und mit ihr reden.", lächelt die Frau und Jorah läuft grinsend voran. Sein Vater folgt ihm, während die Frau mir den Vortritt lässt.
"Du kannst das Holz hier ablegen.", weist sie mich an als wir kaum einen Schritt in die Fabrik gemacht haben.
Es ist sicherlich nicht der richtige Ort, doch sie vertrauen mir nicht. Ich würde es genauso machen.
Wir gehen durch die Halle, die in ein mehr oder weniger gut ausgestattetes Wohnzimmer wirkt.
Überall liegen Matten, Tische mit Stühlen drum herum. Einzelne Gasherde sind provisorisch als Küchenzeilen aufgestellt und größere Leinwände wurden aufgebaut.
Die wenigen Türen die in andere Räume zu führen scheinen sind geschlossen.
Argwöhnisch blicken die Menschen uns an, während wir durch die Reihen gehen.
"Jorah, bring das, was du gefunden hast ins Lager. Wir werden uns um Reva kümmern."
Der Junge nickt, grinst mich noch einmal an und verschwindet dann.
Wenige Minuten später stehen wir vor einer Tür. Jorahs Vater öffnet sie mit einem Schlüssel, was mich vermuten lässt, dass er einer der Wichtigsten Männer in dieser Bewegung zu sein scheint.
In dem Raum befindet sich ein Tisch, mehrere Stühle und Karten, die wild durcheinander liegen.
Hier wird wohl etwas geplant. Oder aufgezeichnet. Ich kann es nicht genau erkennen, denn sofort sammelt die Frau alles ein und legt es außer meiner Reichweite.
Als könnte ich damit etwas anfangen.
DU LIEST GERADE
Reva Scott 4 - Die Flucht
FanfictionEine Explosion und die Lichter gehen aus. Abrupt enden die 75. Hungerspiele und überall herrscht Chaos. Reva ergreift daraufhin die Flucht in Richtung Distrikt 13. Eine Flucht ins Ungewisse, denn sie hat keine Ahnung was auf sie warten wird, welche...