Teil 3 - 26 | Verabschieden

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Als ich meine Augen wieder öffne blendet mich grelles Licht. Jemand muss eine hellere Lampe angeschaltet haben. Ich halte mir meine Hände vor die Augen, sehe allerdings nur einen Schatten direkt über mir. Ich bin also nicht allein.
"Reva. Steh auf.", höre ich eine mir allzu bekannte Stimme und kneife meine Augen wieder zusammen, um mein Gegenüber besser sehen zu können.
Das Licht scheint an Kraft zu verlieren, denn plötzlich kann ich ihn so deutlich sehen, wie schon lange nicht mehr.
"Kael..", flüstere ich und spüre Tränen in mir aufsteigen.
Ich stehe auf und lehne mich gegen ihn. Er schlingt seine Arme um mich und küsst meinen Scheitel.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell wiedersehe.", flüstert er in mein Ohr und ich erschaudere.
Jetzt weiß ich, was geschehen ist.
Langsam drehe ich mich um und schaue hinab auf einen zerschundenen Körper. Mein Körper.
Der Stuhl an den ich gefesselt worden bin ist zerstört, einzelne Splitter überall auf dem Boden verteilt. Mein Gesicht ist blutverschmiert ebenso wie meine Arme, meine Handgelenke und meine Kleidung.
Meine dunkelbraunen Locken sind blutverschmiert und wirr. Leblos liege ich da und gleichzeitig stehe ich daneben.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich so kurz vor meinem Ziel verlieren würde.", antworte ich Kael nach kurzer Zeit und wende mich von meinem Körper ab.
"Dann haben wir uns wohl beide geirrt."
Langsam schüttele ich den Kopf.
Plötzlich erinnere ich mich daran, mit wem ich hierher gekommen bin. Wen ich alles zurücklassen muss.
Mein Herz wird schwer.
"Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit mich zu verabschieden. Sie alle haben ihr Leben für mich aufs Spiel gesetzt. Tun es vielleicht noch. Und ich, ich liege hier am Boden. Zerschunden, zerstört, gebrochen, tot.", meine Stimme bricht als mir klar wird, was ich soeben gesagt habe.
Ich habe tatsächlich nicht die Möglichkeit gehabt mich zu verabschieden. Ein letztes Mal mit meinen Freunden zu sprechen. Ihnen zu sagen, dass ich unglaublich glücklich bin, dass ich sie kennenlernen durfte und vor allem, dass sie mich gerettet haben.
Sie haben mich gerettet.
Diese Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag und Tränen rollen über mein Gesicht.
Ohne diese Menschen wäre ich niemals aus Distrikt 8 heraus gekommen. Ohne diese Menschen hätte ich mich aufgegeben. Sowieso nachdem ich gesehen habe, was mit Kael geschehen ist.
Ohne die Hoffnung von Elina. Ohne den Mut von Damir. Ohne die Kraft von Sam. Ohne den Kampfgeist von Lucan und ohne die Ideen von Tiro hätte ich mich selbst aufgegeben. Wäre ich einfach dort geblieben und hätte darauf gewartet zerbombt zu werden.
Sie haben mir wieder Hoffnung gegeben. Sie haben mir ein Ziel zurückgegeben und was habe ich getan? Ich kann sie nicht einmal mehr beschützen, weil ich mich selbst nicht schützen konnte.
Und alles hat damit angefangen, dass ich vor 7 Jahren in die Hungerspiele eingezogen bin und siegreich nach Hause kam. Nur deshalb ist mein Leben jetzt verwirkt.
"Ich hätte ihnen wirklich gern gedankt.", flüstere ich und wische mir über die Wangen.
"Dann tu es mein Schatz. Dann tu es.", höre ich Kael weit von mir entfernt sagen.
Erschrocken reiße ich die Augen auf.
Der kahle, kalte Raum sieht noch immer so aus, wie zu dem Zeitpunkt an dem ich Ohnmächtig wurde. Meine Glieder schmerzen. Der Stuhl auf dem ich gesessen habe ist unter mir zerstört worden. Überall liegen Holzsplitter verteilt und ich habe das Gefühl, das alles schon einmal gesehen zu haben. Weit weg und vor langer Zeit.
"Du wirst noch verrückt.", flüstere ich und spüre die Schmerzen langsam wieder in meinem Körper.
Ich weiß nicht wie, aber ich muss bald hier raus, sonst bin ich tot.
Langsam setze ich mich auf und reibe meine blutverschmierten Handgelenke. Überall ist getrocknetes Blut. Mein Gesicht, mein Rücken, mein Bauch, alles schmerzt unglaublich. Ein Stöhnen entfährt mir als ich versuche mich zu strecken.
Es hat keinen Sinn es weiter zu versuchen. Nur eines weiß ich: wenn dieser Typ zurückkommt, werde ich mich zur Wehr setzen.

 Nur eines weiß ich: wenn dieser Typ zurückkommt, werde ich mich zur Wehr setzen

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt