Teil 4 - 17 | Hoffnung - oder auch nicht.

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Ihre Arme auf meiner Schulter sollten da nicht sein. Angst packt mich. Die Angst, wie Neo getötet zu werden.
Ohne nachzudenken werfe ich mich auf sie und drücke sie zu Boden.
"Wieso hast du das getan? Wieso hast du Neo getötet?", schreie ich sie an und drücke sie fester gegen den Boden.
"Reva! Lass sie!", höre ich jemanden rufen, doch bevor er mir zu nah kommen kann schlage ich ihm meine Faust in den Bauch.
"Reva, ich bin es, Elina.", sagt sie und blickt mich flehentlich an. An ihrem Blick ist etwas, das mich zögern lässt. Irgendetwas ist hier nicht richtig.
"Du hast geträumt! Ein Albtraum! Nur ein Albtraum!", sagt sie mit ruhiger Stimme und mir wird schlagartig klar, dass sie recht hat.
Neo und ich sind vor Jahren in der Arena gewesen. Nicht heute, sondern vor Jahren.
Elina war nicht dort und wenn, dann wäre sie jetzt tot, denn ich habe gewonnen und Neo ist gestorben.
Ich lasse sofort von dem Mädchen ab.
"Es tut mir Leid.. Ich.. Ich wollte dir nicht weh tun.", presse ich zwischen meinen Lippen hervor und starre zu Boden.
"Hast du nicht. Aber es wäre schön, wenn du von mir runter gehst.", antwortet sie mit einem gezwungenen Lächeln.
Hastig steige ich von ihr herunter und fahre mir mit den Händen durch die Haare.
"Tut mir Leid.", brumme ich noch einmal. Es ist mir peinlich, dass ich nicht sofort gemerkt habe, dass ich geträumt hatte.
"Man hast du nen harten Schlag.", beschwert Lucan sich und gesellt sich zu uns. "Wieder alles okay?"
"Sie hatte eben einen Albtraum. Und die Nerven liegen bei uns allen blank.", meint Elina und blickt mich wieder an.
"Willst du darüber reden?"
Eigentlich will ich nicht. Schon gar nicht über die Zeit in der Arena.
Ich bin zwar keine Siegerin, die traumatisiert ist, zumindest nicht hochgradig, aber ich habe aufgehört mich wegen meines Sieges in den 69. Hungerspielen zu brüsten. Es ist nichts mehr, auf das ich wirklich stolz bin. Letztendlich hat mich mein Sieg doch hierhergebracht. Ich sitze nur deshalb hier fest, weil ich eine Siegerin bin.
Trotzdem weiß ich, dass es mir gut tun wird darüber zu sprechen. Und wenn es nur der Traum ist, den ich Elina erzähle. Und ob Lucan das nun hört oder nicht ist mir völlig egal, denn darauf kommt es nun wirklich auch nicht mehr an.
"Ich bin zurück in den Spielen gewesen.", sage ich mit leiser Stimme und blicke auf meine Hände hinab.
Ich habe erwartet, dass Elina etwas sagt, doch Lucans Stimme lässt mich nach oben blicken.
"Ich schlafe gleich ein. Löst du mich ab Reva?", fragt er und täuscht ein Gähnen vor. Ich unterdrücke den Drang laut zu lachen und nicke. Leise zieht er sich zurück und lässt uns allein.
"Ich war nie in den Spielen, war aber mehr mit ihnen konfrontiert als mir lieb ist.", sagt Elina nachdem wir beobachtet haben, dass Lucan sich hingelegt hat. "Es wäre gelogen zu sagen, dass ich weiß, wie du dich fühlst. Die Wahrheit ist aber, dass ich es mir vorstellen kann und deshalb erahne, wie es dir jetzt gehen muss. Es tut mir Leid."
Ein bitteres Lachen verlässt meine Lippen.
"Manchmal wünsche ich mir, dass ich an Neos Stelle gestorben wäre. Das alles hier, das habe ich nie gewollt. Ich wollte nie auf der Flucht sein. Ich wollte nicht verfolgt werden und schon gar nicht, dass Kael stirbt. All das, das habe ich mir nicht ausgemalt als ich mich für die Spiele gemeldet habe. Und jetzt sieh mich an. Seit Jahren habe ich nicht mehr von Neo und den Spielen geträumt und jetzt? Jetzt wo ich es mir eigentlich nicht leisten kann die Nerven zu verlieren träume ich wieder? Das ist selbst für mich ein bisschen viel."
"Du bist nur ein Mensch. Natürlich gehen dir die Nerven durch und natürlich ist dir das zu viel. Ich habe schon ein paar Mal aufgegeben, weil ich das nicht mehr durchmachen wollte. Doch ein Teil hat mich immer wieder angetrieben. Ich will diesen Albtraum nicht länger erleben müssen aber ich will auch nicht sterben. Denn dann hätte das Kapitol gewonnen. Es will dich, Damir, Sam, mich... uns alle. Aber das hier muss doch etwas wert sein, oder nicht? Wir sind so weit gekommen, während andere sterben mussten. Das muss doch einen Sinn haben?", Elinas Stimme beginnt zu brechen und ich bewundere sie für ihre Stärke.
Doch sie sieht viel zu blauäugig in all das hinein. Wir sind weit gekommen, damit hat sie recht. Doch letztendlich sind wir vom Ziel noch weit entfernt. Die Frage ist, wer am Ende noch da sein wird, denn wir alle werden es nicht schaffen.
"Mein Leben hat schon lange keinen Sinn mehr. Ich habe alles weggeworfen für ein kleines bisschen Ruhm. Doch was, wenn wir es wirklich nach Distrikt 13 schaffen? Wohin gehe ich dann? Ich habe niemanden mehr zu dem ich zurückkehren könnte.", antworte ich und fahre mir übers Gesicht.
"Wir haben alle niemanden mehr, zu dem wir zurückkehren können.", antwortet Elina. "Meine Eltern sind tot und mein Haus ist abgebrannt. Alles was ich noch habe befindet sich hier bei mir oder wartet in Distrikt 13. Wenn das alles vorbei ist hoffe ich, dass wir zusammen irgendwo neu anfangen können. Vielleicht ist das naiv, doch es ist einer der Gründe die mich weitermachen lassen."
"Das ist mehr als nur naiv. Du wirst Sam oder Damir verlieren, denn beide werden niemals im selben Distrikt leben. Sollte es noch Distrikte geben wenn der Krieg zu Ende ist. Wenn sie überhaupt unsere Reise überleben. Wenn überhaupt jemand diese Reise überlebt. Das hier ist wie in den Hungerspielen. Möglicherweise kann es nur einen Überlebenden geben.", sage ich und sehe Elina an.
"Vielleicht bin auch ich diejenige, die das hier nicht überlebt. Logisch wäre es und trotzdem will ich daran nicht denken. Ich will an keinen Tod mehr denken. Weißt du Reva, wir haben zwei Möglichkeiten. Wir können dem Tod entgegen blicken und uns die schlimmsten Szenarien dafür vorstellen oder auch wie schlimm alles sein kann, sollten wir überleben. Oder wir blicken ihm entgegen, stellen uns gleichzeitig aber vor was alles auf uns warten könnte, welche schönen Dinge passieren könnten wenn wir ihm von der Klippe springen. Ehrlich gesagt motiviert mich letzters am meisten. Ob es dann Eintritt lassen wir außen vor, aber mit diesen Gedanken lebt es sich leichter.", seufzt sie und ich unterdrücke ein Lachen.
Sie hat so viel Leid erlebt und trotzdem glaubt sie noch immer daran, dass sie irgendwo neu anfangen kann. Sieht sie denn nicht, was es mit den Siegern gemacht hat aus einer Arena herauszukommen? Denkt sie etwa, dass es ihr besser gehen wird, wenn all das hier vorbei ist? Ich blicke dem Tod realistisch entgegen, denn ich glaube keine Sekunde an eine Zukunft die glücklich für mich wird. Egal wer überlebt oder stirbt.
"Ich denke, ich werde jetzt Sam wecken und mich schlafen legen, falls du dich wieder besser fühlst.", schlägt sie vor und ich nicke. Unser Gespräch führt so oder so ins Nichts.
"Gute Nacht.", flüstere ich, greife nach meinen Messern und entsichere die Waffe.

", flüstere ich, greife nach meinen Messern und entsichere die Waffe

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt