Teil 4 - 18 | Die Suche

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Die Nacht verläuft ruhig, nichts passiert. Meine Müdigkeit ist wie weggeblasen und ich fühle mich mehr denn je an die Zeiten in der Arena zurückerinnert. Der vergangene Albtraum hilft dabei auch nicht wirklich.
Neo scheint überall präsent zu sein, auch wenn er nicht wirklich hier ist.
In den frühen Morgenstunden grellt ein markerschütternder Schrei durch unsere Lichtung und lässt Sam als auch mich nach oben schrecken. Die Waffe im Anschlag suche ich nach dem Urheber, als ich das Ziel erfasst habe erkenne ich, dass Elise aufgeschreckt ist. Sie hat geschrien.
Elina ist ebenfalls mit Pfeil und Bogen kampfbereit, während die anderen eher schlecht als recht erwachen.
"Kümmere dich um sie!", rufe ich dem Mädchen zu ehe ich an den Rand der Lichtung trete um uns abzusichern.
Ich sehe dass Elina, Lucan und auch Damir zu Elise rennen, sie zu beruhigen versuchen. Doch ihre Schreie ebben nicht ab.
Sam und ich gehen die Ränder der Lichtung ab, bis jetzt ist alles ruhig. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
"Sie muss aufhören zu schreien. Sie muss sich irgendwie beruhigen.", sage ich zu Sam als wir uns wieder in die Richtung der anderen begeben.
Meine Angst, dass die Mutationen uns finden steigt ins unermessliche. Wir sind nicht bereit gegen eine ganze Meute zu kämpfen. Dafür sind wir viel zu schwach und außer Sam, Damir und mir kann keiner richtig kämpfen. Wir würden in diesem Fall wahrscheinlich alle sterben.
"Wir können sie nicht beruhigen.", spricht Elina das Offensichtliche aus, während Damir wissen will, ob wir bereits Mutationen gesichtet haben.
"Nein, zum Glück noch nicht. Aber es ist besser wenn wir von hier verschwinden. Es ist zu gefährlich zu bleiben. Egal wo sie sind, sie haben uns wahrscheinlich längst gehört. Das Problem ist nur, wenn sie nicht aufhört zu schreien werden sie uns überall finden.", ich blicke zu dem völlig aufgelösten Mädchen und würde ihr am liebsten ins Gesicht schlagen.
Ich will mir nicht vorstellen was in ihrem Kopf vor sich geht, doch ihr Geschrei wird uns alle umbringen. Wir werden sterben, wenn sie nicht endlich ihren Mund hält.
Elina greift zu ihrem Bogen, während Tiro Elise weiterhin zu beruhigen versucht.
"Hör auf, Elise! Bitte hör auf!", er schreit genauso laut wie sie und plötzlich scheint es Wirkung zu zeigen.
Das Mädchen verstummt, rollt sich zu einer Kugel zusammen und wimmert vor sich hin.
Ich atme hörbar aus, gleichzeitig wie Elina. Die Erleichterung über die plötzliche Stille ist über die ganze Lichtung zu spüren.
"Wir müssen schnell einen Plan aufstellen, wie wir von hier verschwinden. Wir haben keine zehn Minuten würde ich schätzen.", schlage ich vor und blicke in die Runde.
"Sie wird uns keinen Schritt tun, dafür ist sie nicht in der Lage. Jemand wird sie tragen müssen.", gibt Sam zu bedenken.
"Ich trage sie.", schaltet sich sofort Lucan ein und geht neben Elise in die Knie, zieht sie in seine Arme und drückt sie an sich.
Als er aufgestanden ist geht er auch schon los, wir anderen folgen ihm. Elina und Sam am Schluss.
Nach einiger Zeit setzt Lucan das Mädchen mit einem Seufzer wieder ab. "Ich kann nicht mehr.", murmelt er und ich kann es ihm nicht verdenken.
Sie wiegt mit Sicherheit auch um die 60 Kilo und sie einen so weiten Weg tragen zu müssen ist unglaublich anstrengend. Ich allerdings kann das nicht übernehmen. Dazu bin ich nicht stark genug.
"Lasst uns eine kleine Pause machen, damit du wieder zu Kräften kommst."
Elina gibt Lucan ihre Wasserflasche, welche er dankbar entgegen nimmt.
"Wir können sie nicht alle der Reihe nach tragen. Dann ist jede von uns erschöpft und wenn es dann zu einem Angriff kommt, haben wir keine Chance. Vielleicht sollten wir hier bleiben und die Gegend absichern?", fragt Tiro in die Runde.
"Ich denke er hat recht.", stimmt Elina ihm zu. "Wer soll sie als nächstes tragen? Damir? Dann fällt ein Kämpfer aus, weil er die Kraft dazu dann nicht mehr hat. Bleiben wir hier! Ich kann auch auf einen Baum klettern und Wache halten."
"Solange sie nicht wieder zu schreien beginnt habe ich nichts dagegen.", murmele ich und will mich nach Elise umsehen. Allerdings liegt sie nicht mehr dort, wo Lucan sie abgelegt hat.
"Wo ist sie?"
Kaum habe ich meine Frage gestellt, beginnt unsere Gruppe unruhig zu werden.
"Elise!", schreit Lucan aufgebracht und rennt los. Tiro hinterher.
"Na großartig. Schöne scheiße! Wir müssen sie finden.", flucht Damir und rennt in eine andere Richtung. Ich halte es nicht mehr aus nichts zu tun und laufe ihm nach.
Er hat recht.
Wir müssen sie finden und zwar so schnell wie möglich. Auch wenn ich wenig Hoffnung habe, dass es uns gelingen wird. Sie ist verwirrt, allein, panisch. Sie wird sich niemals zeigen und irgendwann entweder verdursten, verhungern oder von einer Mutation getötet. Doch ich kann sie auch nicht einfach so aufgeben. Das würde ich mir selbst wohl nie verzeihen.
"Elise! Elise, wo bist du?", ruft Damir durch den Wald, während ich auch die Stimmen der anderen hören kann.
Wir machen viel zu viel Lärm. Nicht mehr lange und die Mutationen werden uns einholen.
Trotzdem können wir sie nicht finden. Egal wie laut wir auch rufen. Elise ist wie vom Erdboden verschluckt.
"Es ist unfassbar. Wie schnell kann sie denn laufen?", murre ich.
"Sie ist verwirrt und panisch. Wer weiß was für Kräfte das in ihr hervorruft. Oder sie ist auf einen Baum geklettert. Keine Ahnung wie und keine Ahnung ob wir sie überhaupt je finden werden aber..", er verstummt und ich blicke ihn an.
"Aber wir müssen sie suchen.", beende ich seinen Satz und er nickt.
"Wir hätten Elina, Tiro und Lucan darauf gefasst machen müssen, dass wir sie tot finden.", rutscht es mir heraus. Und Damir blickt mich betroffen an.
"Du solltest nicht so negativ denken, nach all dem was du überstanden hast. Oder besser gesagt, nach allem was wir gemeinsam überstanden haben."
Ich lache auf. "Beinahe dasselbe hat Elina mir auch gesagt. Aber ich habe irgendwo auf meinem Weg zwischen den Hungerspielen und meiner Flucht das positive Denken verloren.", ich zwinkere und er grinst mich an.
Gerade wollen wir weiter gehen, als ein anderer Schrei unsere Aufmerksamkeit erregt.
Es ist kein Schrei nach Elise und es ist auch nicht Elise selbst. Es ist Elina. Sie schreit.
Und sie schreit um Hilfe.

Und sie schreit um Hilfe

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt