Teil 4 - 23 | Weitergehen

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Nachdem ich meine Arbeit beendet habe und wir uns eine Weile ausgeruht haben, beschlossen wir einstimmig den Ort zu verlassen, an dem wir Damir begraben haben.
Ich denke, dass dies auch die beste Lösung für Elina ist, darüber hinweg zu kommen, dass er für immer fort sein wird. Auch wenn ich sicher bin, dass sie noch eine Weile daran zu arbeiten hat.
Ich kann auch Sam ansehen, dass er leidet. Es liegt weniger daran, dass Damir tot ist, sondern an der Art, wie Elina damit umgeht. Sie wirkt völlig neben sich, als hätte sie nicht nur Damir verloren, sondern auch sich selbst. Das scheint ihm sehr zu schaffen zu machen, auch wenn er so tut als hätte er mit so etwas rechnen müssen. Es ist schmerzlich für ihn zu sehen, wie viel Damir Elina eigentlich bedeutet hat. Sam scheint es irgendwie in seiner Verliebtheit verdrängt zu haben, dass es ihn tatsächlich gibt. Oder besser, dass es ihn in Elinas Leben gibt.
So quält auch er sich unseren Weg entlang. Es ist sehr still geworden in unserer Gruppe. Niemand spricht, jeder hängt seinen Gedanken nach. Es gibt kaum noch Worte, die wir wechseln könnten. Jeder hat jemanden verloren, der ihm wichtig war. Sogar Tiro spricht nicht, obwohl er eigentlich immer gute Laune verbreitet hat.
Die Zeiten, in denen wir gelacht und unbeschwert gewesen sind, sind nun endgültig vorbei. Der Krieg hat uns gefangen genommen und wir wissen, dass es kein Entkommen gibt.
Jeder von uns scheint darauf zu warten, dass uns erneut eine Mutation oder Friedenswächter angreifen. Dass wir kämpfen müssen und dass wir jemanden verlieren werden.
Selbst hier im Wald kann man sich keine Sekunde mehr sicher fühlen und diese Angst, die in den Distrikten herrscht, hat sich nun komplett auf uns übertragen.
Ich kann es fühlen, wie sie langsam Gestalt in unseren Köpfen annimmt und uns zu lähmen beginnt. Wir wissen nicht wohin wir uns wenden sollen. Wir wissen nicht, ob wir jemals an unserem Ziel ankommen werden.
Noch nie habe ich mich so sehr an die Zeiten in der Arena erinnert, als gerade.
Es fühlt sich genau so an.
Wir sind junge Menschen auf dem Weg an ein Ziel, das wir vielleicht nicht unser ganzes Leben verfolgt haben, und doch wird das Ziel unseren weiteren Weg bestimmen. Doch ob wir jemals dort ankommen werden oder sterben, hängt von unseren Fähigkeiten ab.
Der Wald lässt eine Gänsehaut über meinen Arm jagen, wenn meine Gedanken an die Arena zurückschweifen.
So hatte er ausgesehen.
So ist es damals gewesen.
Nicht, dass ich zu der Zeit Angst gehabt hätte. Nein. Ich wusste, dass ich gewinnen würde und dass ich mein Leben behalten würde. Heute jedoch sehe ich ganz anders auf diese Zuversicht hinab. Ich bin unglaublich leichtsinnig und dumm gewesen, tatsächlich zu glauben, ich könnte überleben. Dass ich es geschafft habe, war Glück. Mehr nicht.
Ich war völlig überheblich und habe mich mehr als einmal völlig überschätzt.
Hier und jetzt bin ich mir nämlich nicht mehr sicher, ob ich lebend in Distrikt 13 ankomme.
Ich bin nicht mehr so überheblich, nicht mehr so selbstsicher. Auch wenn ich weiß, dass ich mit Messern umgehen kann, dass ich schießen kann und dass ich kämpfen kann. Doch viel mehr ist es auch nicht.
Ich kann nur mich selbst schützen, und vielleicht noch eine weitere Person. Aber für mehr reicht es nicht. Es werden wieder Menschen sterben. Sollte Elina weiterhin kein Wort reden und sich zurückziehen, werden wir bald vor einer Elise-Ähnlichen Situation stehen. Nur dieses Mal werden weder Sam noch Tiro dafür sein, sie zurück zu lassen, sollte sie abhauen. Ich blicke sie einen Moment an und kann sehen, wie sehr sie mit sich und der Situation zu kämpfen hat.
Gleichzeitig jedoch spüre ich, dass sie mehr Lebenswillen in sich hat, als dass sie so einfach aufgeben wird. Zumindest bin ich sicher, dass man sie überzeugen kann, weiter zu machen.
Anders wie bei Elise.
Sie hat schon so viel durchgemacht. Sie hat die Hölle erlebt. So viele Freunde sterben sehen. Ihr Wille, dieses Ziel, welches sie gemeinsam hatten, zu erreichen ist groß genug. Sie wird weiter machen.
Doch zunächst muss man sie davon überzeugen, dass es etwas gibt, für das es sich lohnt weiter zu machen. Die Frage ist nur, bin ich die Richtige dafür oder sollte lieber Sam mit ihr reden?
Ich komme nicht dazu, mir weitere Gedanken über diese Frage zu machen, denn Trio und Lucan, welche vorne gegangen sind, haben angehalten.
Entweder lauert uns etwas auf oder wir sind an einer Sackgasse angelangt.

Entweder lauert uns etwas auf oder wir sind an einer Sackgasse angelangt

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt