"Setz dich doch.", richtet Jorahs Vater das Wort an mich und deutet auf einen Stuhl, während er sich mir gegenüber platziert.
"Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Merlo und das ist Josy.", er deutet auf die Frau, welche sich neben ihn setzt.
"Meinen Namen kennt ihr ja schon.", antworte ich und versuche mir meine Aufregung und die Unbehaglichkeit in diesem Raum eingesperrt zu sein, nicht anmerken zu lassen.
"Nun, wir beide sind für diesen Sektor von Distrikt 8 verantwortlich. Ich denke das hast du längst gemerkt. Daher müssen wir dir zunächst ein paar kleine Fragen stellen. Vor allem aber ist wichtig für uns zu wissen aus welchem Grund du geflohen bist und woher du eigentlich kommst."
Er wirkt angespannt und die tiefen Ringe unter seinen Augen deuten darauf hin, dass er länger nicht gut geschlafen hat. Die Rebellion scheint nicht nur mich auszuzehren, sondern auch diejenigen, die nicht auf der Flucht sind.
Ich seufze.
Hat es denn Sinn zu verbergen wer ich bin? So viele Menschen laufen hier in Distrikt 8 herum, irgendwann würde mich jemand erkennen.
"Mein voller Name ist Reva Scott und ich komme ursprünglich aus Distrikt 2.", meine Stimme klingt tonlos als ich meine Identität preis gebe.
Merlo hebt überrascht seine Augenbrauen, doch ich kann nicht sagen was ihn überrascht hat. Mein Name oder die Tatsache dass ich aus Distrikt 2 geflohen bin. Vielleicht aber auch beides.
Josy hingegen wirkt keineswegs überrascht.
"Die Flut an Siegern scheint nicht abzuebben.", sagt sie und lächelt dabei, doch ich verstehe den Sinn dahinter nicht.
"Den Berichten zu Folge ist es in Distrikt 2 noch ruhig. Die Menschen dort halten zum Kapitol, sie rüsten auf. Wieso bist du von dort weg?"
"Liegt das denn nicht auf der Hand? Ich bin eine Siegerin. Genau wie Katniss Everdeen eine ist. Denkt ihr wirklich, dass sie uns aus Distrikt 2 verschont haben, nur weil wir dort wohnen? Ich hatte vielleicht zwei Minuten Zeit, um wegzukommen und musste mit ansehen, wie mein ehemaliger Mentor und guter Freund abgeführt wurde. Weil er des Verrats bezichtigt wurde. Verrat! Ich habe Glück gehabt, weil mein Freund ein Friedenswächter ist. Er hat geahnt, dass sich etwas zusammenbraut und hat uns Vorräte und Waffen zur Seite geschafft. Nur durch ihn kann ich jetzt hier sein und ich hoffe, dass wir uns spätestens in Distrikt 13 wieder treffen."
"Von dieser Seite aus habe ich es noch nicht wirklich betrachtet. Aber ich hatte bisher auch noch keine Zeit mit dem anderen Sieger zu sprechen."
Nun bin ich diejenige, die die Augenbrauen hebt.
"Ein anderer Sieger ist hier?"
"Ja, er ist zusammen mit einer größeren Gruppe gekommen. Jedoch musste man sich zunächst um ein Mädchen kümmern, die beinahe an einer Blutvergiftung starb."
Ich nicke, wenn sie genauso wie ich von Mutationen angegriffen wurden, wundert es mich nicht. Ich habe auch nicht viel Medizin in meinen Vorräten. Wahrscheinlich wäre ich gestorben, hätte ich die Blutvergiftung bekommen.
Josy setzt an, um etwas zu sagen, doch die Tür wird aufgerissen und zwei Männer stehen vor uns.
"Es gibt eine Übertragung aus Distrikt 2!", sagt einer der beiden.
Irritiert blicke ich auf und bevor ich darüber nachdenke, rede ich schon los.
"Aus Distrikt 2? Zu welchem Anlass? Wieso?"
Nun ist es der Mann, der mich irritiert ansieht, doch Marlo unterbricht eine Diskussion, die vielleicht entstanden wäre, indem er aufsteht.
"Danke Bjon für die Info und schön dich gleich wieder zu treffen Sam. Hat er dir alles gezeigt?"
Der andere Mann, Sam, lächelt und nickt.
"Ich denke das wird dich auch Interessieren Reva. Schließlich kommst du von dort."
Ich nicke sofort und Marlo deutet mir ihm zu folgen. Ebenso wie Josy, Bjon und Sam.
Wir gehen nur zwei Türen weiter in einen großen Raum mit einer riesigen Leinwand. Unglaublich viele Menschen haben sich bereits versammelt und wir kommen gerade rechtzeitig um die Hymne Panems zu hören. Dann wird das Bild auf Distirkt 2 gerichtet.
Auf den ersten Blick sieht es aus als wäre es eine Übertragung der Ernte. Beinahe der ganze Distrikt scheint versammelt zu sein und schien auf etwas, das im Justizgebäude war, zu warten.
Nur die sehr stark bewaffneten Friedenswächter zerstören das Bild, sie machen daraus etwas bedrohliches. Hier ist etwas im Gange, das nicht normal ist.
Die Tür wird geöffnet und Jon tritt an das vorne aufgebaute Mikrofon. Sein Gesicht wird groß gezeigt und ich kann erkennen, dass er müde aussieht. Sehr müde.
"Aufgrund der jüngsten Ereignisse möchten wir deutlich machen, dass wir niemanden dulden, der sich den Rebellen anschließt, Rebellen unterstützt oder in irgendeiner Weise dem Kapitol die Treue verwehrt. Dies wird ein Exempel sein. Als Warnung für all diejenigen, die ein ähnliches Verhalten vielleicht in Betracht ziehen. Diese Männer, früher einmal Friedenswächter, haben sich des hochgradigen Verrats schuldig gemacht. Sie haben Menschen geholfen zu fliehen, sich gegen das Kapitol gewandt oder in sonstiger Art, dem Kapitol den Rücken gekehrt.", er deutet auf die Männer, welche hinter ihm hereingeführt werden. Sie haben alle gesenkte Köpfe und hinter dem Rücken verbundene Arme.
Jeder einzelne muss sich hinknien. Keiner hebt den Kopf.
"Heute werden wir Distrikt 2 und ganz Panem zeigen, was mit Verrätern dieser Art geschieht."
Er stellt sich in die Reihe der Friedenswächter, die hinter den angeklagten Männern stehen und entsichert und lädt seine Waffe.
Mein Mund bleibt offen stehen als ich verstehe was sie vor haben.
"Sie werden die Männer erschießen?", entweicht es mir mit hoher Stimme und ich beginne zu zittern.
Ehemalige Friedenswächter, die Menschen geholfen haben zu fliehen.
Nein.
Kael hat sich niemals erwischen lassen.
Niemals.
Reihum tun es die Friedenswächter Jon nach, und einer nach dem anderen zielt auf den Hinterkopf des vermeintlichen Verräters.
Acht Männer.
Einer nach dem anderen wird getötet.
Bis Jon an der Reihe ist, mit dem Letzten, der hingerichtet werden soll.
Dieser jedoch, lässt seinen Kopf nicht gesenkt. Er blickt auf und direkt in die Kamera.
Mein Herz bleibt stehen als ich sein Gesicht erkenne.
Und der Schrei der meinen Lippen entweicht ist nicht mehr aufzuhalten.
Tränen verschleiern mir die Sicht, noch ehe Jon den Abzug betätigt. Meine Knie geben nach und ich schaffe es nicht mehr aufrecht zu stehen. Ich knalle auf den harten Betonboden, doch dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem Schmerz in meinem Inneren, als ich die Pistole feuern höre.
Ich kann nicht mehr denken, nichts mehr fühlen.
Alles scheint nun sinnlos zu sein.
Ich werde ihn nie wieder sehen.
Nie wieder.
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Reva Scott 4 - Die Flucht
أدب الهواةEine Explosion und die Lichter gehen aus. Abrupt enden die 75. Hungerspiele und überall herrscht Chaos. Reva ergreift daraufhin die Flucht in Richtung Distrikt 13. Eine Flucht ins Ungewisse, denn sie hat keine Ahnung was auf sie warten wird, welche...