Betretene Stille macht sich zwischen uns breit, während Lucan Kilas Augen schließt. Ich stehe auf und weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll, als Elise plötzlich zu schreien beginnt. Sie hält sich die Hände vor die Ohren, schaukelt sich vor und zurück. Tränen rinnen ihr übers Gesicht und sie scheint sich nicht mehr beruhigen zu können.
Elina sieht viel zu geschockt aus, als dass sie sich um das junge Mädchen kümmern kann und die Jungs haben sich längst damit beschäftigt, ein Grab für Kila auszuheben.
Schnell gehe ich auf das völlig neben sich stehenden Mädchen zu und schließe sie in meine Arme, wiege sie langsam vor und zurück und versuche sie irgendwie zu beruhigen. Doch ich weiß jetzt schon, dass es nicht helfen wird.
Sie schafft das alles nicht mehr. Es ist zu viel für sie.
Wäre sie in der Arena gewesen, sie hätte das Gemetzel niemals überlebt, denn ihre Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie kommt mit dem Druck, all den Angriffen und den Verlusten nicht zurecht. Und auch wenn ich mich selbst für diesen Gedanken schlagen könnte, ich wünsche mir einen Moment, dass sie gestorben wäre und nicht Kila. Elise ist uns keine Hilfe, sondern eine Last. Früher oder später wird sie sterben und ob Elina damit dann fertig wird, weiß ich nun auch nicht einzuschätzen.
Sie hat auch unglaublich viel durchmachen müssen und ist alles andere als eine geborene Kämpferin, auch wenn sie ganz mutig zu sein scheint kann ich nicht einschätzen, ob sie weitere Verluste ertragen kann oder ob sie letztendlich vielleicht ein Nervenbündel wird, wie Elise eines ist.
Nur langsam werden die Schreie von Elise leiser, das Weinen scheint aber nicht aufhören zu wollen.
Als Elina dazu kommt und sich schweigend auf die andere Seite des Mädchens sitzt, hat sie ihre Hände wieder von den Ohren genommen. Trotzdem weiß ich, dass sie wohl keinen weiteren Angriff überleben wird. Entweder lässt sie sich von einer Mutation töten oder flüchtet sich in den Wald, nur dort werden wir sie niemals finden. Sie ist verloren, das kann ich spüren. Damir bestätigt meine Sorge, als er uns darauf hinweist, dass sie durch ihren Zusammenbruch möglicherweise neue Mutationen anlockt.
Allerdings finden weder Elina noch ich irgendwelche Worte, um ihr das beizubringen. Also helfen wir ihr zum Grab ihrer Freundin zu gehen, während die Jungs Kila langsam nach unten lassen.
Elina wendet sich irgendwann ab, Elise bleibt stumm weinend davor sitzen und ich starre einfach nur auf den toten Körper, der nach und nach mit Erde bedeckt wird. Kurze Zeit später haben wir das Lager abgebrochen und gehen bis tief in die Nacht hinein durch den Wald, bis alle von uns so erschöpft sind, dass wir nicht mehr weiter können. Ich habe nicht einmal mehr mitbekommen wer Wache hält, denn mein ganzer Körper schmerzt so unendlich, dass er sich nach ein bisschen Schlaf nur so verzehrt hat.
"Reva? Reva? Kannst du mich hören?", ich reiße die Augen auf und sehe dunkle Haare und Augen vor mir.
"Neo?", meine Stimme klingt heiser und meine Kehle fühlt sich unglaublich trocken an. Ich habe Durst.
"Gott sei Dank, du bist wieder unter den Lebenden!", höre ich meinen Verbündeten sagen und ich setze mich verwirrt auf.
"Was ist passiert?"
"Eine Mutation hat dich übel erwischt. Ich dachte schon du stirbst."
Eine Mutation? Wie kann das sein? Wo bin ich hier? Wieso ist Neo hier?
"Was? Eine Mutation? Wie..? Was..?", irritiert blicke ich mich um. Mein Herz beginnt zu rasen. Ich erkenne diese Umgebung. Ich weiß wo wir sind, doch ich will es nicht wahr haben. Ich will nicht hier sein. Nicht dann, wenn es bedeutet, dass Kael und so viele andere Menschen leiden müssen.
"Reva geht's dir gut? Du bist ja völlig verwirrt. Hat sie dich am Kopf getroffen?"
"Ich.. Wie kann das sein? Wieso sind wir hier? Das ist doch schon Jahre her.", Tränen treten in meine Augen.
Was, wenn es doch keine Jahre her sind? Was, wenn all das nur Einbildung war? Elina, Sam, Damir aber auch Kaels Tod. Das alles ist nicht wahr gewesen.
Ich schlinge die Arme um meinen Verbündeten und atme erleichtert auf.
"Vergiss was ich gesagt habe. Ich bin nur einen Moment verwirrt gewesen.", ich grinse ihn an und er nickt mit einem leicht besorgten Gesichtsausdruck.
Er hilft mir aufzustehen und reicht mir meine Messer.
"Es wartet nur noch ein Gegner auf uns, dann können wir das beste Finale aller Zeiten liefern.", er grinst mich an und im gleichen Moment spritzt mir Blut ins Gesicht.
Neo knallt zu Boden, in seinem Rücken steckt ein Messer.
"NEEEEIN!", schreie ich.
Doch selbst als ich ihn auffange, weiß ich, dass er verloren ist. Er sieht mich an, mit seinen dunklen Augen und dann sieht er nichts mehr.
Ein schluchzen verlässt meine Lippen und Tränen lauf mir die Wangen hinab. Wieso? Wieso muss ich jedes mal jemanden verlieren? Warum? Und wieso habe ich mir das selber angetan? Welcher Mensch tut sich denn so etwas freiwillig an? All diese Verluste. Ich spüre wie mein Herz bricht doch gleichzeitig geht ein Schalter um. Ich werde nicht mehr weinen. Ich werde meine Gefühle nicht mehr zeigen. Nie mehr.
Langsam stehe ich auf, wische das Blut meines Verbündeten an meiner Hose ab und drehe mich um. Der Täter muss hier irgendwo sein und dieser wird bluten.
Ich gehe einige Schritte und dann, dann sehe ich sie.
Elina.
Sie lacht ein irres lachen und mein Herz scheint auszusetzen. Sie hat das getan?
"Du wirst auch noch sterben. So wie alle anderen hier.", grinst sie.
Im gleichen Moment schrecke ich hoch.
Gegenüber von mir sitzt Elina und starrt mich an. Genau wie in meinem Traum, nur dass sie dieses Mal nicht seltsam grinst. Trotzdem kann ich dieses Gefühl nicht abschütteln. Dieses Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt.
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Reva Scott 4 - Die Flucht
FanficEine Explosion und die Lichter gehen aus. Abrupt enden die 75. Hungerspiele und überall herrscht Chaos. Reva ergreift daraufhin die Flucht in Richtung Distrikt 13. Eine Flucht ins Ungewisse, denn sie hat keine Ahnung was auf sie warten wird, welche...