Teil 4 - 9 | Trümmerarbeit

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Als ich meine Augen öffne, sehe ich im ersten Moment nur Staub, Schutt und einen kleinen Lichtstrahl rechts von mir. Ich huste und wische mir übers Gesicht. Doch meine Sicht wird nicht sehr viel besser.
Mein Schädel dröhnt und ich fühle mich benommen. Über mir scheint ein Schrank oder etwas in der Art verkeilt zu sein, was mir wahrscheinlich das Leben gerettet hat, denn wäre er direkt auf mir zusammengebrochen, gäbe es mich wohl nicht mehr.
Da ich nicht aufstehen kann, rutsche ich auf den Knien in Richtung des Lichtstrahls in meiner Nähe und kann mich mit wenigen Handgriffen aus dem Schutt des zerbombten Hauses befreien.
Kaum habe ich mich zur Hälfte nach oben gehievt spüre ich starke Arme um mich herum, welche mich von hinten nach oben zerren.
Als ich mich umdrehe blicke ich in Sams Gesicht.
"Reva! Bist du okay?", fragt er und zieht mich noch ein Stück weiter in Sicherheit.
Ich hole Luft, um zu antworten, bekomme aber nur ein Krächzen heraus. Ich muss wohl ziemlich viel Staub eingeatmet haben. Da sein Blick sofort besorgt über mein Gesicht streicht nicke ich nachdrücklich. Ich fühle mich schließlich einigermaßen gut.
"Waren... waren alle im Haus?", will er dann wissen, während ich im Hintergrund Bjon nach seiner Frau schreien höre.
Ich huste kurz. Dann versuche ich erneut zu sprechen und stelle fest, dass es schon besser geht.
"Ja. Der Angriff hat uns beim Frühstück überrascht, wir sind alle in der Küche zusammengesessen. Als die erste Bombe in der Nähe einschlug hat Rosie uns zugerufen in den Keller zu gehen, ich weiß aber nicht wer es wirklich hinein geschafft hat.", antworte ich leise und drehe mich um.
Das Haus ist genau auf der Seite, in der wir uns aufgehalten haben, völlig zerstört. Ein Teil auf der anderen Seite steht noch halb, aber mit Sicherheit nicht mehr sehr lange.
Alles liegt in Schutt und Asche.
Angst steigt in mir auf, dass meine neu gewonnenen Verbündeten nicht mehr herauskommen. Dass sie alle tot sind, so wie Kael und dass ich wieder allein sein werde. Ganz allein.
"Leute, wir müssen zum Keller durchkommen!", schreit Sam im nächsten Moment und erst jetzt bemerke ich die Helfer, die herbei geeilt sind.
Sam bringt mich zu einer Frau, die mit einem Arztkoffer am Rand steht und sofort beginnt mich unter die Lupe zu nehmen, er selbst geht zurück, um weiter nach Überlebenden zu suchen.
Ich habe viele Schrammen, Aufschürfungen und eine Platzwunde an meinem Kopf, doch nichts gravierendes. Außer dass ich leichte Kopfschmerzen habe, scheint alles in Ordnung zu sein.
"Ist außer mir niemand nach draußen gekommen?", frage ich sie, während mein Puls sich beschleunigt. Was, wenn ich wirklich die Einzige bin?
"Nein. Aber die Bomben fallen meistens so, dass niemand rauskommen kann. Verletzte kann das Kapitol nicht gebrauchen.", murmelt sie und beginnt die Wunde an meinem Kopf zu behandeln.
"Ich muss ihnen helfen. Ich muss die anderen finden!", stoße ich hervor, doch sie hält mich weiterhin fest.
"Ihre Wunde muss erst versorgt werden, sonst entzündet sie sich noch.", sagt sie ruhig aber bestimmt.
Zehn Minuten stehe ich da und warte darauf, dass sie endlich von mir ab lässt. Dann gibt sie mich frei.
"Wenn Ihnen schlecht wird oder schwindlig, kommen Sie sofort zu mir. Dann haben Sie höchstwahrscheinlich eine Gehirnerschütterung."
Ich nicke und stürme sofort zu Sam, der zusammen mit Bjon gerade ein größeres Stück Wand zur Seite schiebt.
"Wie kann ich euch helfen?"
"Gar nicht. Ruh dich aus.", meint er, als eine andere männliche Stimme zu schreien beginnt.
"Hier ist jemand!", ruft er und winkt sie in seine Richtung. "Lebend!"
Bjon setzt sich sofort in Bewegung und ich laufe ihm nach, bevor Sam sich darüber beschweren kann. Wir haben beide keine Zeit zu streiten, außerdem können sie die Hilfe von mir doch gut gebrauchen.
Gemeinsam mit anderen Helfern, schiebe ich Stein für Stein zur Seite, während eine Hand immer deutlicher nach draußen gelangt, ehe wir Tiro komplett sehen können.
Erleichtert, dass er zunächst unversehrt aussieht atme ich aus.
Blinzelnd kämpfen seine Augen gegen die plötzliche Helligkeit an, ehe sich Erleichterung in seinem Gesicht spiegelt als er uns erkennt. Danach deutete er auf seine Ohren und brüllt uns an.
"Ich höre nur ein Klingeln!"
Sam und Bjon ergreifen seine ausgestreckten Arme und ziehen ihn nach oben, dann weist Bjon mich an, ihn zur Ärztin zu bringen und ich stütze ihn, um über die verstreuten Trümmer zu gehen.
Da Tiro beinahe nichts mehr hören kann, versuche ich es erst gar nicht mit einem Gespräch sondern lächle ihn nur an und setze ihn bei der Ärztin ab, welche sich sofort um ihn kümmert.
Ich drehe mich um, bevor sie mich zurück halten kann und gehe zurück zu der Stelle an der sie Tiro gefunden haben.
"Das war ganz in der Nähe des Kellers. Er muss es nur knapp nicht geschafft haben.", höre ich Bjon gerade erzählen. Dann schießt mir etwas durch den Kopf. Elina war direkt vor mir, als die Explosion das Haus zerstört hat. Sie hat es auch nicht in den Keller geschafft.
"Elina.", stoße ich hervor und die Männer wirbeln herum. "Sie.. sie war direkt vor mir. Sie hat es nicht in den Keller geschafft...", flüstere ich.
Sam wird blass, danach rennt er sofort zurück zu der Stelle, wo sie mich gefunden haben, und beginnt dort zu suchen. Er schreit ihren Namen, doch niemand antwortet.
Ich laufe ihm nach und sehe die absolute Verzweiflung in seinen Augen. Er hat unglaubliche Panik und plötzlich weiß ich, warum Damir nicht gerade begeistert davon ist, dass Elina so viel Zeit mit ihm verbringt. Sam scheint sehr viel mehr für sie zu empfinden als reine Freundschaft.
Doch diese Gedanken schüttele ich ab, es ist nicht gerade der richtige Zeitpunkt um über Beziehungsprobleme nachzudenken, schließlich könnte Elina etwas schlimmes zugestoßen sein.
"Sam. Du musst dich beruhigen. Du kannst nicht wie ein Wahnsinniger hier Geröll umherwerfen. Wir werden sie finden, aber wir müssen durchdacht vorgehen, schließlich dürfen wir keinen Fehler machen.", versuche ich ihm klar zu machen, dass er Ruhe bewahren muss.
Gemeinsam mit fünf anderen Helfern arbeiten wir einen Plan aus und jeder bekommt einen Abschnitt, den er gründlich absuchen muss, während alle restlichen gemeinsam mit Bjon den Keller freilegen.
Nach einer viertel Stunde greife ich durch einen kleinen Spalt, der es mir leichter macht, das Trümmerstück zur Seite zu schieben, als ich einen dunklen Haarschopf ausmachen kann. Allerdings bin ich zu schwach, um das ganze Stück wegzuschieben.
"Elina? Elina bist du das?", rufe ich hinunter.
"Hallo? Ist da jemand?", höre ich ihre gedämpfte Stimme durch den Schutt und atme erleichtert auf. Elina ist am Leben.
"ICH HAB SIE GEFUNDEN!", brülle ich und sofort ist Sam da, um mir zu helfen das Stück Schutt zur Seite zu schieben.
Als wir sie frei geschaufelt haben, legt Sam sofort die Arme um sie und will sie nach oben ziehen, doch sofort sehe ich, dass etwas nicht stimmt, als sie auch schon zu schreien beginnt.
"Mein Bein steckt fest.", ruft sie und ich knie mich auf den Boden.
"Ich könnte in die Lücke passen und versuchen das Bein frei zu machen.", sage ich zu Sam und er nickt.
Also hilft er mir nach unten zu klettern, zunächst setze ich mich aber neben Elina, die den Tränen nahe ist.
"Ist alles in Ordnung mit dir? Geht es dir sonst gut? Brauchst du irgendwas?", schreie ich sie an, weil sie wahrscheinlich genau wie Tiro kaum etwas hören kann.
"Ich kann dich nicht hören.", ruft sie zurück und ich nicke. Doch sie scheint in Ordnung zu sein, also beginne ich ihr zu helfen, das Bein frei zu bekommen.
Als es geschafft ist gebe ich Sam ein Zeichen sie nach oben zu ziehen, doch da packt Elina meinen Arm.
"Da liegt noch jemand. Ich konnte nur die Hand sehen und die hat sich nicht bewegt.", schreit sie und ihre Augen füllen sich mit Tränen.
"Wir kümmern uns darum. Sam! Da unten ist noch jemand, aber die Hand, die Elina gesehen hat, hat sich nicht bewegt.", ich sehe ihn von oben besorgt die Stirn runzeln, dann lehnt er sich nach vorn um Elina nach oben zu ziehen.
Ich sehe mich in der Nische um und entdecke die Hand, welche leblos eingeklemmt liegt. Ich bin mir sicher, dass die Person, der diese Hand gehört, den Angriff auf keinen Fall überlebt hat.

 Ich bin mir sicher, dass die Person, der diese Hand gehört, den Angriff auf keinen Fall überlebt hat

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt