Teil 4 - 27 | Die Flucht

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Ich setze mich langsam auf, nachdem ich meine Schmerzen einigermaßen unter Kontrolle bekommen habe. Meine Handgelenke jedoch pochen unaufhörlich weiter.
Als ich sie mir genauer anschaue sehe ich auch wieso.
Einige der Holzsplitter haben sich hineingebohrt. Als ich eines nach dem anderen herausziehe quellen Tränen aus meinen Augen, doch kein Laut kommt über meine Lippen.
Sie sollen nicht merken, dass ich schon wach bin, wenn überhaupt Wachen vor meiner Tür postiert sind.
Als meine Handgelenke, nun wieder blutend, befreit sind, lehne ich mich erschöpft gegen die Wand. Mein Körper kann kaum mehr etwas ertragen. Und ich muss noch gegen einen erwachsenen Mann kämpfen, der genügend zu Essen, zu trinken und keine Prügel bezogen hat.
Ich blicke mich nach einem etwas größeren Holzstück um und kann sogar zwei Stück entdecken, die sich als Waffen eignen würden.
Sehr langsam bewege ich mich zuerst zum einen und dann zum nächsten Teil, um sie an mich zu nehmen und näher zu betrachten. Natürlich sind sie nichts im Vergleich zu den Messern und der Pistole die ich vor meiner Ergreifung hatte, doch besser als nichts.
Ich stöhne erleichtert auf, als ich wieder gegen die Wand gelehnt bin und mein Körper so gut wie entlastet ist.
Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffne ist mein Kopf auf meine Schulter gelehnt und mein Nacken verspannt.
Langsam bewege ich mich und spüre noch immer meine geschundenen Knochen, doch die Ruhe hat ihnen gut getan. Mein Körper scheint zu wissen, dass ich Kräfte brauche und die wird er mir nun wohl geben müssen.
Ich schaue mir die beiden Holzstücke genauer an, nehme ein Drittes dazu und bearbeite sie damit so gut es eben möglich ist. Der Versuch, sie schärfer zu machen, gelingt zwar nicht unbedingt gut, aber ich bin mit meinen Ergebnissen zufrieden.
Wenn ich nah genug an jemanden herankomme, kann ich demjenigen das Holzstück direkt ins Herz rammen. Der Tod müsste sofort eintreten, wenn ich zielgenau zustoße.
Wieder schließe ich meine Augen und fahre mir übers Gesicht.
Wird das Töten jemals aufhören? Werde ich jemals ein normales Leben führen können? Ohne dafür entweder hochgelobt oder gehasst zu werden, was ich in meiner Vergangenheit getan habe?
Mein Herz schlägt schneller bei dem Gedanken, was die Menschen hier alles mit mir machen könnten, wenn sie es nur wollten.
Und ich weiß auch, dass ich nur eine Person wirklich sicher überwältigen kann. Sobald sie zu zweit sind, bin ich erledigt. Dann habe ich keine Chance, egal wie sehr ich mich auch wehren möchte.
Hilflos sitze ich da und fühle mich wie ein Tier in der Falle. Meine gesamte Hoffnung liegt darauf, dass der Mann, der mich zu Anfang gequält hat, erneut alleine zu mir kommt.
Nur dann habe ich die Chance zu entkommen. Auch wenn ich damit nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das meiner Freunde riskiere, muss ich versuchen ihn zu überwältigen und abzuhauen.
Ich kann nicht länger hier sitzen, ohne zu wissen, ob sie vielleicht nicht doch schon alle tot sind.
Tot, weil ich sie in Gefahr gebracht habe.
Weil ich eine Siegerin bin.
Wut steigt in mir auf. Ich bin nicht so erzogen worden zu heulen, Angst zu haben oder mich hilflos zu fühlen. Ich bin eine Kämpferin und ich werde mir den Weg frei kämpfen. Ich werde kämpfen und ich werde siegen, so wie ich es schon einmal getan habe.
Ich umklammere meine provisorischen Waffen und rappele mich auf. Mein Körper fühlt sich an, als gehöre er gar nicht zu mir daher versuche ich es zunächst mit einigen wenigen Dehnübungen, die mir bereits alles abverlangen. Doch für Gejammer und Gestöhne habe ich keine Zeit. Irgendwie muss ich schließlich gegen diesen Typen antreten.
Trotzdem höre ich nach wenigen Übungen auf, denn ich weiß, dass meine Kräfte nur begrenzt sind. Das muss ausreichen, um ihn irgendwie platt zu machen.
Entschlossen stelle ich mich so hinter die Tür, dass er mich im ersten Moment nicht sehen kann. Nur dann habe ich eine Chance auf einen Überraschungsangriff.
Ich muss nicht lange warten, denn viel schneller als ich es erwartet habe klickt das Schloss meiner Zelle und die Tür wird geöffnet.
"Na, Siegerin. Wie schmeckt es dir hier unten?", höre ich den Mann höhnen und sehe seinen Schatten eintreten. Er macht den ersten Fehler als er die Tür wieder schließt ohne ernsthaft nachzusehen, ob ich noch dort liege.
Den zweiten Fehler erkenne ich im immer dunkel werdenden Raum. Er hat keine Pistole bei sich.
Ohne lange zu überlegen stürze ich nach vorne und sehe an seinem überraschten Ausdruck, dass er nicht damit gerechnet hat, mich derart wach und kämpferisch vorzufinden.
Ich ramme ihm das Holzstück direkt in den Hals, nicht ins Herz, wie ich es ursprünglich geplant hatte, und weiß, dass es eine bessere Idee gewesen ist. Er beginnt sofort zu gurgeln und ich höre, wie er an seinem eigenen Blut erstickt. Er hat keine Chance.
Ich ziehe die Waffe aus seinem Hals, schnappe mir seine Schlüssel und öffne meine Tür einen Spalt.
Ich bin frei.

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt