Teil 4 - 20 | Ich kann nicht zurück

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Elise ist nicht mehr aufgetaucht und auch Lucan hat sie in der Zeitspanne nicht finden können, während wir darauf gewartet haben, dass es Sam besser geht. Das ist auch der Grund weshalb er seit zwei Tagen nicht mehr mit uns redet. Mit niemandem.
"Die Salbe wirkt super, man sieht kaum noch etwas. Trag doch etwas auf deinen Kratzer auf, der ist sicher gleich verschwunden.", höre ich Sam zu Tiro sagen als wir gerade eine Pause eingelegt haben.
Elina, Damir und ich braten, während sie sich über die Wirkung von Salben unterhalten, zwei Eichhörnchen.
Der Geruch des Fleisches lässt meinen Magen leise rumoren.
"Ich hab solchen Hunger. Hoffentlich sind die bald durch.", höre ich Damir sagen, während er zu Elina blickt und sie anlacht.
"Was gäbe ich alles für einen geräucherten Fisch."
"Hör auf!", beschwert sich Elina augenblicklich und bewirft ihn mit Blätter. Doch sie grinst ihm dabei zu, als wären sie ungestört. "Allein der Gedanke daran lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen."
Die Vertrautheit der beiden hinterlässt in mir ein seltsames Gefühl. Ich fühle mich, als würde ich sie in einem intimen Moment stören, auch wenn sie nur Erinnerungen an Distrikt 4 austauschen.
Sofort wenden sich meine Gedanken Kael zu und im gleichen Moment durchzuckt mich wieder der Schmerz, dass ich ihn nie wieder sehen werde.
Nie mehr.
Ich schlucke schwer und drehe das Eichhörnchen vor mir etwas zu gewaltsam auf die andere Seite. Wenn ich könnte, würde ich sofort nach Distrikt 2 und Jon einen unfassbar qualvollen Tod sterben lassen. Doch stattdessen verstecke ich mich in einem Wald, ohne zu wissen ob meine Reise jemals gut enden wird.
"Ist es schön in Distrikt 4?", frage ich gedankenverloren und ohne meinen Blick vom Feuer zu wenden.
"Ja. Das Meer ist schön. Und der Strand. Es gibt dort viele wundervolle Plätzchen.", antwortet Elina. "Am Ende war es da nicht mehr so schön. Und ins Meer konnte man auch nicht mehr gehen, da die Haimutationen dort alle Fluchtmöglichkeiten verhindern ließen.", erzählt sie weiter. "Ich bin einmal einem begegnet. Mehr oder weniger. Finnick und ich sind einem begegnet. Mehr oder weniger. Wir sind sofort aus dem Wasser gestürzt und er kam uns nicht zu nahe, aber es war trotzdem ein bleibender Eindruck. Sollten wir also jemals wieder nach Distrikt 4 kommen, dan murksen wir alle Viecher ab und gehen eine Runde schwimmen.", ich blicke nach oben und sehe Elina schmunzeln.
"Ich werde nie nach Distrikt 2 zurückkehren. Vielleicht helfe ich dir ja dabei die Mutationen zu töten.", antworte ich und lächle sie an.
Der Gedanke nicht mehr zurück zu kehren lässt in mir Hoffnung wachsen, dass ich doch irgendwo auf dieser Welt wieder glücklich werden kann. Ohne dass ich von irgendwelchen unangenehmen Erinnerungen belastet werde. Ohne die Erinnerungen an mein so kurzes glückliches Leben mit Kael.
"Das hoffe ich. Ich kann nämlich nicht versprechen, dass ich wieder losrenne wenn der sein Maul aufmacht. Da kann ich jede Hilfe gebrauchen.", seufzt Elina, als die Luft von Schreien erfüllt wird. Egal wer geschrien hat, derjenige ist noch weit genug von uns entfernt. Die Frage ist nur: wie lange noch?
"Da schreit jemand um Hilfe.", sagt Tiro leise und nun kann ich auch verstehen, was gerufen wird.
Mein erster Gedanke ist es, einfach zu fliehen. Weg zu laufen. Doch ich weiß, dass es nicht das Richtige ist. Ich bin eine Kämpferin und somit habe ich große Chancen den Menschen zu helfen, die in Gefahr sind.
Also springe ich auf und bringe meine Messer und auch die Pistole in richtige Position.
"Wir müssen helfen."
Ich laufe los und die andere folgen mir beinahe augenblicklich.
Die Schreie werden immer lauter und bald kann man auch erkennen, dass eine Frau laut um Gnade fleht. Es klingt, als würde es nicht gut für sie ausgehen.
"Sollen wir uns aufteilen?", fragt Elina. "Falls es eine Falle ist oder so."
"Ja das ist eine gute Idee.", antworte ich und nicke ihr zu. "Sam und ich sollten getrennt sein. Wir sind die Einzigen mit Schusswaffen."
"Dann nehme ich Elina und Tiro mit.", meldet sich Sam und ich bleibe mit Lucan und Damir zurück.
Wir gehen in die entgegengesetzte Richtung, ich meine Pistole im Anschlag, die beiden Jungen ihre Schwerter. Die Schreie klingen nach kurzer Zeit lauter und plötzlich durchschneidet ein Schuss die Stille.
Augenblicklich entsichere ich meine Waffe, wenn dort schon eine benutzt wird, müssen wir vielleicht schnell handeln, bevor es zu spät ist.
Ich übernehme die Führung und nach wenigen Schritten kann ich an einer Stelle sehen, dass der Wald etwas lichter ist, als hätte man sämtliche Bäume ausgerissen. Die Lage scheint aussichtslos.
Ein Mann liegt am Boden, wahrscheinlich tot. Eine Frau kniet weinend zu Füßen eines Friedenswächters, der sie an den Haaren zieht und somit zwingt ihn anzublicken.
Zwei weitere Friedenswächter stehen um die Szenerie herum.
Zum Abwarten bleibt keine Zeit. Die Frau ist so gut wie tot, wenn wir uns weiterhin verstecken.
Dann ertönt ein weiterer Schuss und der Friedenswächter klappt zur Seite. Sam muss geschossen haben.
Sofort herrscht Trubel. Die Friedenswächter rufen durcheinander. Einer läuft in die Richtung, aus der Sam geschossen hat und ich hoffe einfach nur, dass sie sich retten können.
Doch an mehr kann ich nicht denken.

Doch an mehr kann ich nicht denken

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt