Teil 4 - 29 | Weit weg

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Wir starren uns wenige Sekunden an, als einer der Männer Elina zu mustern beginnt und dabei seinen Kollegen anstößt. Irgendetwas muss ihn an ihrem Anblick stören. 
"Wieso hast du einen Bogen Mädchen?", fragt er. Erschrocken ziehe ich mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht. 
"Weil ich damit kämpfe.", antwortet Elina selbstsicher. "Damit bin ich treffsicherer als mit beispielweise einer Pistole."
Nervös blicke ich zu Boden. Ein Bogen in Distrikt 6? Nicht sehr realistisch. 
"Wo hast du ihn her? Wir haben hier keinen Pfeil und Bogen.", bestätigt der Mann meine Vorahnung. 
"Spezialanfertigung. Sie ist ein riesen Fan von Katniss Everdeen. Ihre Tante aus dem Kapitol hat sie ihr geschickt.", lügt Tiro den Männern dreist ins Gesicht. Es wundert mich immer wieder, woher er diese schlagfertigen Antworten hat.
"Tante aus dem Kapitol?", wiederholt jedoch einer der Männer prompt die Ausrede.
Aus den Augenwinkeln kann ich erkennen, dass keiner der beiden ihre Waffen gesenkt haben. Sie glauben uns kein Wort.
"Ja, ihr Vater war ein Friedenswächter von dort. Wurde abgezogen und hat seine Familie hiergelassen. Er war nicht unbedingt ein Superdad.", antwortet Tiro noch immer wie aus der Pistole geschossen. 
Doch die Männer scheinen ihn gar nicht wirklich zu beachten, stattdessen beginnen sie zu tuscheln und blicken immer wieder herüber.
"Das Mädchen aus Distrikt 4 hatte einen Bogen dabei. Von der Zahl müsste es passen.", sagt einer daraufhin und als anschließend ihre Blicke zu mir übergehen weiß ich, dass wir verloren haben. 
"Hey, du! Zeig uns dein Gesicht."
"Tante aus dem Kapitol? Auffälliger gings nicht, oder?", zischt Lucan neben mir in Richtung Tiro, der entschuldigen die Arme nach oben wirft. 
Dann geht alles unfassbar schnell. 
Sam feuert einen Schuss auf eine noch intakte Straßenlampe, die sofort tausende Scherben auf die beiden Männer herunterregnen lassen. Der kurze Moment an Ablenkung reicht für uns, um durch die nächsten Gassen zu rennen, um irgendwie davon zu kommen. 
"Wohin? Wohin?", schreit Lucan Sam an. 
"Keine Ahnung!", brüllt dieser zurück. "Einfach in Bewegung bleiben. Wer ein Versteck sieht, rennt darauf zu."
Doch wie schnell klar wird, ist dieses in Bewegung bleiben nicht so einfach umzusetzen wie es klingt. Der halb zerstörte Distrikt ist keine Hilfe, wenn man eigentlich davon laufen will. Die Trümmer und der Schutt überall auf den Straßen verhindern, dass wir tatsächlich schneller voran kommen. Gleichzeitig kennen sich unsere Verfolger sehr viel besser aus. Wir haben überhaupt keine Ahnung wohin wir eigentlich laufen und die beiden Männer sind uns dicht auf den Fersen, dessen bin ich mir mehr als nur bewusst. 
Mein Herz rast, während wir durch die Gassen laufen und versuchen den Trümmern und Schutthaufen auszuweichen. Ganz in unserer Nähe entdecke ich ein beschädigtes Haus, hinter dem eine Gasse entlang läuft. Gerade als ich die anderen darauf aufmerksam machen will kommt Elina vor mir plötzlich ins Wanken und knallt zu Boden.
Sie unterdrückt einen Schmerzensschrei und wirbelt noch auf dem Boden herum.
Ich packe sie am Arm und ziehe sie nach oben, um mit ihr zu einem der zerstörten Häuser zu laufen. 
"Nein, das ist eine Sackgasse!", höre ich sie hinter mir schreien, doch wir haben keine andere Wahl, ansonsten erreichen sie uns. 
Wir laufen die Treppe des Hauses nach oben und versuchen ein geeignetes Versteck zu finden. Als wir gerade in das vermeintliche Schlafzimmer eintreten sind jedoch bereits Schritte auf der Treppe zu hören. Sie werden uns töten, wenn ich jetzt nichts unternehme. 
"Halt dich versteckt!", flüstere ich Elina zu und ziehe eines meiner Messer. Dann atme ich einen Moment tief durch um mich an der Tür zu platzieren. 
Sobald sie diese öffnen, ist einer von ihnen fällig. Sie können nicht zu zweit herein kommen. 
Mir ist klar, dass ich nicht gegen beide gewinnen kann, doch Elina wird einen kühlen Kopf behalten. Sie kann es, davon bin ich überzeugt. 
Ich umklammere das Messer fester und schon öffnet sich die Tür. Mit meinem gesamten Körpergewicht werfe ich den Mann um und versuche mein Messer in seinem Körper zu versenken. Doch ich habe nicht damit gerechnet, dass sein Partner so schnell zur Stelle sein wird. 
Kaum bin ich auf dem einen Mann gelandet, werde ich bereits wieder herunter gerissen. Ich habe mit meinem Messer nicht gerade den Schaden angerichtet, den ich vor gehabt habe. 
Dann saust ein Pfeil an mir vorbei in den Oberarm des Mannes und ich sehe meine Chance ihm den Garaus zu machen. Ich steche einmal zielsicher zu und weiß, dass der Mann augenblicklich tot ist. 
Gerade als ich mich dem anderen Mann zuwenden will sehe ich, dass er seine Waffe bereits gezogen hat. Der Schuss ist nicht mehr aufzuhalten. 
Elina wird sterben. 
Ohne darüber nachzudenken werfe ich mich in die Schussbahn. Es ist egal was mit mir geschieht, solange dem Mädchen aus Distirkt 4 nichts passiert. Solange sie lebt. 
Die Kugel bohrt sich in meine Brust. Elina ist sicher.
Ich spüre das Blut aus meinem Körper laufen, ohne den Schmerz wahrzunehmen. Mein Herz müht sich damit ab, weiter zu schlagen, doch ich weiß, dass es längst zu spät ist. 
Der Schrei der in meine Ohren dringt klingt gedämpft und ich sehe nach oben. Dunkle Haare hängen wirr in Elinas Gesicht. Sie schüttelt mich und ich denke, dass sie meinen Namen ruft, doch ich kann es nicht sicher sagen. 
Ein Husten verlässt meine Lippen und Blut spritzt mir aus dem Mund. 
Ich lächle das Mädchen an, für das ich mein Leben gegeben habe und erkenne zum ersten Mal, dass mein ganzes Leben eben doch einen Sinn hatte.
Ich habe vielleicht dafür trainiert mein Leben in der Arena zu retten, um Ruhm und Ehre zu erlangen. Aber jetzt, jetzt habe ich daraus einen Nutzen gezogen: ich habe ein unschuldiges Leben gerettet. Ein Mädchen, welches wert ist, für sie zu sterben. 
Ich hoffe nur, dass sie sich am Ende selbst retten kann. 
Meine Augen werden müde und ich schließe die Lider. Immer langsamer schlägt mein kämpfendes Herz. Mich verlässt jegliche Kraft und plötzlich habe ich nur noch eines im Sinn: Kael, ich komme zu dir.

 Mich verlässt jegliche Kraft und plötzlich habe ich nur noch eines im Sinn: Kael, ich komme zu dir

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Reva Scott 4 - Die FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt