Elina scheint völlig weggetreten zu sein, während ich versuche meine Tränen in den Griff zu bekommen.
Damir ist mir ein guter Freund gewesen, er war ein lieber Mensch, der es nicht verdient hat auf diese Weise zu sterben. Ich fahre mir übers Gesicht und merke erst jetzt, dass meine Hände noch immer mit getrocknetem Blut besudelt sind. Blut des Mannes, der den Tod meines Freundes verschuldet hat.
Wütend, dass etwas von diesem Mann noch immer an mir klebt laufe ich zu meinem Rucksack, nehme die Wasserflasche und leere den Inhalt auf meine Hände. Ich weiß, dass es Verschwendung ist, doch ich muss dieses verdammte Blut los werden. Ich muss es loswerden.
Noch während ich meine Finger säubere steigen mir weitere Tränen in die Augen, doch ich schlucke sie hinunter. Ich habe nicht das Recht zu weinen. Ich kannte Damir kaum. Ich muss stark sein. Stark für ein Mädchen, das mir ebenso Freundin geworden ist, wie Damir. Sam und Lucan beginnen ein Grab für Damir auszuheben, während Tiro versucht seine Schusswunde zu säubern und ihn zu waschen.
Ich bewundere ihn dafür, dass er ohne mit der Wimper zu zucken seinen Freund wäscht, als würde er noch leben.
Gerade als ich fragen will, ob ich ihm helfen kann höre ich ein seltsames Geräusch. Sofort verspanne ich mich, greife nach meiner Waffe und ziele in die Richtung, aus der das Geräusch kommt.
Dann sehe ich jedoch die Frau, der wir zur Hilfe geeilt sind. Sie muss ohnmächtig gewesen sein, denn sie blickt sich verwirrt um.
"Geht es Ihnen gut?", frage ich und stecke eilig die Waffe weg.
"Ich.. Wo ist mein Mann?", verunsichert blickt sie sich um und rappelt sich hoch.
"Er ist tot.", sage ich mit ruhiger Stimme, doch ihre Augen weiten sich.
"NEIN!", schreit sie und steht ganz auf. In Panik dreht sie sich immer wieder im Kreis, blickt mich erneut an und ich habe das Gefühl, dass sie mich jedem Moment angreifen wird.
Dann jedoch wendet sie sich ab und läuft davon.
"Warten Sie!", rufe ich ihr hinterher, doch sie stürmt einfach von mir weg in Richtung Wald. Ich will nicht wissen, was sie alles schon erlebt haben muss, um ohne ihren Mann so verzweifelt zu sein.
Nachdem Sam und Lucan schweigend das Grab ausgehoben hatten, gehe ich langsam auf Elina zu. Sie sitzt noch immer am gleichen Fleck und starrt ins Leere. Ich kann ihren Schmerz förmlich spüren, doch sagen kann ich nichts. Es würde ihr nichts helfen. Niemand würde ihr überhaupt helfen können, außer ihr selbst.
Ich gehe vor ihr in die Hocke.
"Elina, wir... wir würden ihn jetzt gerne beerdigen. Ich denke, du möchtest dabei sein.", sage ich leise aber eindringlich. Ich möchte, dass sie mich deutlich versteht. Und vor allem versteht, dass es ein Geschenk ist, dass sie sich verabschieden kann.
"Du musst. Er hat dich geliebt. Immer.", ich muss einen Moment inne halten, um mich zu sammeln. "Du hast ihn genauso geliebt und hast die Chance ihn zu begraben. Du würdest es dir nie verzeihen, wenn du nicht dabei wärst."
"Ich... ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.", sagt sie mit heiserer Stimme.
Einen Augenblick schließe ich die Augen und erinnere mich nur eine Sekunde lang daran, wie ich mich gefühlt habe, als ich Kael fallen gesehen habe. Getötet von seinem Freund. Oder jemandem, der einmal sein Freund war. Der Schmerz ist unerträglich und ich hätte jemanden gebraucht, der für mich da war.
"Ich stütze dich. Ich halte dich. Du kannst mich schlagen, anschreien, alles was du willst. Ich bin deine Stütze.", sage ich geradeheraus. Elina braucht jetzt jemanden und ich bin die Einzige, die nachfühlen kann, wie es ihr wirklich geht.
Tränen treten in ihre Augen. "Okay." Sie lässt sich von mir hochhelfen auch wenn sie sich sofort an meinen Arm klammert. Doch dafür bin ich da. Sie zu stützen.
"Du schaffst das schon. Du bist stärker als du glaubst.", flüstere ich ihr zu, während wir auf das Grab zugehen.
Sam, Lucan und Tiro warten bereits auf uns.
Schweigend gelangen wir dort an. Ich nicke den Jungs zu und bedeute ihnen still zu sein. Elina kann die Worte nicht gebrauchen, auch wenn sie tröstend gemeint waren, würden sie sie nur noch mehr daran erinnern, dass sie Damir für immer verloren hatte.
Wir hatten wieder jemanden verloren und es würde sicher nicht der Letzte sein, auch wenn ich es mir noch so sehr wünschte, es ist unrealistisch zu glauben, dass wir es schaffen würden.
Ich blicke hinab auf Damir, dessen Jacke sein Gesicht verdeckt und erinnere mich schmerzlich daran, dass ich wohl die Letzte gewesen bin, mit der er gesprochen hat.
Wir bleiben eine Weile dort stehen und niemand spricht ein Wort. Irgendwann ziehen sich die Jungs still zurück und Elina und ich bleiben allein zurück.
Einen Moment stehen wir einfach so da, dann lässt Elina mich los und macht einen Schritt nach vorn. Sie schließt ihre Augen es wirkt so, als würde sie ein Gebet für Damir sprechen. Dann dreht sie sich um und geht davon.
Ich blicke ein weiteres Mal hinab zu Damir und beschließe es alleine mit Erde zu füllen. Er ist neben Elina der Einzige Freund gewesen, den ich auf dieser Reise hatte. Das bin ich ihm schuldig.
Ich mache mich an die Arbeit und lasse dabei meinen Tränen freien lauf. Ich schluchze laut auf und mir wird plötzlich bewusst, dass ich das nicht nur für Damir tue, sondern auch für Kael. Und besonders für mich. Ich brauche das, um endlich abschließen zu können. Abschließen, mit dem Tod des Mannes den ich liebte und dem guten Freund den ich nur so kurz an meiner Seite hatte.
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Reva Scott 4 - Die Flucht
FanfictionEine Explosion und die Lichter gehen aus. Abrupt enden die 75. Hungerspiele und überall herrscht Chaos. Reva ergreift daraufhin die Flucht in Richtung Distrikt 13. Eine Flucht ins Ungewisse, denn sie hat keine Ahnung was auf sie warten wird, welche...