Am nächsten Tag können Elina und ich das Krankenhaus verlassen. Sie mit Schmerztabletten, ich mit dem Wissen, dass meine Psychische Verfassung unbedenklich sei.
Elina und Sam haben mir angeboten mit ihnen zu kommen, um die restliche Gruppe zu treffen und als wir aus der Krankenstation getreten sind, hat Damir Johnson auf uns gewartet.
Der Sieger der 73. Hungerspiele.
Nachdem wir einige Höflichkeiten ausgetauscht haben gehen wir nebeneinander her und ich frage mich, wie er es geschafft hat hierher zu kommen. Hieß es nicht er wäre als Mentor ins Kapitol gefahren?
"Wie hast du es geschafft zu fliehen? Aus dem Kapitol meine ich.", frage ich ihn, während Elina sich mit Sam unterhält.
"Avoxe. So unscheinbar und harmlos sie viele gehalten haben, in Wirklichkeit waren das wohl die ersten Rebellen. Nicht umsonst sind sie zu dem geworden, was sie jetzt sind. Sie haben einigen von uns geholfen zu fliehen. Die meisten sind aber nicht raus gekommen. Ich hatte einfach nur Glück. Dafür steh ich jetzt auf ihrer Abschussliste mit ganz oben.", antwortet er.
Ungläubig blicke ich ihn an. Ich hätte nie erwartet, dass die Avoxe sich noch immer wehren, obwohl sie längst aufs härteste bestraft und gebrochen worden sind. Doch vielleicht hat gerade das sie zu dem gemacht, was sie sind.
"Auf der Abschussliste stehst nicht nur du weit oben würde ich sagen.", lächle ich und bin zum ersten Mal froh darüber, nicht die Einzige zu sein.
Auch wenn natürlich letztlich alle potentielle Ziele sind, auf uns beide haben sie es mit Sicherheit mit am meisten abgesehen.
"Wir sind da.", verkündet Sam und ich sehe mich um.
Das Viertel in das wir eingebogen sind ist beinahe unversehrt. Die Häuser sehen noch gut aus und kaum gibt es Spuren der Bombenangriffe.
"Und hier gibt es sicher keine Friedenswächter mehr?", fragt Elina zaghaft.
"Ganz sicher.", Sams Stimme klingt fest und ich bin auch überzeugt, dass hier nirgends mehr jemand zu finden ist, der auf Seiten des Kapitols kämpft.
"Die sind schon lange weg, da sie in der Unterzahl waren. Die Angriffe kommen alle vom Kapitol selbst, nicht von einzelnen Friedenswächtern die sich hier noch verschanzt haben. Die sind geflohen oder alle tot.", bestärkt er meine Meinung.
"Wie viele Distrikte haben sich schon frei gekämpft?", frage ich und stelle mir vor wie es wäre, wenn nur noch Distrikt 2 übrig wäre. Wenn die Rebellen geschlossen dort hin gehen würden und mein Zuhause zerstören würden, weil die Menschen dort zu loyal waren.
Mona und ihre Familie würden sterben.
Mein Haus würde zerstört werden, wenn es das nicht längst ist.
Alles würde in Schutt und Asche liegen. Für die Freiheit.
"Wir wissen von Distrikt 7, da wir selbst dort waren. Mehr Informationen kann ich dir leider nicht geben, aber ich bin dabei mich hinein zu arbeiten.", sagt Sam und geht in Richtung Haustür, um vier mal zu klopfen.
Bjon öffnet die Tür und auch ihn erkenne ich als den Nachrichtenüberbringer.
"Da seid ihr ja. Hab mir schon Sorgen gemacht weil es so lange gedauert hat.", begrüßt er uns und winkt uns herein.
"Das war meine Schuld.", gibt Elina leise zu.
Auch wenn ich es nicht alles schlimm empfunden habe, etwas langsamer zu gehen. So habe ich mich mit Damir unterhalten können und auch einen Eindruck von Distrikt 8 gewonnen.
"Naja, jetzt seid ihr ja hier.", sagt er lächelnd und verriegelt die Tür wieder hinter uns. Dann deutet er uns ihm zu folgen und wir betreten ein Wohnzimmer, in dem zwei Jungen und zwei Mädchen auf dem Boden ihr Lager eingerichtet haben.
Alle springen begeistert auf, bis auf eines der Mädchen, welches abwesend auf ihrer Matte sitzen bleibt.
"Du siehst schon viel besser aus.", grinst einer der Jungen als er Elina frei gibt.
"Fühl mich auch besser.", antwortet sie ebenfalls grinsend. Dann geht ihr Blick in meine Richtung.
"Das ist Reva Scott, Siegerin aus Distrikt 2 und neues Mitglied unserer Gruppe. Reva, das sind Kila, Elise, Tiro und Lucan."
Ich habe solche Vorstellungsrunden noch nie gemocht und fühle mich dementsprechend unwohl. Vor allem, weil ich mich längst nicht mehr als Überlegene Siegerin sehe.
"Schön euch kennen zu lernen.", bete ich eine Floskel lächelnd herunter und hoffe, dass alle mit einer solchen Antwort zufrieden sind.
"Meine Frau macht gerade etwas zu essen. In der Zwischenzeit bringe ich noch Decken und Kissen und ihr könnt euch die übrigen Matratzen so hinrichten wie ihr wollt.", sagt Bjon und geht hinaus.
Elina blickt sich sofort um. "Tiro kann ich neben dir schlafen?", fragt sie und ich werfe ihr einen irritierten Seitenblick zu.
Irgendetwas habe ich verpasst, denn ich bin davon ausgegangen dass Elina und Sam sich näher stehen.
"Sicher.", antwortet Tiro lächelnd und hilft ihr sofort die Matratze richtig zu verrücken.
"Wenn es niemandem etwas ausmacht würde ich gern am Rand schlafen.", sage ich leise und deute auf die Ecke neben dem Mädchen, das seit unserer Ankunft noch nicht gesprochen hat.
Ängstlich sieht sie mich an, doch als keine Widerworte kommen nehme ich es als Einverständnis und zerre eine weitere Matratze neben sie, ehe ich mich darauf setze.
Dann sehe ich mich etwas um und fühle mich unbehaglich. Ich kenne diese Menschen kaum und sie sind trotzdem nett zu mir, ohne zu wissen wer ich tatsächlich bin. Elina scheint der Dreh- und Angelpunkt der Gruppe zu sein, vielleicht sollte ich mich einmal länger mit ihr unterhalten, um mehr über sie und ihre Reise zu erfahren. Doch dafür wird noch genügend Zeit sein.
"Sam, hast du unsere Waffen hier? Ich schlafe ungern ohne etwas zur Verteidigung bei mir zu haben.", gebe ich zu und blicke den ehemaligen Friedenswächter an.
"Deine liegen auf dem Wohnzimmertisch. Dachte mir schon sowas.", meint er und schmunzelt ich grinse zurück.
"Das ist wohl eine Krankheit, die ich in all den Jahren niemals ablegen werde.", ich stehe auf und lehne mich gegen die Wand, ich halte es nicht aus, länger herum zu sitzen.
"Wie lange wollt ihr in Distrikt 8 bleiben?", erkundige ich mich deshalb. Je länger ich untätig bin, desto näher kommen die Gedanken an Kael und das darf ich auf keinen Fall zulassen.
"Solange bis wir alle wieder richtig fit sind. Dann brechen wir auf.", antwortet Lucan.
Elinas blickt wandert zu Sam, sie scheint ihn regelrecht durchbohren zu wollen. Vielleicht ist meine erste Vermutung nicht richtig gewesen, irgendetwas scheint zwischen ihnen zu stehen. Doch nun gilt es, eine Entscheidung zu treffen. Gehe ich allein oder schließe ich mich dieser Gruppe an?
Ich warte einen Augenblick um meine Gedanken zu sammeln, doch eigentlich ist mir sofort klar gewesen, was ich tun will. Wenn ich allein gehe, werde ich sterben und ohne Ablenkung würde die Trauer mich wahrscheinlich in einen unendlichen Abgrund ziehen.
"Kann ich euch begleiten? Ich meine, ich bin trainiert und ausgebildet was kämpfen angeht. Ich wäre eine große Hilfe für euch und ihr wärt mir willkommene Gesellschaft. Alleine unterwegs zu sein birgt ziemlich große Gefahren.", ich sehe auf meine Schuhspitzen, damit ich niemanden anblicken muss.
Ich klinge nicht wie eine mutige Siegerin. Mehr wie eine Bettlerin die um Unterstützung bittet. Und genau das bin ich.
Elina blickt zunächst mich an, dann in die Runde, ehe Lucan das Wort ergreift.
"Ich habe nichts dagegen.", nicken von Seiten der anderen erübrigt weitere Worte und ich spüre Erleichterung in mir aufkeimen.
Das erste Bündnis seit über sechs Jahren, schießt mir durch den Kopf und unwillkürlich muss ich lächeln.
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Reva Scott 4 - Die Flucht
FanficEine Explosion und die Lichter gehen aus. Abrupt enden die 75. Hungerspiele und überall herrscht Chaos. Reva ergreift daraufhin die Flucht in Richtung Distrikt 13. Eine Flucht ins Ungewisse, denn sie hat keine Ahnung was auf sie warten wird, welche...