Geschockt mustert er mich von Kopf bis Fuß.
"Was guckst du denn so? Habe ich dich etwa überrascht?", frage ich mit einem gefälschten Lächeln. Ich hasse es, dass ich mich ihm gegenüber so verhalten muss, am liebsten würde ich ihm ins Gesicht spucken. Aber um dem Saftladen hier ein Ende zu setzen, tue ich das liebend gerne.
Plötzlich grinst er mich schief von der Seite an.
"Was ist?", frage ich leicht genervt.
"Du bist stark geworden. Das gefällt mir.", meint er nur. Dann befreie ich ihn von meinem festen Griff, auch wenn ich ihn am liebsten jetzt den Kopf abgerissen hätte.
"Also was ist? Darf ich hier bei dir bleiben?", sage ich mit einer zuckersüßen Stimme.
Ohne etwas zu sagen, bestaunt er mich einfach nur. Jetzt beißt er sich auch noch auf die Lippe, dieser Widerling. Naja, ich muss gestehen das er dabei schon ziemlich sexy aussieht.... Wäre er doch nur nicht so ein Monster! Dann würde er sicher, ein sehr süßes Mädchen abbekommen. Außerdem hat er auch total süße Grübchen, wenn er lächelt. Von seinem äußeren Erscheinungsbild her, würde man wirklich niemals vermuten, dass er so ein kranker, abscheulicher Vollidiot ist.
"Du darfst bleiben.", meint er dann.
"Aber mit 'bei dir bleiben' meine ich nicht wieder eine deiner vielen Sklavinnen zu sein. Ich möchte mich hier frei bewegen können und ich will..", beende ich meinen Satz nicht.
"Was willst du?", haucht er auf meine Lippen.
Gott Raghav.. Ich könnte ihm gerade wirklich den Kopf umdrehen, wegen meinem und seinem Plan. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Egal, ich muss meinen schauspielerischen Fähigkeiten einfach freien Lauf lassen und dann klappt das schon, mit der gefälschten Romantik, zwischen Ajay und mir. Bald wird das alles vorbei sein und dann kann ich von mir selbst sagen, dass ich einer großen schlimmen Sache ein Ende setzen konnte.
"Ich möchte bei dir sein..", bringe ich den Satz nur sehr schwer heraus.
Nun zieht er mich an sich und schaut mir dabei tief in die Augen. Obwohl noch nichts passiert ist, kommt es mir so vor als würde ich Varun mehr als nur hintergehen. Zwar hatte ich auch etwas mit Arijit, aber aus irgendeinem Grund bereue ich es nicht. Er hatte mir in meiner schweren Zeit sehr viel Kraft gegeben, auch wenn er mich bei der Sache mit Varun angelogen hat. Er hätte mir von vornherein sagen sollen, dass er nicht weiß ob Varun noch lebt oder nicht. Ich muss zugeben, dass ich ihn trotz allem sehr vermisse und von meiner Sehnsucht nach Varun will ich gar nicht erst anfangen!
Schweigend streift Ajay mir eine meiner Haarsträhnen hinters Ohr.
"Du darfst hier bleiben und überall hingehen wo du auch hin magst.", flüstert er in mein Ohr.
Ich muss schlucken. Was denkt er eigentlich wer er ist? Wie er mit mir spricht, als wäre ich ein Hund dem er nach langer Erziehung endlich erlaubt ohne Leine, Gassi gehen zu dürfen.
"Dankeschön.", antworte ich dennoch lächelnd.
Wie auf Kommando werden wir von Salman's stöhnen unterbrochen. Er scheint wohl ziemlich starke Schmerzen zu haben. Jetzt im Nachhinein tut es mir doch leid, dass ich ihm in seine Beine geschossen habe, aber er hat mich in dem Moment einfach so wütend gemacht. Da ist meine Vernunft mit mir durchgegangen. Ich frage mich, wie viel Liter Blut er wohl schon verloren hat? Der menschliche Körper besitzt 5 Liter Blut und das ist nicht gerade viel. Lange wird er nicht mehr überleben, wenn wir ihn weiterhin so verbluten lassen. Und das kann ich einfach nicht verantworten, ich bin noch lange keine Mörderin und ich möchte auch keine werden!
"Ajay? Wir sollten Salman helfen..", fordere ich ihn auf.
"Warum? Lass ihn doch einfach sterben.", sagt er kalt.
Wie kann man nur so sein? Er ist wirklich wortwörtlich ein Monster.
Ich greife nach seiner Hand und drücke sie fest an meine.
"Weißt du Ajay, es ist nicht okay Menschen einfach sterben zu lassen. Ich weiß nicht was dir in deinem Leben widerfahren ist, dass du so handelst aber es ist einfach nicht richtig.", sage ich während ich seine Hand dabei wieder los lasse.
Für einige Minuten habe ich ihn zum Schweigen gebracht. Wow, ich habe ihn noch nie so nachdenklich gesehen. Ich hoffe, dass er sich meine Worte wirklich zu Herzen genommen hat. Ich weiß nicht wieso ich diese Angewohnheit habe, immer das Gute in Menschen zu suchen, selbst in solchen wie Ajay.
"Na gut.", sagt er auf einmal aus dem Nichts.
"Na gut?", hake ich nach.
"Ich werde ihn nicht sterben lassen. Aber wir müssen ihm die Kugeln aus seinen Beinen entfernen.", meint er.
"Die Kugeln aus seinen Beinen entfernen? Wieso?", frage ich geschockt.
"Wenn ich ihn in ein Krankenhaus bringe und sie merken, dass er angeschossen wurde, werden sie sofort die Polizei verständigen. Also müssen wir die Kugeln aus seinen Beinen entfernen und uns eine neue Geschichte ausdenken, wie er sich an den Beinen verletzt hat .", erklärt Ajay mir.
Na der kennt sich aber ziemlich gut aus. Das alles scheint für ihn ja zum Alltag zu gehören. Ob Salman da mitspielen wird? Aber ich denke schon, so viel Angst wie er gerade hat. Ich glaube, er ist gerade einfach nur froh, das er doch nicht sterben muss.
"Ihm die Kugeln entfernen? Das kann ich nicht.", sage ich.
Daraufhin nickt Ajay nur, greift Salman dann unter die Arme und schleift ihn mit nach draußen. Als er bei der Tür angekommen ist, holt er einen großen Schlüsselbund hervor, um sie zu öffnen. Diesen Schlüssel werde ich mir bald klauen, nachdem ich mir nach und nach sein Vertrauen erschlichen habe.
Bevor er mit Salman den Raum verlässt ruft er mir noch zu, dass er bald wieder da sein wird und das er hofft, das ich dann immer noch da sein werde. Dann verschwindet er durch die starke, schwere Tür aus Stahl. Lustig ist er ja schon, wie soll ich denn bitte hier raus kommen, wenn doch nur er die Schlüssel hat? Varun hatte ja damals auch die Schlüssel gehabt, weil er sein Bruder war. Etwas verwundert bin ich aber trotzdem. Er hätte mich auch einfach wieder in eine seiner schäbigen kleinen Zellen stecken können und mich dort verrotten lassen, doch das hat er nicht. Wieso nicht? Diese Ungewissheit macht mich irgendwie wahnsinnig. Es könnte etwas damit zu tun haben, dass ich wahrscheinlich die erste bin, die freiwillig wieder zurück hierher gekommen ist. Das hat ihn bestimmt umgehauen, denn damit hätte er ja wohl niemals gerechnet.

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Die Flucht
Aventura[...] Hier befinde ich mich nun, halbnackt und gefesselt in einem großen Raum. Das fiese dabei ist, dass ich so stramm festgekettet bin das ich mich noch nicht einmal hinsetzten kann, ich muss die ganze Zeit über stehen. Außerdem habe ich durch ein...