Kapitel 1

396 23 10
                                    

Unausgeschlafen und mit erröteten Augen wache ich von dieser Horror Nacht auf. Ich bin wohl irgendwann weinend eingeschlafen, aber daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Der kleine schwarze Wecker neben meinem Schreibtisch lässt mich wissen das es 5:59 Uhr ist, ich hätte also noch genug Zeit um mich rechtzeitig für die Schule fertig zu machen. Wie gesagt 'hätte'. Seit meine Mutter gestorben ist war ich nicht mehr in der Schule. Zwar kriege ich ständig Anrufe von der Schule, aber es interessiert hier zuhause niemanden ob ich zur Schule gehe oder nicht, im Grunde genommen kann ich tun und lassen was ich will, mein Vater ist ja sowieso nicht für mich da.

Durch ein Klingeln an der Tür werde ich förmlich aus meinen Gedanken gerissen, wer das wohl sein mag? Seit zwei Wochen hat mich niemand mehr besucht.

Langsam mache ich mich auf den Weg zur Haustür und öffne sie dann. Es ist Elena (Priyanka Chopra), meine beste Freundin.

Sofort will ich die Tür wieder schließen, doch Elena stellt ihren Fuß zwischen die Tür.
"Leela, ich bitte dich. Lass mich rein!", fleht sie mich an.

"Warum?"

Ohne noch ein Wort zu sagen drückt sie die Tür einfach auf und kommt herein. Mit Tränen in den Augen umarmt sie mich. Zuerst will ich sie weg drücken, doch dann lasse ich es einfach geschehen. Diese Zuneigung und Geborgenheit fehlt mir schon seit Wochen.

Ich löse mich von ihr und sage dann: "Wie kannst du es wagen erst jetzt nach mir zu schauen?"

"Weil ich ganz genau weiß wie du bist. Du bist meine Seelenverwandte, ich weiß das du erst einmal ein paar Wochen Zeit für dich gebraucht hast bevor ich zu dir durchdringen könnte. Denkst du wirklich ich fand es einfach dich so lange nicht zu sehen? Man Leela, du fehlst mir so."

"Und mir fehlt meine Mutter."

Jetzt wäre wieder ein Moment in dem ich einfach los heulen könnte, aber ich habe keine Kraft mehr dazu. Meine Tränen sind verbraucht, keine einzige Träne traut sich durch meine Augen hindurch zu fließen. Keine einzige.

"Tut mir leid, ich bin kalt geworden. Wenn man so viel Schmerz durchlitten hat spürt man irgendwann nichts mehr. Ich fühle mich miserabel, meine Welt ist schwarz und trist.", sage ich in einem monotonen Tonfall.

Ruckartig packt Elena mich an den Schultern und beginnt mich heftig durchzurütteln, ich selbst bewege mich dabei kein bisschen. Ich starre nur auf den Fußboden unter mir und warte darauf bis Elena endlich mit ihrem Spektakel fertig ist.

"Hör mir mal zu, ich weiß es geht dir schlecht aber du kannst dich doch nicht ewig hier drinnen verschanzen. Dein Leben muss weiter gehen Leela, oder denkst du etwa das deine Mutter wollen würde das du hier so weiter lebst?"

"Ich habe aufgehört zu leben an dem Tag als meine Mutter gestorben ist."

"Du machst mir Angst!"

"Dann geh doch weg."

"Niemals. Du kommst nämlich jetzt mit, wir gehen zur Schule!"

"NEIN. Ich bleibe hier!!!!!"

"Komm schon, nur heute. Morgen beginnen doch auch schon die Sommerferien, wir müssen doch nur unser Zeugnis abholen. Komm schon Leela, du musst hier mal weg kommen!"

Da ich weiß das Elena sowieso nicht locker lassen wird, willige ich irgendwann ein. Voller Freude sucht sie mir etwas zum anziehen heraus und dann schminkt sie mich. Sie liebt es andere Menschen zu stylen also gönne ich ihr diesen Spaß. Ich würde ihr gerne sagen wie dankbar ich ihr bin das sie mich aus dem Haus holen will, aber ich schaffe es einfach nicht. Sie ist wirklich die beste Freundin die ich haben kann, wenigstens eine ist für mich da.

Als wir an der Schule ankommen werde ich von allen Seiten betrachtet und schief angeschaut. Gekünstelt setzte ich mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich will nicht das sie denken ich sei schwach. Sie sollen denken das ich ein unglaublich starkes Mädchen bin, dass den Kampf mit sich selbst niemals verliert. Das ich schon lange aufgegeben habe, muss niemand wissen. Meine Klassenlehrerin freut sich sehr darüber das ich es noch zur Zeugnisausgabe geschafft habe und drückt mir noch einmal ihr herzlichstes Beileid aus.

Obwohl ich ganze zwei Wochen nicht in der Schule war ist mein Zeugnis relativ gut ausgefallen. Keine Note ist schlechter als eine 2, außer die 4 in Mathe, aber Mathe ist auch schon immer mein Hassfach gewesen.

Nach der Schule schreit Elena in mein Ohr: "Wir haben endlich Sommerferien, du Bitch."

Ja, eigentlich war es ziemlich üblich für uns das wir beide uns gegenseitig beleidigen. Wir waren nicht die Sorte von besten Freundinnen die sich jeden Tag sagen wie sehr wir uns lieben. Wir bevorzugten schon immer die Variante mit dem gegenseitigen beleidigen, so zeigten wir uns unsere Liebe zueinander.

Um sie nicht zu enttäuschen sage ich deshalb: "Ja man endlich, du scheiß hoe!"

Auf einmal grinst sie wie ein Honigkuchenpferd.

"Was grinst'n so?", sage ich lächelnd.

"Oh mein Gott, du redest endlich wieder."

"Ja, irgendwann muss mein Schweigen ja auch mal gebrochen werden oder? Aber ohne dich hätte ich das niemals geschafft, danke das du mich raus geholt hast Elena!"

"Aww sag mir das ich die beste bin!!"

"Geh mal weg man.", sage ich.

"Wo ist eigentlich Akira (Anushka Sharma)?"

"Sie konnte heute nicht kommen, weil sie Fieber hat. Sonst wäre sie auch mit gekommen um dich raus zu holen."

"Achso, die Arme. Würde sie gerne mal wieder sehen."

"Ja, siehst du ja bald."

Akira gehört auch zu einer meiner besten Freundinnen, aber Elena toppt niemand!

"Ey, ich habe voll die geniale Idee!", sagt Elena plötzlich.

"Was denn?", frage ich neugierig.

"Wir beide und Akira fliegen in den Urlaub. Nur wir 3 ganz alleine!"

"Jaja, du spinnst doch."

"Nein, ich meine es ernst. Lass nach Indien!"

"Bist du verrückt? Deine Eltern werden dir das niemals erlauben!"

Ich betone extra nur ihre Eltern, da meinem Vater anscheinend ganz egal ist was ich tue.

"Doch, die werden das schon erlauben. Komm schon, dann kannst du auch auf andere Gedanken kommen."

"Nein, ich bleibe lieber hier in Deutschland.", sage ich entschlossen.

"Du bist bescheuert, du weißt nicht wie toll es in Indien ist. Was bist du für eine Inderin? Du warst noch nie in Indien! Es wird langsam mal Zeit für dich."

"Sagt die, die nur halbe Inderin ist!"

Elena's Mutter ist nämlich Deutsche.

"Na und? Wenigstens war ich schon in Indien während die 'ganze' Inderin noch nie dort war."

"Mein Vater wollte halt nie wieder dort hin, ist doch nicht meine Schuld."

"Jaja komm ist gut. Dann bleib eben hier du 'ganze' Inderin. Kennst ja noch nicht einmal die Sitten und die Kultur!"

"Mein Gott okay, ich komme mit!"

Eigentlich wollte ich gar nicht mit, aber sie hat mich so provoziert das ich einfach 'Ja' sagen musste.

Bleibt nur noch die Hoffnung das ihre Eltern ihr diesen ganzen Spaß nicht erlauben!

Die Flucht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt