Heute ist der 22 Juni, heute werde ich zusammen mit Elena und Akira nach Indien fliegen. Etwas mulmig ist mir dabei schon zu Mute denn ich kenne mich in diesem Land überhaupt nicht aus. Ich würde liebend gern zuhause bleiben und nie wieder aus dem Haus heraus gehen, so wie ich es die letzten Wochen schon getan hatte. Bevor ich mich auf dem Weg zum Flughafen mache lasse ich meinem Vater eine kurze Notiz zuhause: Dad, wann auch immer du das lesen wirst, ich bin in Indien. Mach dir keine Sorgen, was du anscheinend ja sowieso nicht tust, denn sonst hättest du mich nicht für so lange Zeit alleine gelassen. Tschüss, Leela.
Gerne hätte ich noch viel mehr geschrieben, aber da ich mir sicher bin das mein Vater diese Notiz niemals zu Gesicht bekommen wird entscheide ich mich dagegen. Wenn ich nach den drei Wochen Urlaub wieder zurück kehre wird meine Notiz wahrscheinlich immer noch an der selben Stelle liegen - nämlich an dem Platz neben der Heizung an dem mein Vater immer zum Abendessen saß, da er die Wärme liebt und er es gerne mollig warm hat. Wärme, dieses Gefühl würde ich auch mal wieder gerne zu spüren bekommen. Ich bin mir ziemlich sicher das mein Notizzettel in den nächsten Wochen ordentlich an Staub auffangen wird. Innerlich hoffe ich jedoch das mein Vater ihn noch zu Gesicht bekommt bevor ich wieder da bin um dann nicht enttäuschend feststellen zu müssen, dass dieser Notizzettel nicht angerührt wurde..
Da ich noch massig Zeit habe beschließe ich noch ein Mal zu dem Platz zu gehen an dem wir die Asche meiner Mutter verstreut hatten. Es ist das erste Mal seit ihrem Tod das ich es gewagt habe alleine hier hin zu gehen. Es handelt sich bei diesem Ort um einen See der von einer wunderschönen Blumenwiese umrandet ist. Als ich noch jünger war, war meine Mutter oft mit mir hier, wir haben dann immer stundenlange Spaziergänge gemacht und uns Ketten aus Gänseblümchen gebastelt. Bei dieser Erinnerung verspüre ich einen tiefen Schmerz in meinem Herzen. Als ich bemerke das mir eine Träne die Wange hinunter kullert beschließe ich, diesen Ort hier zu verlassen. Bevor ich gehe sage ich noch einmal: "Ich liebe dich Mama.." Daraufhin verspüre ich einen leichten Windstoß. Ich weiß nicht warum aber irgendwie fasse ich diesen Windstoß als eine Art Antwort meiner Mutter auf, vielleicht wollte sie mir damit zeigen das sie immer noch bei mir ist. Oder ich spinne mal wieder herum und es handelte sich nur um einen völlig normalen Windstoß, der von der Natur verursacht wurde.
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Am Flughafen rennen zwei völlig aufgelöste und vor Freude strahlende Gesichter auf mich zu. Ich wünschte ich könnte auch wieder so gut gelaunt sein, aber wer weiß vielleicht tut dieser Urlaub mir ja ganz gut.
"Babyyyyyyy, wir fliegen in den Urlaub, nur wir drei ganz alleine!", sagt Akira stolz.
Ich nicke nur, doch das reicht ihr auch schon als Antwort. Akira ist ein Mensch der sehr gerne viel redet und spricht, sie ist eben ein Mädchen der Worte.
"Schau mal was ich für uns drei besorgt habe, eine richtig geile Sonnenbrille. Akira hat ihre schon von mir bekommen und das ist deine. Wir haben natürlich alle die selbe, ist das nicht cool?", sagt Elena glücklich.
Mit einem großen Grinsen im Gesicht fuchtelt sie mit der Sonnenbrille vor meinem Gesicht herum.
"Worauf wartest du? Na los, nimm sie endlich!"
Wortlos greife ich nach der Sonnenbrille und schaue sie mir genauer an. Sie ist braun und mit einem stilvollen Leoparden-Print designt. Mit dieser Sonnenbrille ist eine totale Eskalation Pflicht und das ohne sich zu blamieren. Sie ist robust und um keinen Tanz verlegen. Ob man eine Sonnenbrille so beschreiben kann? Also ich kann das, sofort setzte ich sie mir auf.
"Danke, die ist richtig schön Elena!"
"Ja man, ich weiß!"
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Im Flugzeug hatten Elena, Akira und ich das große Glück das wir drei Sitze nebeneinander zugeteilt bekommen haben. Ich sitze in der Mitte von den beiden, so fühle ich mich viel wohler, ich brauch diesen Halt der beiden. Würde ich außen sitzen müssen hätte ich mich ziemlich unwohl gefühlt.
"Leute, wie lange dauert der Flug überhaupt?", frage ich neugierig.
"7 Stunden.", antwortet Elena.
"Äh, um es genau zu sagen 7 Stunden und 25 Minuten ja?", korrigiert Akira sie.
Akira ist schon immer eine Perfektionistin gewesen, aber ich bin es auch.
"Mein Gott auf die 25 Minuten kommt es jetzt auch nicht an!", sagt Elena genervt.
"Wenn du meinst, dann kannst du ja schon 25 Minuten vorher aussteigen, ich wünsche dir schon mal einen guten Flug, ich hoffe du hast einen Fallschirm dabei!"
"Akira du bist so eine blöde Kuh!", zischt Elena.
Sofort muss ich anfangen zu lachen.
"Leela, hör auf zu lachen!"
"Sei nicht so zickig Elena, lass mich lachen, eure Diskussion ist so dumm! Naja ich werde jedenfalls versuchen etwas zu schlafen, weckt mich wenn wir in Neu-Dehli angekommen sind ja?"
Danach stöpsle ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und höre mir 'Sorry' von Justin Bieber an. Langsam lasse ich meinen Sitz zurück fahren und mache es mir mit meinem Nackenkissen gemütlich.
Yeah, is it too late now to say sorry?
Cause I'm missing more than just your body
Is it too late now to say sorry?
Yeah I know that I let you down
Is it too late to say I'm sorry now?Nach diesem Teil des Liedes schließen sich meine Augen und ich versinke in einem Traumland.

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Die Flucht
Aventura[...] Hier befinde ich mich nun, halbnackt und gefesselt in einem großen Raum. Das fiese dabei ist, dass ich so stramm festgekettet bin das ich mich noch nicht einmal hinsetzten kann, ich muss die ganze Zeit über stehen. Außerdem habe ich durch ein...