KAPITEL S I E B E N

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KAPITEL S I E B E N

„Herr Schmitz", die junge Polizistin kommt auf ihn zu, „ Ihr Sohn hat geredet. Auf Sie wird höchsten eine Geldstrafe und die Krankenhauskosten warten. Und eventuell muss Nick einige Sozialstunden leisten. Aber er wird nicht ins Gefängnis gehen müssen. Wir haben eben auch einen Anruf vom Krankenhaus erhalten. Tyler Gonzales hat eine mittelstarke Gehirnerschütterung. Aber er ist auf dem Weg der Besserung. Da hat ihr Sohn noch einmal Glück gehabt." Sie macht eine kurze Pause. „ Bei ihrer Tochter wäre ich mir da allerdings nicht so sicher. An Ihrer Stelle würde ich mal mit ihr sprechen", die Polizistin kratzt sich verlegen am Hinterkopf. Es ist das erste Mal, dass sie einem Elternteil sagen muss, dass ihre Tochter vergewaltigt wurde. Deshalb weiß sie nicht ganz, wie sie das den Angehörigen am schonendsten beibringt. Obwohl sie findet, dass es egal ist wie man diese Nachricht verpackt, denn es muss für Angehörige immer schlimm sein.

„Wieso? Was ist mit ihr?", fragt er panisch.

Die Polizistin verzieht das Gesicht. „Sprechen Sie lieber selbst mit ihr."

Alex und Jackson sehen die Polizistin genauso verwirrt an wie ihr Vater. Doch keiner fragt mehr nach.

„Ähm... es wird Ihnen wahrscheinlich bald ein Brief vom Gericht zugeschickt werden. Dort wird Ihnen der Gerichtstermin mitgeteilt werden . Es geht nur darum, wie viele Sozialstunden Nick ab arbeiten muss. Und wie hoch die Kosten sind, die Sie bezahlen müssen." Herr Schmitz nickt nur. Er ist ganz bleich im Gesicht. Alles was er möchte ist, neu anzufangen. Ein normales Leben führen.

„Michelle", er sieht mich bedrückt an, „ die Polizistin vorhin hat gemeint, dass ich mit dir reden soll." Er beißt sich auf die Unterlippe. „Gibt es etwas was du mir erzählen willst?" Ich sitze auf der Couch, im Wohnzimmer. Meine Knie an meinen Körper gezogen. Meine Beine mit meinen Armen umschlungen. Mein Blick geht ins Leere.

Die Polizisten haben alles mitbekommen. Und auch Dr. Fritscher hat alles mitgehört. Auch wenn sie versucht haben sich nichts anmerken zu lassen, so habe ich es ihnen angesehen, dass Sie nicht wussten wie sie reagieren sollte. Sie haben nichts gesagt. Mich hat keiner wirklich mehr wahr genommen. Alle haben auf Nick eingeredet. Er ist aber auf niemanden eingegangen. Hat Löcher ins Leere gestarrt. Ich weiß, dass er sich Gedanken gemacht hat. Immer wieder hat er versucht unauffällig auf meinen Bauch zu schauen. Er hat versucht ein Anzeichen einer Schwangerschaft zu sehen.

Papa setzt sich neben mich. Tränen laufen mir aus den Augen. Er legt seinen Arm auf meine Schultern und zieht mich zu sich ran. Ich beginne zu schluchzen, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. Ich kann es ihm nicht sagen. Er würde verzweifeln. Das kann ich ihm nicht antun. Er würde denken, dass es alles seine Schuld ist.

„Michelle, du weißt, dass du mir alles sagen kannst...", sagt er leise und versucht mich damit zu beruhigen. Mein Herz klopft. Ein dicker Klos bildet sich in meinem Hals. Meine Umgebung kann ich nur noch verschwommen wahrnehmen.

Ich setze  mich auf und wische mir mit dem Ärmel meines Pullis die Tränen aus dem Gesicht. Schniefe und versuche mich zusammen zu reißen. „...ich-also, da war-",ich breche ab. Ich kann das nicht.

Es ist als würden mich diese Augen beobachten. Mir läuft eine Schauer über den Rücken. Mir ist schlecht und ich habe das Gefühl mich übergeben zu müssen. Ich springe auf und renne Richtung Bad. Tatsächlich muss ich mich übergeben. Ein säuerlicher Geschmack macht sich in meinem Mund breit. Zum Glück sind meine Haare nicht mehr so lang wie früher. Die Leute vom Zeugenschutzprogram haben mir geraten, mein Aussehen zu ändern. Seitdem benutze ich keine Schminke mehr und meine Haare sind schulterlang statt brustlang.

Mit meine knöchrigen Hände suche ich halt an der Klobrille. Ich knie vor der Toilette und starre die Wand an. Das Licht, dass durch das Fenster fällt ist nicht sonderlich stark, denn es ist bereits einundzwanzig Uhr.  Erneut würge ich und muss ich mich übergeben.

Vierlinge Survival (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt