KAPITEL E L F

95 8 5
                                    

KAPITEL E L F

„Sicher, dass du das machen willst?" „Nein!",mit weit aufgerissenen Augen schaue ich mir die Leute in dem Raum an. Alle boxen auf einen Box-Sack ein. Ich sehe in dem Raum nur zwei Mädchen und die scheinen mir auch mehr männlich als weiblich. Die meisten, die auf den Box-Sack einschlagen sind groß, sportlich gebaut und durch die verschwitzen T-Shirts sieht man bei den meisten Jungs ein Six-Pack.

Nick sieht mich leicht grinsend an. Und auch wenn es nur kurz anhält, freut es mich ihn kurz wieder glücklich gesehen zu haben. „Aber ich mach das hier für dich!" Nick sieht sich suchend um. Doch mir entgeht nicht, wie er kurz zu mir geschielt hat. Die zwei Mannsweiber schauen uns an. Dann kommen sie auf uns zu.

„Na, sucht ihr wen?", das 'Na' zieht sie besonders in die Länge. Die große blonde hat eine Kurzhaarfrisur. Sie hat braune Augen und eine eher männlichere Statur. So wie sie sich allerdings aufführt, scheint sie das entweder nicht zu wissen oder kalt zu lassen.

Die Brünette trägt einen Pferdeschwanz, scheint aber relativ lange Haare zu haben. Die Augenfarbe schein gleich, wie die ihrer Freundin. Augenbrauen scheint sie bei einem entweder nicht zu besitzen, oder abrasiert zu haben. Jedenfalls hat sie da mit einem Stift einen dünnen Strich hin gemalt, der echt richtig dämlich aussieht.

„Wir suchen den Trainer", Nick scheint gar nicht zu bemerken, wie die Zwei ihn mustern. Keine Sorge Ladys, er hat noch breitere Schultern als ihr. „Der ist da hinten, bei Alessandro. Den kennt ihr doch oder?",nun sieht mich die Brünette an. Sie schaut auf mich hinab. Als wäre sie etwas Besseres.

Ich habe Nick nichts von der Begegnung mit Alessandro erzählt. Ich habe ihm auch nicht erzählt, dass ich wahrscheinlich fast von einem Auto überfahren wurde. Oder was Papa zu mir gesagt hat.

„Danke." Nick lächelt die Zwei gequält an. Und ich kann ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken.

Dann gehen wir in die Richtung, in die die Zwei Mannsweiber uns geschickt haben. In der Ecke sehe ich, wie Alessandro mit einem älterem Mann quatscht.

Dadurch, dass jeden Abend an unserer neuen Schule Kick-Boxen angeboten wird, können wir einfach dazu stoßen. Und auch wenn ich nicht ganz sicher bin, ob es die richtige Entscheidung war, mit Nick ins Kick-Boxen zu gehen um seine Wut zu bändigen. Ihm wird es vielleicht gut tun, aber ich weiß nicht, ob es so meine Sportart ist. Aber weil Nick ohne mich, wahrscheinlich eh nicht gehen würde, habe ich halt dieses Opfer gebracht. Noch einmal auf dem Polizeipräsidium halte ich nicht aus.

Als wir näher an die Zwei treten, hören sie auf zu reden und schauen uns an.

„Was kann ich für euch Zwei tun?",fragt der Trainer hoch motiviert. „Wir würden uns das Training heute gerne mal anschauen."

„Ist das so? Zuschauen gibt es bei uns aber nicht. Entweder ihr macht mit, oder ihr könnt wieder gehen." Oh nein, mitmachen will ich eigentlich nicht. „Ich-ich wollte eigentlich gar nicht-" „Oh nein, du kneifst jetzt nicht!", mahnt mich Nick.

Der Trainer sieht Nick und mich belustigt an. „Ich bin Herr Smith. Aber hier im Training nur Liam oder Coach. Mit wem habe ich das Vergnügen?" „Das ist meine Schwester Michelle Schmitz und ich bin Nick Schmitz."

„Also gut Michelle und Nick. Nehmt euch dahinten einfach Handschuhe und boxt euch ein bisschen ein. Alessandro wird euch ein bisschen über die Schulter schauen und sagen, was ich verbessern müsst."

„Versuch dein Handgelenk mehr zu drehen." Alessandro steht hinter meinem Box-Sack und hat die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Nick hat noch kein einziges Mal zu geschlagen. „Und du, möchtest du weiterhin deiner Schwester zu schauen, oder willst du auch selbst mal anfangen? Oder wartest du darauf, dass ich dir den Rücken zu wende und du auch mich krankenhausreif prügeln kannst?", Alessandro schaut Nick kalt an. Die beiden sind ungefähr gleich groß und beide ungefähr gleich gebaut.

Nick wirft Alessandro nur einen kalten Blick zurück, doch dann beginnt er auf den Box-Sack einzuschlagen. Und ich merke bei jedem Schlage, dass er aggressiver wird. Mit jedem Schlag scheint er mehr und mehr in seine Gedanken zu versinken. Uns scheint er schon gar nicht mehr war zunehmen. Seine Schläge werden kraftvoller. Als würde er all seine Kraft in diese Schläge legen. Ich habe aufgehört zu boxen und sehe ihm zu, wie er aggressiver und aggressiver wird. Ein Blick zu Alessandro sagt mir, dass er nicht ganz nachvollziehen kann, warum er sich da so rein steigert.

„Hat er ein Aggressionsproblem?",fragt er mich, klingt dabei aber nicht abwertend. Eher besorgt. So wie vor einer Stunde, als er mich heimfahren wollte.

Ich weiß es nicht. Hat er eins?

„Und wenn es so wäre?",stelle ich die Gegenfrage und klinge dabei ziemlich schnippisch.

„Dann sollte er vielleicht in Behandlung gehen..." „Du meinst in eine Psychiatrie? " Das ist doch lächerlich. Ich kann Nick nachvollziehen. Ich würde diesen Leuten auch am liebsten den Kopf umdrehen. Sie sollen leiden, genauso wie ich. Sie sollen zerbrechen, genauso wie meine Familie. Ich habe so einen unglaublichen Hass auf sie. Nicks Aggressionsproblem wäre also voll und ganz berechtigt.

„Ich weiß nicht...Aber bevor er noch mehr Leute verletzt..." „Er hofft durch das Kick-Boxen seine Wut zu kontrollieren...ach vergiss es, verstehst du eh nicht." Hoffentlich fragt er nicht nach.

„Und ob ich das verstehe! Was meinst du, warum ich mit Kick-Boxen angefangen habe?" Nick schlägt immer schneller zu. Ich sehe, wie seine Augen glänzen. Es sieht fast so aus, als würde er gleich anfangen zu weinen.

„Lass mich raten. Er hat seine große Liebe verärgert oder ist fremdgegangen. Und jetzt ist er wütend auf sich selbst. Und flennt nur noch, weil er ständig an sie denken muss." Wenn es nur das wäre. Doch Alessandro ist der Letzte, dem ich erzählen würde, was wirklich passiert ist.

„Ja, so ungefähr...", vielleicht gibt er ja dann Ruhe.

„Alessandro, du sollst sie nicht ablenken! Sonder trainieren." Der Coach schaut uns beide warnend an. „Jawohl Sir." Alessandro rollt mit den Augen. Nick hört plötzlich auf zu boxen. Seine Arme legt er auf die obere Kante des Sackes und lässt seinen Kopf gegen den Sack fallen.

„Schien ja die ganz große Liebe gewesen zu sein." „Kann man so sagen...",nein, nicht wirklich. Er soll einfach seine Klappe halten!

Ich gehe einen Schritt auf ihn zu. Lege meine Hand im Handschuh gehüllt auf seine Schulter. Er zuckt zusammen. Schaut jedoch nicht auf. Dann plötzlich richtet er sich auf schaut Alessandro kalt an. „Wo ist die Toilette?"

Er deutet mit den Finger auf eine Tür auf der WC steht. Wir beide sehen ihm zu wie er eilige darin verschwindet. Kurz bleibe ich unentschlossen stehen, doch dann laufe ich ihm nach. Auch wenn ich vermutet habe, dass Alessandro mir nach kommt, bleibt er einfach stehen.

Ich öffne die Tür schwungvoll und steuere auf das Jungen-WC zu. Doch als ich es betrete, wünsche ich mir es lieber nicht betreten zu haben. Was ich sehe, lässt mir die Sprache weg. Wie kann er das machen? Nach allem was wir durch gemacht haben? Erschrocken fährt er herum. „Michelle, das-"

Doch ohne ihn weiter ausreden zu lassen stürme ich auch wieder aus dem WC und gehe zielstrebig aus dem Box-Club. Ich hole meine Tasche aus der Umkleide und krame mein Handy heraus.

„Komm schon Alex, nimm ab!", doch er geht nicht ran. Ich versuche es bei Jackson.

„Michelle? Du ich kann jetzt nicht. Du und Nick. Kommt einfach ins Krankenhaus."

Was? Wieso Krankenhaus? „Was? Was ist los Jackson?" Doch da hat er auch schon aufgelegt.

Vierlinge Survival (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt