KAPITEL D R E I Z E H N

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KAPITEL D R E I Z E H N

Bestürzt sehe ich mir das kleine Plastik Teil in meiner Hand an. Meine letzte Hoffnung geht den Bach hinunter. Es wird mein Leben verändern. Ich werde von allen nur dumm angeguckt werden.

„Michelle? Brauchst du noch lang?" Jemand klopft an die Tür. Nein! Nein! Nein! Fuck! Ich reiße mich zusammen. Beiße mir auf die Zunge um den innerlichen Schmerz zu überdecken. Mit einem Schmerz den ich körperlich fühle.

Schluckend schmeiße ich den Test in den Mülleimer, der sofort zuklappt, als ich meinen Fuß weg nehme. Schwanger! Wie benebelt öffne ich die Tür. Jackson sieht mich an, doch ich nehme in gar nicht wirklich wahr. Ich bin schwanger. In mir wächst ein Baby.

Jemand lacht. Ich versuche alles, wirklich alles um weg zu kommen. »Es wird nicht weh tun!« Versichert er mir. Mit aller Kraft versuche ich mich los zu reisen. Aber je mehr ich es versuche, desto mehr drückt sich das Seil in mein Handgelenk. Ich habe Panik. »Bitte-bitte lass das...« Ich schließe meine Augen.

Ich reiße meine Augen auf.

»Schau mir in die Augen!« Aber ich weigere mich meine Augen zu öffnen. »Schau mir in die Augen, habe ich gesagt!«

So schnell es geht renne ich auf mein Zimmer. Dort schmeiße ich mich auf mein Bett und schreie ins Kissen. Es soll aufhören. Es tut so verdammt weh. Wieso hat er mich nicht einfach in Ruhe gelassen? Wieso musste er das tun? Weil er seinen männlichen Trieben nachgegangen ist. Wenn ich meiner natürlichen Wut nachgehen würde, säße der Typ wahrscheinlich nicht mehr im Gefängnis, sondern wäre schon längst unter der Erde.

Er sieht seiner Schwester verwundert nach. Doch dann schließt er die Tür. Und obwohl er sich denken kann was los ist, braucht er die Bestätigung. Jackson kramt in den Schränken nach und schlussendlich landet er beim Mülleimer. Und dann sieht er, was seiner Schwester so Kummer bereitet. Ihm ist klar, dass sie nicht mit der besten Laune durch die Gegen läuft, denn das tut keiner der Familie. Doch ihr Blick schien völlig leer, als sie das Bad verließ. Sie schien völlig neben der Spur. Und jetzt hat der den Beweis in der Hand. Den Beweis dafür, dass Michelle schwanger ist. Schwanger von irgendeinem notgeilem Schwein.

Jackson will sich nicht ausmalen, was seiner Schwester durch den Kopf geht. Zwar geht ihm ihr Verhalten auf die Nerven, aber er kann sie teilweise verstehen. Er versteht nur nicht, warum sie so ein Geheimnis daraus macht, was ihr zugestoßen ist. Niemand würde sie verurteilen. Und wenn sich jeder in der Familie ausmalt, was dort noch alles passiert ist. Keiner spricht seine Vermutungen aus. Jeder wartet darauf, dass sie selbst irgendwann mit ihnen redet. Aber sie spricht ja mit niemandem darüber. Obwohl Jackson vermutet, dass Nick mehr weiß als der Rest der Familie.

Jackson verlässt stürmisch das Bad und sucht nach Alex. Diesen findet er in seinem Zimmer. Er packt bereits seine Sachen. Denn der Herr vom Jugendamt meinte, dass sie morgen schon ein neues Zuhause haben. Heute können alle noch einmal zuhause schlafen, da Samantha dableibt.

„Sie ist schwanger!",bringt er luftholend hervor. Er hat einen richtigen Sprint hingelegt. „Sie ist schwanger", murmelt er noch mal leise um den Satz selbst zu begreifen.

Alex sieht von seinem Koffer hoch und erstarrt in seiner Bewegung. „Sie ist schwanger?" Alex will es nicht glaube. Er kann es nicht glaube. Sie wird nicht abtreiben, da ist er sich sicher. Und wenn sie sich dieses Baby ansieht, wird sie jedes Mal an den Moment erinnern,  an dem es passiert ist. Was soll das Kind denken? Wie wird es reagieren, wenn es erfährt, dass es durch eine Vergewaltigung entstanden ist. In welche Alter erklärt man das einem Kind?

Zum Beweis zeigt ihm Jackson den Schwangerschaftstest, den er aus dem Mülleimer geholt hat. „Fuck!",Alex sieht Jackson immer noch verzweifelt an. „Fuck!",schreit er noch mal lauter. Er ballt seine Hände zur Fäusten. Er fragt sich, warum das genau seiner Familie passiert. Er holt aus und schlägt gen seine Schranktür. Es ist ihm egal, dass seine Hand höllisch schmerzt. „Was machst du da? Bist du bescheuert? Hör auf!",Jackson sieht seinem Bruder erstarrt zu, wie er immer wieder auf den Schrank einschläft. Und dann mit einem Krach hat er ein Loch in den Schrank geschlagen. „Alex! Hör auf!",schreit ihn Jackson an. Er zieht seinen Bruder von dem Schrank weg, doch dieser befreit sich flink aus Jacksons Griff. „Fass mich nicht an!" „Wieso machst du den Schrank kaputt?!" „Den Scheiß brauchen wir eh nicht mehr! Nichts brauchen wir hier von. Hat doch alles die Pflegefamilie! Die sich in den Arsch ficken kann! Ich werd einen scheiß tun und bei denen leben! Die wollen uns trenne! Ist dir das klar?! Die wollen uns trennen! Die Opfer denken doch wirklich, sie können über uns entscheide. Die haben kein Recht so über mich zu herrschen! Die kennen uns nicht! Die wissen nichts über uns! Die wissen nicht wer wir sind, die wissen nicht, was wir erlebt haben! Die können nicht einfach so über Papa urteilen!", Alex box auf die andere Tür seines Schrankes ein. Er schreit. Er ist verzweifelt.

„Das tun sie aber! Und du kannst nichts ändern! Wir sind machtlos! Sieh es ein und versuch nicht mit irgendwelchen Argumenten ihr Urteil zu kritisieren. Du kannst ihnen natürlich auch sagen, wer wir sind, aber das würde doch nichts ändern. Papa hat versucht sich umzubringen! Und wir waren keine zehn Meter entfernt. Stell dir vor, er wäre jetzt tot. Würdest du dir keine Vorwürfe machen? Du klar würdest du das!"

Seine Worte bewirken das genaue Gegenteil, von dem was sie eigentlich tun sollten. Sie regen ihn nur noch mehr auf. Alex tickt völlig aus. Schmeißt seinen Schrank um. Reißt ein, an die Wand geschraubtes, Regal von der Wand. Schreit immer wieder 'Scheiße' oder 'Fuck' oder 'Leckt mich am Arsch ihr Pisser'. Und als er als seine Wut an seinem Zimmer ausgelassen hat, steht hinter Jackson, der immer noch in der Tür steht, Nick und Samantha. Alle drei sehen ihren Bruder zu wie er auf seinem Bett liegt und immer mal wieder ins Kissen schreit. Nick und Jackson verstehen ihn so gut. Auch sei fühlen sich so machtlos. Jackson hat Sam und Nick den Schwangerschaftstest gezeigt. Beide waren völlig sprachlos, unfähig etwas zu tun.

Ich schaue nach ihr...",meint Sam. Die die von den Vieren wohl den schlechtesten Draht zu Michelle hat. Und dennoch besteht sie darauf, mit ihr alleine zu sprechen.

Es klopft an der Tür.

„Hey", Sams leise Stimme ertönt. Ich merke, wie meine Matratze sich etwas nach unten drückt. Sie setzt sich auf mein Bett. Früher hat sie das so oft gemacht. Besonders als sie sechzehn war und ich acht. Dann hat sie mir immer gute Nachtgeschichten erzählt, weil Mama lange arbeiten musste.

„Hast du noch nicht gepackt?" Sieht es so aus? Also, nein habe ich nicht! „Habe ich nicht vor!"

„Michelle, das-wieso nicht?" „Weil ich hier nicht weg gehen werde!" „Aber du musst!" „Ich muss gar nichts, solange nicht mein Leben davon abhängt!"

„Jackson hat uns den Test gezeigt. Willst du mit mir darüber reden?" So gerne würde ich mit ihr darüber reden. Doch ich habe auch meinen Stolz. Nicht nach der Zeit, in der sie nichts von mir wissen wollte. „Nein!", meine ich deshalb kalt.

„Ich weiß, was sie dir angetan haben...",versucht sie es anders. Bitter lache ich. „Nein, ihr denkt zu wissen, was dort passiert ist. Aber im Grunde wisst ihr gar nichts!"

„Dann erzähl es uns doch...wir können dir sonst nicht helfen!" „Danke, aber ich verzichte auf eure Hilfe. Ganz besonders auf deine!"

„Du bist sauer auf mich, weil ich dich nicht zurück gerufen habe. Okay, das verstehe ich. Ich wäre an deiner Stelle auch sauer. Aber bau dir deshalb doch nicht selbst Steine in den Weg. Jetzt bin ich hier um mir anzuhören was mit dir los ist. Ich versuche für dich da zu sein, aber was soll ich machen, wenn du mich ablehnst? Dann darfst du am Ende nicht sauer sein, dass ich es nicht versucht habe. Denn ich biete dir gerade die Chance an dich mir anzuvertrauen. Aber wenn dir dein Stolz wichtiger ist als, deine psychische Gesundheit, dann bitte. Aber mach mir am Ende keine Vorwürfe!"

„Keine Sorge, mach ich nicht!" Sie hat sich wahrscheinlich anderes erhofft. Doch sie steht hinter ihren Worten. Denn sie ist genauso stur wie ich. Und deshalb steht sie auf und verlässt mein Zimmer.

Vierlinge Survival (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt