KAPITEL S E C H S

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KAPIEL S E C H S

Er sitzt da immer noch auf diesem unbequemen Stuhl. Der Polizist hat es aufgegeben Nick nach was auszufragen, dass ihn entlasten könnte. Nick hält sich schuldig und das kann er nicht ändern. Deshalb hat er Nick auch alleine gelassen.

Nick sitzt alleine in dem Raum und starrt ins Leere. Sein Körperhaltung hat ihn verlassen. Seine Unterarme hat er auf dem Tisch gestützt. Die Tür geht auf. Nick nimmt dies war. Aber starrt weiterhin ins Leere.

„Nick?"

Keine Reaktion seiner Seite aus.

„Wieso hast du das getan?"

Keine Reaktion seiner Seite aus.

Dr. Fritscher setzt sich ihm gegenüber auf den Stuhl, wo eben noch der Polizist gesessen hat.

„Das bist nicht du...wieso solltest du sowas tun?"

Immer noch keine Reaktion.

„Wieso hast du das getan?"

„Ich weiß es nicht!",schreit er sie an. Dabei ist er den Tränen nahe. Er zieht die Nase hoch und blinzelt die Tränen aus seinen Augen.

„Doch, Nick, ich glaube du weißt, warum du das getan hast."

„Dann wissen Sie mehr als ich!"

Auch wenn er schreit, bleibt Dr. Fritscher ruhig. Es bringt nichts, wenn beide anfangen würden zu schreien. Doch sie hat keine Ahnung wie sie aus ihm die Wahrheit heraus bekommt. Dann kommt ihr aber eine Idee. Sie steht auf und verlässt den Raum wieder. Nick sieht ihr fragend hinterher. Aber er hat die Kraft und die Lust nicht nach zu fragen, was sie macht.

Dr. Fritscher kommt zurück in den Wartebereich. Doch sie scheint nicht sonderlich zufrieden. „Michelle, könntest du bitte mal mitkommen?" Verwirrt stehe ich auf. Soll ich jetzt Nick befragen? Darf ich das überhaupt? Geht das, obwohl wir Geschwister sind.

Wir laufen einen Gang entlang. Dr. Fritscher nickt einer Polizistin zu. Diese steht vor einer getönten Scheibe. Hinter dieser sitzt Nick. Er sieht hoffnungslos aus. Bleich. Depressiv. Frau Fritscher öffnet die Tür. Nicks Kopf dreht sich zu uns. Er starrt mich emotionslos an.

„Wenn du nicht mit uns reden willst, dann rede wenigstens mit deiner Schwester."

Sie legt ihre Hand auf meinen Rücken und schiebt mich in den Raum. Dann macht sie hinter mir die Tür zu. Ähm, wieso werde ich nicht gefragt, ob ich das überhaupt möchte? Langsam laufe ich auf den Stuhl zu. Schaue durch die Scheibe, doch kann niemanden erkennen. Sowas ist wirklich gruselig. Ich setze mich auf den Stuhl und sehe ihn an. Sage nichts. Schaue ihn einfach nur an.

„Ich weiß, dass du mich hasst", murmelt er, „ich weiß, ich habe unser Versprechen gebrochen..."

Ich bleibe weiterhin stumm.

„Mir tut alles leid, was passiert ist, glaub mir. Aber ich denke, es ist besser wenn die mich erst einmal einbuchten. Ich merke doch wie ich alles nur noch schlimmer mache! Vielleicht normalisiert sich euer Leben eher, wenn ich nicht mehr dabei bin."

Wieso? Wieso sollte es das tun? Er ist auch ein Mitglied der Familie, ohne ihn ist es nicht normal. Ohne Paul ist es nicht dasselbe wie es war. Ich kann nicht noch ein Familienmitglied verlieren. Gibt es sich einfach so auf?

„ Du bist genauso wie Kira!"

Er sieht mich entsetzt an. „Dann bin ich halt wie Kira! Aber ich kann das nicht mehr! Ich kann nicht den ganzen Tag dich anschauen, wie du depressiv durch die Welt gehst. Michelle, dass macht mich depressiv. Und du kannst mir nicht sagen, dass ich dir meine Hilfe nicht angeboten habe. Du hast nicht mit mir reden wollen! Von dir lasse ich mir nichts vorwerfen! Ich habe zwei Monate Rücksicht mit dir gehabt, irgendwann kann ich auch nicht mehr. Dann sag halt, dass ich wie Kira bin. Aber weißt du was, du bist auch nicht besser. Du bemitleidest dich die ganze Zeit selbst. Uns geht es auch scheiße! Aber wir versuchen für dich da zu sein!"

„Das nennst du für jemanden da sein? Ihr habt nichts gemacht! Ja, ok, du kamst oft zu mir und hast mich gefragt, ob ich mit dir reden will. Was soll ich sagen? Was wolltest du von mir hören? Wolltest du von mir hören, dass sie mich vergewaltigt haben? Ja, das haben sie! Willst du alles was sie sonst noch so getan haben auch hören? Ich habe gesehen, wie ein Sohn seinen eigenen Vater umgebracht hat! Und da ist noch so vieles passiert wovon du nichts weißt! Hätte ich es dir gesagt, was hätte das geändert?! Es hätte ein Scheißdreck geändert! Du hättest nichts ändern können! Und willst du noch was wissen, wo wir es gerade davon haben. Ich habe meine Tage seitdem nicht mehr bekommen! Ich hab keine Ahnung-",meine Stimme bricht ab. Nick sieht mich erschrocken an. Ihm scheint es die Sprache verschlagen zu haben. Mir laufen Tränen über die Wangen. Es ist mir in dem Moment so was von egal, dass die Polizisten die vor der Scheibe stehen, alles mit gehört haben. Mir wird schlecht. Am liebsten würde ich auf den Tisch kotzen. Die Vorstellung jetzt schon Mutter zu werden, trägt nicht unbedingt dazu bei, dass es mir besser geht.

„...hast du schon einen Schwangerschaftstest gemacht?",fragt er völlig überrumpelt.

Bedrückt sehe ich auf meine Hände, die auf meinen Beinen liegen. Ich schüttel den Kopf: „Ich kann das nicht, was wenn ich schwanger bin! Ich-ich kann doch jetzt noch keine Mutter werden...",ich beginnen bitterlich zu weinen. Die Vorstellung ein Kind zu bekommen ist unvorstellbar. Wie soll ich jetzt ein Kind groß ziehen? Ich habe keinen Abschluss, keine finanzielle Absicherung. Papa kann nicht noch ein Kind versorgen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen ein Kind groß zu ziehen, dass mich an meine Vergewaltigung erinnert! Wie soll sich das Kind dabei fühlen? Es muss doch schrecklich sein, zu wissen durch eine Vergewaltigung gezeugt zu sein.

„Wenn du wirklich schwanger bist, dann müssen wir das Kind abtreiben!"

„Nein! Ich kann doch nicht einem Menschen das Leben nehmen!"

„Du wirst an diesem Kind kaputt gehen! Das ist doch auch kein Leben für das Kind! Was soll aus dem Wesen werden?"

„Aber es ist doch auch ein Lebewesen...", meine ich kraftlos und immer noch weinend.

„Das ist doch sowas von egal! Wenn ich dieses Kind wäre, dann würde ich auch lieber tot sein, als zu wissen, dass ich durch eine Vergewaltigung entstanden bin. Nein! Michelle, du musst da in erster Linie an dich denken. Nicht an das Ding!"

Ich weine. Und die Tränen kommen immer wieder nach. Als wolle ich nicht mehr aufhören. Mir ist schlecht. Ich habe das Gefühl mir platzt jeden Moment der Kopf. Nick steht auf und bückt sich zu mir runter und umarmt mich. Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zubekommen. Alles dreht sich.

Es tut so weh. Mach das es aufhört.

„Tyler hat gemeint, dass du meine Schwäche bist. Er meinte, dass du mich Schwach machst. Und dass er es mir auch heute gerne beweist. Ich weiß nicht was mit mir passiert ist. Aber ich bin völlig ausgerastet. Es tut mir leid", flüstert er mir in mein Ohr.

Jedoch kann ich mich gar nicht richtig auf seine Worte konzentrieren. Vor meinem geistigem Auge taucht dieses Bild auf. Diese Augen starren mich an. Der Mund zu einem fiesem Grinsen verzogen. »Es wird nicht weh tun!« Doch, dass hat es. Besonders in meiner Psyche!

»Genieß es...« Nein, es war widerlich!

„Alles wird gut...das verspreche ich dir", diesen Satz habe ich von ihm schon einmal gehört. Und es ist nichts besser geworden. Also pass mit denen Versprechen lieber auf.

„Nein...wird es nicht...", kommt es jämmerlich aus mir heraus. Immer noch laufen mir die Tränen über die Wangen. Nichts wird je wider gut!





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KLEINE INFO AM RANDE

Ich habe überlegt, ob dies hier der erste Teil werden soll. Und der jetzige erste Teil eine Art Nacherzählung wird.

Was haltet ihr von der Idee?

P.S. Hier im momentanem zweiten Teil sind in der Vergangenheit ein wenig andere Sachen passiert, als im noch nicht überarbeiteten Teil erwähnt werden. Also bitte nicht wundern.

Vierlinge Survival (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt