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Es mir leid, wenn im Bezug auf Jahreszeiten oder ähnlichem kleine logische Ungereimtheiten vorkommen. Ich werde das nach Beendigung überarbeiten

Ich wünsche euch viel Spaß bei dieser Geschichte!

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Meine Finger trommelten hektisch auf die massive Tischplatte vor mir und meine andere Hand zwirbelte unaufhörlich eine Haarsträhne zwischen den Fingern, die sich schon kringelte.

Was würde sie bloß dazu sagen? Sie, die so unglaublich realistisch war und keineswegs an, nun ja, übernatürliche Dinge glaubte.
Was würde Rose dazu sagen, dass ihre beste Freundin, eine stinknormale, braunhaarige 17-Jährige zu etwas imstande war, zu dem eigentlich niemand, absolut niemand imstande sein konnte?

Sie würde es für einen unglaublich schlechten Witz halten oder mich verabscheuen.
Oder beides.

Ich raffte mich auf, ging in den Flur und wollte gerade die Wohnung verlassen, als mir auffiel, dass ich weder Schlüssel noch Jacke bei mir trug.

Seufzend drehte ich mich um und zog meinen Mantel von der Garderobe und dachte kurz über Mütze und Handschuhe nach, entschied mich dann aber dagegen, denn es war zwar kalt, aber noch lange nicht kalt genug für drastischere Maßnahmen als Winterjacke und Schal.

Nach kurzem Suchen hatte ich auch meinen Schlüssel gefunden und steckte ihn in die Tasche meines dunkelblauen Mantels.

Ich lief die Treppen des Mietshauses, in dem ich mit meinem Dad und unserem Hund Emmy lebte, hinunter, trat auf die Straße und sog die schlechte Luft Londons ein.

Die Underground-Haltestelle 'Charing Cross' befand sich quasi vor unserer Haustür. Ich nahm die Northern Line nach Islington, genauer gesagt zur Highgate Station.

Gegenüber von mir saß das typische Bild eines Londoner Geschäftsmannes. Dunkele, gegelte Haare, von grauen Strähnen durchzogen, Brille, leichter Bierbauch und die Times in der Hand.
Schwarzer Anzug mit Krawatte und Lackschuhe.

Leider bemerkte er, dass ich ihn anstarrte, warf mir einen misstrauischen Blick zu und umklammerte seine Aktentasche noch ein Stück fester.

Ich stieß laut die Luft aus wandte meinen Blick ab.

Diese Schnösel waren unglaublich selbstbezogen und eingebildet. Nur, weil sie Geschäftsmänner waren, hieß das noch lange nicht, dass alle anderen auf sie eifersüchtig waren und sie beklauen wollten. Und nur weil ihnen eine Teenagerin mit Pferdeschwanz, dunkelen Klamotten und bis zu den Ohren hochgezogem Schal gegenübersaß und sie anstarrte, war diese Teenagerin noch lange keine Diebin. Aber nun gut, so dachten die Geschäftsmänner hier nun mal. Da konnte man nichts machen.

Als die U-Bahn hielt und ich aussteigen wollte, strauchelte ich und fiel hin.

Mit hochrotem Kopf und gesengtem Blick rappelte ich mich auf und ging beschämt davon. Es war unglaublich peinlich, wie so vieles, was mir aufgrund meiner Tollpatschigkeit schon passiert war.

Nach einem kurzen Fußweg stand ich vor Rosies Haustür.
Ich holte tief Luft und drückte auf den rostenden Messingklingelknopf ihres kleinen Hauses in Islington. Ihr Hund Layla sprang bellend innen an der Glasscheibe hoch und zauberte mit damit ein leichtes Lächeln aufs Gesicht.

Rose öffnete die Tür.
Zum Glück war es Rose, denn ich hatte nun wirklich keine Lust, ihrem manchmal sehr gestressten und missgelaunten Vater erklären zu müssen, warum ich an einem Samstagnachmittag unangemeldet vor ihrer Tür stand.

Ein ,,Erde an Zoe? Ist bei dir alles in Ordnung? ", riss mich aus meinen Gedanken und ich brachte ein schwaches Lächeln zustande.

,,Hey, Rose ... Ich müsste mal mit dir über was wichtiges reden. Sorry wenn ich jetzt mit der Tür ins Haus falle ... Du wirst mich vielleicht für verrückt, unmenschlich oder beides halten, aber bitte hör mir zu. Ich weiß, du glaubst nicht an übernatürliche Dinge, deswegen fällt mir das hier auch echt schwer, aber lass mich das bitte zu ende erklären." , sagte ich und hielt die Luft an.
Sie sah etwas verwirrt aus, vermutlich weil ich sie damit so überrumpelt hatte, aber sie nickte überrascht.

Der erste Schritt war getan.
Jetzt musste ich nur noch genug Mut für den Rest aufbringen.

,,Gehen wir vielleicht zu dir rein? Ich muss dir dafür was zeigen, sonst wirst du nämlich glauben, dass ich dich verarsche."
An diese Worte schloss ein kurzes und ganz offensichtlich falsches Auflachen von mir, wofür Rose nur einen äußerst skeptischen Blick übrighatte.
Abermals nickte sie zustimmend, doch nun war ihr Gesicht ein einziges Fragezeichen.
Sie öffnete die Tür ganz und fragte neugierig und begeistert zugleich: ,,Hast du etwa einen Freund?"

Es tat mir leid, sie jetzt enttäuschen zu müssen, aber ich log nicht gerne und schüttelte nur stumm den Kopf.

Wir ließen uns auf ihre bequeme Ledercouch fallen, und nachdem ich immer noch keinen Tonn von mir gegeben hatte, wurde Rose langsam ungeduldig.

,,Ich dachte du wolltest mir etwas wichtiges zeigen?", fragte sie skeptisch.

Ich rang immer noch mit mir, unschlüssig, ob ich es ihr wirklich erzählen sollte, aber jetzt konnte ich keinen Rückzieher mehr machen, also holte ich tief Luft und sagte: "Bitte hör mir genau zu. Geh nicht weg und schrei bitte auch nicht die ganze Nachbarschaft zusammen."
,,Was sollte mir denn einen Grund dazu geben?", fragte sie laut lachend.
Sie lachte viel und gerne und ich hoffte inständig, dass ihr das Lachen nicht vergehen würde.

Ich erwiderte nichts, stand aber auf und entfernte mich wortlos ein Stück von ihr. Ich konzentrierte mich, sprang in die Luft und landete nicht wieder auf dem Boden, sondern kam in ungefähr zwei Metern Höhe zum Stillstand, knapp unter der Wohnzimmerdecke. In dieser Position verweilte ich einige Sekunden, bis ich zu Rose sah.
Das Gesicht meiner besten Freundin holte mich wortwörtlich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

,,WAS war DAS?", fragte sie mich vollkommen fassungslos.
,,Ich bin geflogen.", sagte ich schlicht und ohne meine Miene zu verziehen.
,,Aber ... das ist total unnormal! Das ist genaugenommen sogar vollkommen unmöglich!", erwiderte sie, schon fast schreiend.

Ihre Worte verletzten mich, doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.
,,Aber ... fliegen ist dem Homo Sapiens aerodynamisch absolut unmöglich!" , schrie sie.
,,Rose ... beruhige dich doch.", flehte ich sie fast schon an.
,,ICH?! ICH SOLL MICH BERUHIGEN?! Du solltest besser mal darüber nachdenken, dass du etwas kannst, was normalen Menschen unmöglich ist!"
Und mit diesem Worten drehte sie sich um und rannte die Treppe hoch, vermutlich in ihr Zimmer. Ich wusste, dass es zwecklos wäre, sie jetzt überzeugen zu wollen, und weil ich davon ausging, nicht länger in hier willkommen zu sein, verließ ich bedrückt wieder das Haus und zog die Tür hinter mir zu.
Sie hatte es zwar nicht direkt gesagt, doch die Botschaft hinter den Worten war durchaus bei mir angekommen.

Du bist unnormal.

Bei diesem Gedanken stiegen mir Tränen in die Augen, obwohl mir das natürlich auch selbst klar war, aber es noch mal von einer der wichtigsten Personen im Leben zu hören, war nochmal etwas ganz anderes.

Ich holte tief Luft, so tief, bis es nicht mehr ging und stieß dann alles aus. Schnellen Schrittes verließ ich ihre Straße, verließ ich die Nachbarschaft. Während meine Beine immer schneller wurden und ich irgendwann zu rennen anfing, fummelte ich mein Handy umständlich aus der Jackentasche und wollte Elouise anrufen, meine andere beste Freundin. Rose, Elouise und ich waren drei beste Freundinnen und bildeten unsere Clique. Wir standen immer zueinander und verteidigten die anderen wo wir nur konnten.
Eigentlich.

Nach mehreren Versuchen, im Laufen die richtige Nummer einzutippen, hatte ich es dann geschafft und drückte auf 'Anrufen'.
Ein mehrmaliges tuten ließ mich immer nervöser werden, aber schließlich ging sie dran.

,,Zoe? Bist du das? Was ist denn passiert", erklang ihre Stimme am Telefon.
,,Elouise! Du musst mir helfen ich hab mich mit Rosie gestritten und sie ... Sie .... Ach egal, ich komme zu dir. Ich brauch nicht mehr lange, bin schon in der Kensington Roa-"

Meine Worte wurden plötzlich dadurch unterbrochen, dass mir ein schwarzer Sack über den Kopf gestülpt wurde.

Mein letzter Gedanke war, das ich besser hätte aufpassen müssen, doch dann wurde mir etwas hartes auf den Hinterkopf geschlagen und alles um mich herum wurde schwarz. Ich spürte noch, wie meine Beine einknickten und jemand mich mit verschwitzten Händen davor bewahrte, auf den Boden aufzuschlagen, doch dann verlor ich endgültig das Bewusstsein.

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So, ich hoffe, das 1. Kapitel hat euch gefallen. ♥

(Für alle, die es nicht wissen: Islington ist ein Stadtteil von London.)

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt