Wieder unterwegs...

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Ich springe sofort von dem Koffer und renne ihm hinterher. "Warte! Matt?", ich schaffe es kaum ihn mit meinen kurzen Beinen einzuholen, doch ich will auf keinen Fall allein sein, wenn auch nur hier im Haus.

Am Ende des Gangs steht Matt mit dem Rücken zu mir, seitlich gegen die Wand gelehnt.

"Matt...?", frage ich und strecke vorsichtig eine Hand aus, um ihn an der Schulter zu berühren.  Knapp bevor ich ihn erwische wirbelt er herum, packt meine Hand mit festem Griff und starrt mich an. Ich schaffe es kaum, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Abscheu. Trauer. Wut. Verzweiflung. Hass?

"Ich hätte sie beschützen müssen!", fährt er mich an. Sein Arm zittert, als er meine Hand von sich schleudert und ich ein paar Schritte zurückstolpere. "Ich hätte jederzeit mein Leben für sie gegeben verstehst du?? Und jetzt? Sie ist tot, IJ! Meine kleine Schwester,  sie...", er bricht urplötzlich ab und sieht mich an.

"Es tut mir ja so..."

Matt schüttelt den Kopf und sieht mich dann schief an. "Ist schon gut. Mir tut es leid... ich hätte dich nie anschreien sollen nur... meine Schwester war der wichtigste Mensch in meinem Leben und sie war so stark, dass ich glaubte sie würde es aus der Stadt schaffen..." Wieder schüttelt er verzweifelt den Kopf.

Gerade als ich etwas sagen will läuft er wieder los, zurück zum Waffenraum.

Etwa eine Stunde später verlassen wir das Haus. Ich trage drei Dolche in die Gürtelschlaufen gesteckt, habe mir ein MG mit Schalldämpfer umgehängt (Matt geht davon aus, dass die Zombies Lärm wahrnehmen und davon regelrecht angezogen werden) und habe eine Spitzhacke in der Hand. Immer auf den Kopf ziehlen, ich versuche es nicht zu vergessen.

Matt hat eine ebenfalls mit Schalldämpfer versehene Pistole und zwei Dolche dabei, zusätzlich hängt an einer Halterung eine Armbrust auf seinem Rücken. Während ich auf die ebenfalls mit Waffen vollbepackte Cross steige, frage ich mich, ob die Maschine Matts Schwester gehört hat, doch ich wage es nicht, zu fragen.

Ich sehe mich um, nur um festzustellen, dass Matt verschwunden ist.

Sofort klettere ich wieder von der Cross, umfasse den Griff der Spitzhacke fester und lausche mit hämmerndem Herzen.

"Verdammte Scheiße", höre ich aus einiger Entfernung Matts Stimme durch den Herbstwind. Sofort schleiche ich auf das Geräusch zu über  die mit bunten Blättern bedeckte Einfahrt Richtung Garage.Ich versuche so gut es geht, meinen keuchenden Atem unter Kontrolle zu bringen, als ich in einen schmalen Weg neben der Garage einbiege, der hinters Haus führt.

"Fuck Fuck Fuck Fuck", tönt Matts monotones Fluchen an mein Ohr, als ich plötzlich ein Knacken um die nächste Hausecke höre, wie ein Fuß, der auf einen spröden Zweig tritt. Schritte kommen auf mich zu.

Ich stelle mich entschlossen, den Zombie zu töten, der da auf mich zukommt, an die Ecke, halte den Atem an und hebe die Spitzhacke hoch.

Ein Schatten fällt auf den Weg, ich springe um die Ecke und lasse die Spitzhacke durch die Luft zischen, direkt auf die Silhouette zu, die vor mir steht.

"Was zum..?", seine blitzschnelle Hand stoppt die Hacke, kurz bevor sie Matts Kopf durchbohrt.

"Matt!", keuche ich erleichtert.  "Ich dachte du wärst ein Zombie!"

"Also wirklich!", meint er entrüstet. "So hässlich bin ich nun auch wieder nicht!"

Gegen meinen Willen muss ich kichern. "Und wieso hast du so geflucht?"

"Deswegen", er wirft einen abschätzigen Blick auf die grellgrüne Cross hinter ihm. "Sie springt nicht an"

Zweifelnd sehe ich ihn an. "Hast du die Zündung auch eingeschaltet?"

"Natürlich habe ich die Zündung eingeschaltet!!"

"Oh... und hast du...?", setze ich zur nächsten Frage an.

"Irina, ich bin durchaus in der Lage eine Cross zu starten! Und jetzt los, wir müssen hier weg", damit läuft er zurück zur Einfahrt und wiedereinmal bleibt mir nichts anderes übrig,  als ihm zu folgen.

Er hat bereits die Hälfte des Gepäcks auf der roten Kross abgeladen, als ich dort ankomme, und schwingt sich hinauf. Ungeduldig sieht Matt mich an.

"Was..?"

"Spring auf!", fordert er.

"Du brauchst nicht so unfreundlich zu sein!", fauche ich.

"Würde ich ja nicht, aber siehst du die Hübschen dort?", er nickt zur Straße hin, auf der etwa ein Dutzend Zombies auf uns zu humpeln. Ich starre sie entsetzt an, bin mir sicher, dass die vorher noch nicht da waren. Drei kleine Mädchen mit bunten Spangen in den Haaren. Ein älteres Ehepaar - oder zwei gleichaltrige Leute die nebeneinander herhumpeln - und eine junge Frau im Trenchcoat. Da sind noch einige mehr, doch ich nehme mir nicht die Zeit sie zu mustern,  sondern springe regelrecht hinter Matt auf die Maschine, wo ich aufgrund der Armbrust kaum Platz habe. Das sanfte Brummen des Motors macht mich nervös,  es scheint zu schwach. Sollte es nicht stärker sein? Was wenn diese Maschine auch hinüber ist?

Doch Matt dreht am Gas und mit einem Brüllen schwillt das Motorengeräusch gemeinsam mit der Vibration an, und er reißt die Maschine herum, fährt auf die Straße zu und durch die Zombieherde. Schwarm? Gruppe? Rudel? Wie nennt man das?

Im Vorbeifahren tritt Matt einem der kleinen Mädchen ins Gesicht,  das die winzigen Kinderhände nach uns ausstreckt. Verwirrt tritt sie zurück, ihr Kiefer ist zur Seite ausgerenkt und die weiche Haut an der Wange reißt langsam auf. Ich drehe mich im Sitzen nach hinten, nur um zu sehen wie das Kiefer an ein paar Hautfetzen vom Kopf baumelt und beim nächsten Windzug auf den Boden klatscht, während die anderen Zombies langsam hinter uns her humpeln und wir uns immer weiter von ihnen und der Stadt entfernen.

Foto: Zombie

Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt