Leises Vogelzwitschern weckt mich am nächsten Tag. Eine Weile liege ich einfach nur da und genieße die lauwarmen Strahlen der Vormittagssonne auf meinem Gesicht, lausche dem Rauschen der sanften Wellen und atme die frische, kühle Herbstluft. Aber dann wird der Hunger doch stärker als die Müdigkeit und ich öffne blinzelnd die Augen, nur um festzustellen, dass ich mit dem Kopf in Matts Schoß liege. Ruckartig richte ich mich auf.
"Morgen", sagt Matt mit seinem typischen frechen Grinsen.
"Heeii", erschöpft fahre ich mir mit einer Hand durch die inzwischen trockenen, verfilzten Haare.
"Wir können übrigens reingehen", meint Matt und hilft mir aufzustehen. In der Hütte riecht es nur noch leicht nach Rauch und wir frühstücken erstmal herzhaft. Im Lager finden wir Orangensaft, der überraschenderweise noch nicht verdorben ist, Marmelade und Aufbackbrote. Ich heize im Ofen ein und lege die Brote ins Rohr, Matt lasse ich sicherheitshalber nicht kochen.
"Ich kann den Abwasch ganz übernehmen", bietet der an, doch ich bestehe darauf, wenigstens abzutrocknen. Wir reden nicht viel, sind beide in Gedanken versunken. Ich nehme ihm die nassen Teller aus der Hand und trockne sie ab, während ich an Jackie und Tio und meine Eltern denke.
Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinen Eltern essen in einem Haubenrestaurant war, und wie sich mein Vater und ich halb tot gelacht haben über die Schnöseligkeit der anderen Gäste. Meine Mutter war rot angelaufen vor Scham, was es natürlich noch witziger machte.
Ich erinnere mich daran, wie Jackie und ich einmal eine ganze Unterrichtsstunde über unsere Deutschlehrerin gelacht haben, weil einer der Jungs rausschrie: "Sagen Sie eigentlich Worte wie... Penis?" und sie antwortete: "Also bitte! So etwas würde ich nie in den Mund nehmen!"
Ich erinnere mich daran, wie Tio und ich uns in der Sportprojektwoche das erste mal geküsst haben, am Strand des Sees im Sand sitzend, die Hände ineinander verschränkt mit dem vollen Mond über uns.
Jackies helles, etwas gruseliges Lachen hallt in meinem Kopf nach, Tios leuchtende blaue Augen strahlen mich an, sobald ich die Augenlider schließe. Ich spüre die beschützenden Hände meiner Elteen auf meinen Schultern wie damals an meinem ersten Schultag.
"IJ?", reißt mich Matt aus den Gedanken und ich wirble herum, als mir klar wird, dass ich schon einige Minuten vor dem fertigen Geschirr stehe ohne etwas zu sagen oder zu tun.
"Kommst du mit zum Strand?", an seinem Ton erkenne ich, dass er nicht das erste mal fragt.
"Ja... ja klar", ich schüttle den Kopf um meine Gedanken zu ordnen, lege das Geschirrtuch zur Seite und folge Matt an den Strand.
Dort erklärt er mir, er wolle die Insel umrunden, um alles genauer anzusehen und vor allem zu überprüfen ob das Wasser irgendwo seicht genug sei, hindurchzuwaten.
Wir stapfen schweigend durch den taufeuchten Sand, ich lausche dem Quaken der Enten, die ich allerdings nirgends entdecken kann, und versuche so was wie beten.
Ich bin nicht wirklich gläubig, also klingt das Gebrabbel in meinem Gehirn etwa so: Ähm... hallo '-' Ich also.. ich bin Irina.. und ich fänds echt voll toll wenn du mal danach schauen könntest ob meine Eltern und so noch leben. Das wär voll nett oder so... Achso ja und pass auf Tio und Jackie auf .. und Saskia auch.. dann versprech ich auch nicht zu töten und zu lügen und so'n Zeugs... In dem Moment wird es mir dann doch zu blöd und ich stapfe lieber wieder gedankenlos hinter Matt her.
"Sieh mal, da!", zischt er plötzlich und hält eine Hand hoch, um mir zu bedeuten, still zu sein und stehen zu bleiben. Ich folge seinem Blick über das Wasser bis zum anderen Ufer, wo drei Silhouetten herumtorkeln.
"Sind das...?", setze ich an.
"Jedenfalls keine Menschen", Matt nickt und zieht seine Pistole aus dem Gürtel. Irgendwie sieht es unglaublich heiß aus, wie er mit ausgestreckten Armen ziehlt und zwei Schüsse schnell hintereinander abfeuert. Beim Rückstoß geht ein schwaches Beben durch seine Armmuskulatur und als ich den Blick von ihm abwende sehe ich drüben einen der Zombies zu Boden sinken. Der Zweite ist nur in den Hals getroffen und torkelt weiter.
"Willst du auch mal?", fragt Matt und das diabolische Grinsen in seinem Gesicht macht mir Angst. Ich schüttle mit großen Augen den Kopf und er schießt erneut, diesmal trifft er und der Zombie fällt vornüber ins seichte Uferwasser.
Als wir weiter gehen folge ich Matt mit ein paar Metern mehr Abstand als zuvor.
Foto: Strand
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Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringt
HorrorIrina ist 16, Einzelkind (also Verwöhnung pur) hat eine tolle beste Freundin, einen liebevollen, sexy Freund und gehört zu den beliebtesten Leuten an der Schule. Ihr Leben wäre eigentlich perfekt, doch eins macht das ganze kaputt - wieso muss ausge...