Geschwächt

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Irina Jacksons P.O.V.

Keuchender Husten reißt mich aus dem Schlaf. Eine Sekunde lang schrecke ich auf, doch es war mein eigenes Husten, das mich weckte.

Jetzt sitze ich aber auch schon aufrecht auf der Couch und sehe mich mit der Seekraft von eineinhalb Augen um. Die Wohnung ist sehr modern und mein Blut zieht eine deutliche Spur von der Terasse, durchs Wohnzimmer und bis zu der Stelle, wo ich jetzt sitze. Neben mir auf der Couch liegt die offene Snapsflasche. Mein Oberkörper ist getränkt vom Alkohol, also bin ich wohl mit der Flasche auf mir liegend eingeschlafen.

Um meine Gedanken zu ordnen schüttle ich leicht den Kopf und zucke sofort zusammen, als stechender Kopfschmerz und Übelkeit mich übermannen.

Scheiß Kater... Zuletzt richtig betrunken war ich etwa einen Monat vor allem. Am folgenden Morgen hatte ich würgend und kotzend über der Kloschüssel gehangen, danach ging es mir jedoch viel besser. Also richte ich mich endgültig auf und strecke die Beine durch. Meine Hüfte sowie mein Oberschenkel schmerzen, doch ich ignoriere es, so gut ich kann, während ich mich langsam auf die nächste Tür zuschleppe.

Sie ist nur angelehnt und ich gehe optimistisch davon aus, dass sich dahinter kein Zombie befindet. Ich behalte Recht. Die erste Tür, die ich öffne, ist bereits das Badezimmer. Heute ist wohl mein Glückstag.

Von meiner eigenen Langsamkeit genervt greife ich mir eine Zahnbürste, spühle sie rasch ab und lasse mich dann vor der Toilette auf die Knie sinken. Ich stecke den Griff so weit ich kann in meinen Rachen. Nur eine Minute später ist mein Magen leer und die Kloschüssel voll mit halbverdauten Spaghetti. Ich spüle und richte mich, diesmal ohne Schwindelgefühl, langsam auf, wasche mir den Mund aus und öffne den Badezimmerschrank, der sich direkt hinter dem Spiegel befindet.

Kosmetikartikel. Anti-Aging-Cremes die bis zu 20 Jahre jünger machen. Wenn ich die verwende, werde ich dann zum Spermium oder zu einer Eizelle? Jedenfalls befindet sich im gesamten Schrank kein einziges Arzneimittel, dafür aber Damenhygieneartikel und sonstiges womit ich - verdammt nochmal - nichts anfangen kann.

Die Rosenblüten für "ein sinnlich entspannendes Bad" und ein Blick an meinem Körper hinunter bringen mich jedoch auf einen anderen Gedanken.

Matt Taketers P.O.V.

In meine Turnschuhe dringt von oben Schnee. Der Leinenstoff ist bereits durchweicht vom langen Gehen durch den teils knöchel- teils knietiefen Schnee und meine Socken sind ertränkt in Schmelzwasser. Die Schuhe fand ich ebenso wie T-Shirt und Hose in einem der ersten Häuser, an denen ich vorbeikam. Alles zusammen ist mir etwas zu groß, doch mit einem Gürtel geht es, und so hält auch der Dolch, den ich Vic abgenommen habe.

An der Haustüre wische ich mir gewohnheitsgemäß die Schuhe am Fußabtreter ab - meine Mutter hasste es, wenn ich Dreck ins frisch geputzte Haus brachte. Auch wenn das hier nicht mein Haus ist, kann ich kaum anders.

"in einem Hochhaus, Sunset Alley linke Straßenseite, Hausnummer siebzehn glaube ich. Sie liegt im neunten Stockwerk tot auf dem Balkon, vermutlich angeknuspert von ein paar Zombies", erinnere ich mich an Vics Stimme, als ich sie das letzte Mal sah. Oder sagte sie im zehnten Stock? Ich bin mir nicht sicher. Jedenfalls betrete ich jetzt vorsichtig Sunset Alley 17, einen Mietkomplex auf der linken Straßenseite.

Im Treppenhaus riecht es verdächtig nach Verwesung. Ich ziehe den Dolch aus dem Gürtel und halte ihn mit der Klinge nach hinten fest in der linken Hand. Dann schleiche ich Stufe für Stufe die Treppen hoch, was mir sofort meinen Ohrwurm "Tiptoing in my jordans" zurückbringt. Ausgezeichnet.

Unwillkürlich bewege ich die Lippen zum Text und bringe Stockwerk 1,2,3,4 und 5 hinter mich, bevor ich mir einen Moment Zeit gebe, um durchzuatmen. Bisher ist alles ruhig und nach dem stundenlangen Marsch gleich nach dem Aufstehen bin ich doch etwas erschöpft. Ich würde eine Wohnung aufbrechen, um zu trinken, doch ich habe nur noch 4 Stockwerke vor mir und will das unnötige Risiko, eine weitere Untote Bekanntschaft zu machen, nicht eingehen.

Der Gedanke an eine von Zombies angeknusperte Irina lässt mich weitergehen. Vielleicht bin ich noch nicht zu spät.

Im neunten Stock befindet sich glücklicherweise lediglich eine Wohnung. Ich atme tief durch und renne mit voller Kraft mit der linken Schulter dagegen. Als die Tür ohne Widerstand zu leisten aufgeht, knalle ich sofort an die gegenüberliegende Gangwand. Mein Schädel brummt und ich stöhne, richte mich auf und lausche. Es ist nichts zu hören. Wieso aber sollte Irina in einer lehren Wohnung vom Balkon stürzen ohne einen Grund?

Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt